Hooker River in Neuseeland
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Neuseeland

Naturparadies droht Kollaps

Verschmutzte Gewässer statt beeindruckende Seen, bedrohte Tierwelt statt Artenvielfalt: Dem Naturparadies Neuseeland droht der Kollaps. Das zeigt ein aktueller, großangelegter Bericht der neuseeländischen Regierung, die sich Klima- und Umweltschutz auf die Fahnen geheftet hat.

Beim „Environment Aotearoa“ handelt es sich um den ersten bedeutenden Bericht über die Umwelt des vermeintlichen Naturparadieses in vier Jahren. Der Bericht stützt sich einerseits auf Daten des statistischen Amts Neuseelands und andererseits auf jene des Umweltministeriums.

Dessen Ergebnisse könnten dabei nicht weiter weg von jenem Bild sein, das die Marketingkampagne „Pure New Zealand“ („Reines Neuseeland“, Anm.) anhand von Hochglanzbildern unberührter Naturlandschaften zu zeichnen versucht. Vielmehr kämpft das Land mit verschmutzten Gewässern, Artensterben, den Folgen der Urbanisierung und der Verbreitung der Milchindustrie.

Kea (Nestor notabilis)
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Der Bergpapagei ist eine der zahlreichen bedrohten Vogelarten des Landes

Vögel, Delfine und Co. vom Aussterben bedroht

Seit die Inseln vor rund 800 Jahren von Menschen besiedelt worden sind, starben 75 Tier- und Pflanzenarten aus. Eingeschleppte Tierarten wie Ratten, Katzen und Wiesel haben große Schäden im Ökosystem angerichtet: Sie fressen Insekten, Echsen, Vögel oder aber deren Gelege. Das führte in der kleinen Gemeinde Omaui gar dazu, nach und nach alle Katzen loswerden zu wollen.

Auch die Folgen der Umweltverschmutzung und ein stark veränderter Lebensraum sind verheerend. Der Wald, der einst 80 Prozent des Landes bedeckte, ist laut dem Bericht bis 2012 auf ein Viertel der Gesamtfläche Neuseelands geschrumpft. Feuchtbiotope seien zu 90 Prozent ausgetrocknet. Von den rund 10.600 identifizierten Tierarten seien rund 3.750 vom Aussterben bedroht. Dabei ist nur ein Bruchteil der auf der Insel befindlichen Arten überhaupt bekannt.

Lake Matheson, Neuseeland
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Neuseelands Wälder, die einst 80 Prozent des Landes bedeckten, seien auf ein Viertel der Gesamtfläche der Nation geschrumpft

Für 86 Arten hat sich das Aussterberisiko in den vergangenen 15 Jahren drastisch erhöht. Besonders stark betroffen ist die Vogelwelt: Vom Aussterben bedroht sind rund 90 Prozent der Seevögel sowie 80 Prozent der Watvögel. Von dem nur in neuseeländischen Gewässern beheimateten Maui-Delfin, einer der kleinsten Vertreter der Delfinfamilie, gibt es inzwischen nur noch 63 Individuen. Vor rund fünfzig Jahren waren es noch zwischen 1.000 und 2.000.

„Jahrzehnte des Prokrastinierens und Leugnens“

Der Bericht würde die verheerenden Folgen von „Jahrzehnten des Prokrastinierens und Leugnens“ widerspiegeln, wird Kevin Hague von der Naturschutzgruppe Forest and Bird in der britischen Zeitung „Guardian“ zitiert. „Neuseeland verliert Arten und Ökosysteme schneller als fast jedes andere Land“, so Hague weiter.

Hector’s Delfine
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Der Maui-Delfin ist eine Unterart des Hector-Delfins – der einzigen endemischen Walart Neuseelands

Ein prekäres Bild geben auch die Zahlen über die Wasserqualität ab. Diese habe sich ob der wachsenden Milchindustrie und der Überdüngung von Anbauflächen in den vergangenen zwanzig Jahren drastisch verschlechtert. Knapp 60 Prozent der Brunnen enthielten E.-coli-Bakterien, 13 Prozent enthielten Nitrate. Auch das Wasser eines Großteils der überwachten Seen befindet sich in einem schlechten Zustand.

Ardern will Klima schützen

Laut James Shaw, der Neuseelands Minister für Klimawandel ist, würden die Folgen der Klimakrise sich bereits bemerkbar machen: und zwar durch einen erhöhten Meeresspiegel sowie durch höhere Luft- und Wassertemperaturen. Dem Bericht zufolge ist ein Großteil der umweltschädlichen CO2-Emissionen auf die Vieh- und Milchwirtschaft zurückzuführen. Für die Regierung der sozialdemokratischen Premierministerin Jacinda Ardern haben Klima- und Umweltagenden oberste Priorität.

Der Umweltminister David Parker sagte, der Bericht würde „keine großen Überraschungen“ mit sich bringen. Vielmehr mache er deutlich, wie wichtig das Säubern von Wasserstraßen sowie das Ziel bis 2050, „klimaneutral zu sein“, seien. „Wenn Neuseeland mit all seinen Vorteilen die Umweltprobleme nicht bewältigen kann, dann wird es die Welt auch nicht schaffen“, so Parker.

Der Umweltschützer Hague, der im „Guardian“ zitiert wird, kritisiert, dass die Realität noch viel schlimmer sei, als im Bericht dargestellt. So würden „gefährliche Hitzewellen“ im Meer sowie das Fehlen eines notwendigen Meeresschutzes nicht berücksichtigt. „Wir brauchen eine Wirtschaft, die unsere Umwelt schützt, nicht eine, die sie zerstört“, so Hague.