Wohnbau
ORF.at/Roland Winkler
Gemeinnütziger Wohnbau

Novelle soll Priorität auf Kaufoption legen

Rund 20 Prozent der Bevölkerung leben laut Wirtschaftsministerium in gemeinnützig errichteten Wohnungen, mit dem Vorteil niedrigerer Mieten. Mit einer Gesetzesnovelle, die am Donnerstag in Begutachtung gegangen ist, sollen diese Immobilien nun schneller vom Mietmarkt gehen – und in Eigentum umgewandelt werden. Die Opposition befürchtet eine weitere Verknappung von bezahlbarem Wohnraum.

Laut ÖVP-FPÖ-Regierung sollen mit der Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) Menschen mit geringen und kleinen Einkommen entlastet werden: „Mit der vorliegenden Novelle ermöglichen wir vielen Menschen und Familien einen leichteren Zugang zu Eigentum.“

Wie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) in einer Aussendung festhält, sollen gemeinnützige Wohnungen bereits nach fünf statt bisher zehn Jahren gekauft werden können. „Dadurch schaffen wir mehr Planbarkeit und machen aus Mietern Eigentümer. Durch diese Maßnahmen bringen wir rund 1.000 Wohnungen pro Jahr in nachhaltiges privates Eigentum.“

Mehr Kaufoptionen – früher und länger

Laut Entwurf müssen die gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) dem Mieter im Zeitraum von fünf bis 20 Jahren Miete die Wohnung viermal zum Kauf anbieten. Die Verlängerung des Optionszeitraums auf 20 Jahre soll auch für laufende Mietverträge gelten. Im Sinne der Transparenz muss in den Mietverträgen künftig ausdrücklich auf das Bestehen einer Kaufoption hingewiesen werden, um eine eventuelle Finanzierungsplanung frühzeitig zu ermöglichen.

Nachgeschärft werden soll der Spekulationsschutz, etwa durch eine Bindung des Mietzinses für 15 Jahre im Falle eines Wohnungskaufs durch den Mieter. Ausgenommen aus dem verpflichtenden Kaufangebot sind Wohnungen mit einer Nutzfläche von unter bis einschließlich 40 Quadratmetern. „Diese sollen bevorzugt im Mietbestand bleiben, um günstigen Wohnraum etwa für junge Menschen, Lehrlinge, Studierende zur Verfügung zu stellen“, so das Wirtschaftsministerium. Wohnungen mit 40 Quadratmeter Nutzfläche oder weniger entsprechen der kleinsten Kategorie A (ein Zimmer).

Bezahlbares Wohnen: Neues Gesetz

Etwa 20 Prozent der Bürger leben in gemeinnützig errichteten Wohnungen, wo auch die Miete niedriger ist.

Gewaltopfer und Österreicher bevorzugt

Die Novelle sieht zudem vor, dass „Opfer von Gewalt“ – nachgewiesen durch eine aufrechte einstweilige Verfügung – bei der Vergabe von Wohnungen zu bevorzugen bzw. „vorzureihen“ sind. Auch die vor allem von der FPÖ vehement geforderte „vorrangige Wohnversorgung“ österreichischer Staatsbürger wird darin explizit in den Fokus aller gemeinnützigen Bauvereinigungen gerückt: Der von gemeinnützigen Bauvereinigungen errichtete Wohnraum ist „in erster Linie zur Wohnversorgung österreichischer Staatsbürger und diesen (staatsvertraglich) Gleichgestellten gewidmet“, hieß es aus dem Ministerium.

Einem dringenden Wunsch der GBV kommt die Regierung mit einem neuen Verbot von „kurzfristigen bzw. gewerbsmäßigen Vermietungen zu touristischen Beherbergungszwecken“ nach. Mieterinnen und Mieter von gemeinnützigen Wohnungen sollen diese künftig nicht mehr via AirBnb vermietet können – ein Passus, der allerdings nach dem angestrebten schnellen Verkauf der Wohnung kaum mehr greifen dürfte.

Grafik zum gemeinnützigen Wohnbau
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/GBV

Spekulative Immobilieninvestoren sollen keinen Zugriff mehr auf die günstigen gemeinnützigen Wohnungen haben, so ein weiteres Ziel der Novelle. Ein diesbezüglich aktuell bekannter Fall ist der heimische Investor Michael Tojner, der in Wien in die Übernahme eines gemeinnützigen Bauträgers involviert ist, bei dem es um etwa 3.000 Wohnungen geht.

Derzeit etwa 270.000 gemeinnützige Wohnungen

Die Gesetzesnovelle betrifft in Österreich etwa 180 gemeinnützige Bauvereinigungen – rund 100 Genossenschaften und 80 Kapitalgesellschaften. Sie verwalten etwa 653.000 eigene Mietwohnungen und rund 270.000 Eigentumswohnungen. Das jährliche Bauvolumen beträgt etwa 16.500 Wohnungen. Mehr als 20 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher wohnen in einer gemeinnützig errichteten Wohnung. Die Miete in gemeinnützig errichteten Wohnungen liegt mit durchschnittlich 6,6 Euro pro Quadratmeter etwa 20 Prozent unter dem Niveau von gewerblichen Vermietern.

„Mit der vorliegenden Novelle ermöglichen wir vielen Menschen und Familien einen leichteren Zugang zu Eigentum“, ist Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) überzeugt. Die Bundesregierung erleichtere „wie versprochen die Bildung von Eigentum, denn eigener Wohnraum ist auch eine Absicherung im Alter“, so Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ).

FPÖ froh über Österreicher-Klausel

Erfreut kommentierte FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus die Gesetzesnovelle. „Wir haben auch sichergestellt, dass Drittstaatsbürger keine geförderten Genossenschaftswohnungen mehr kaufen dürfen. Damit sichern wir erschwingliches Eigentum verstärkt für Österreicher“, so Gudenus. „Drittstaatsbürger müssen in Zukunft Integrationszeugnisse nachweisen. Das tritt Parallelkulturen in Genossenschaftsbauten deutlich entgegen“, Gudenus weiter. Ähnlich kommentierte FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl – er ortete eine „wohnpolitische Trendwende“. Auch der Wiener Vizebürgermeister Dominik Nepp freut sich: „Jetzt heißt es ‚Österreicher zuerst‘“.

Kritik von SPÖ und Jetzt

Kritik kommt von der SPÖ. Die Senkung der Frist für das Ziehen der Eigentumsoption nach fünf statt zehn Jahren sieht SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher als „unausgegorenes Basteln im bestehenden System“. „Sollten diese Wohnungen so wie bisher aus der Mietpreisbegrenzung des WGG fallen, wird dem Mietwohnungsmarkt zusätzlich leistbarer Wohnraum entzogen. Und: Der Ratschlag der Regierung an junge Leute, sich trotz wechselnder Lebenssituationen schon früh hoch zu verschulden, bleibt aufrecht.“

Laut Jetzt-Bautensprecher Wolfgang Zinggl wird „kaum eine Österreicherin oder ein Österreicher bessergestellt. Es soll einmal mehr lediglich das Gefühl vermittelt werden, dass Nicht-Österreicher schlechtergestellt werden." Zentral ist für Zinggl, dass der erleichterte Erwerb nach wie vor eine Frage der grundsätzlichen Leistbarkeit bleibt: „Gerade die schlechter Verdienenden werden sich eine Eigentumswohnung auch mit der Reform der Regierung nicht leisten können." Die Regierung müsse die steigenden Mietpreise unter Kontrolle bringen, die in der Regel 40 Prozent der Löhne wegfressen und mitbeteiligt sind an der wachsenden Armut im Land.“

Der Wohnbausprecher der Wiener Grünen, Peter Kraus, fürchtet, dass die Gesetzesnovelle „mittelfristig zur Verschärfung der Lage beitragen“ wird. „Einige Aspekte des vorliegenden Gesetzesentwurfs, wie die Hintanhaltung von kurzfristigen Vermietungen von Genossenschaftswohnungen zu touristischen Zwecken bedürfen noch einer ordentlichen Präzisierung“, so Kraus. „Die reißerischen Ansagen der Bundesregierung in Richtung Ausschluss oder Benachteiligung von Teilen der Bevölkerung“ diene nur der gesellschaftlichen Spaltung und werden im Hinblick auf verfassungs- und gemeinschaftsrechtliche Bedenken nicht standhalten.

GBV warnt vor Einzelspekulanten

GBV-Obmann Karl Wurm steht der Reform weitgehend positiv gegenüber. Im Ö1-Mittagsjournal sprach er von „Dingen, die zu begrüßen sind“, darunter etwa die Absicherung gemeinnützigen Vermögens. Problematisch werde es, wenn es Einzelspekulanten gebe, die versuchten, günstig an die Wohnung zu kommen und diese dann nach Jahren der Wertsteigerungen „abverkaufen“. Denn dann sei eine solche Wohnung „sicher dem gebundenen, günstigen Wohnraum entzogen“, so der GBV-Obmann – Audio dazu in oe1.ORF.at.