Ermittler am Tatort
Reuters/Athit Perawongmetha
Anschläge

Sri Lanka prüft Verbindungen ins Ausland

Die Regierung Sri Lankas vermutet ein international verzweigtes Netzwerk hinter den tödlichen Anschlägen vom Ostersonntag. Ohne Hilfe von außen hätte die bisher wenig bekannte Islamistengruppe National Thowheeth Jama’ath (NTJ) die Angriffe gar nicht durchführen können, hieß es unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Inzwischen ist die Zahl der Toten auf mindestens 310 gestiegen.

„Wir glauben nicht, dass diese Angriffe von einer Gruppe Leute nur aus Sri Lanka ausgeführt wurde“, sagte Kabinettssprecher Rajitha Senaratne am Montag. Präsident Maithripala Sirisena kündigte in einer Stellungnahme an, ausländische Hilfe bei der Untersuchung der vermuteten internationalen Kontakte der Attentäter anzufordern. Aus seinem Büro hieß es, dass die Berichte der eigenen Geheimdienste ebenfalls auf Hilfe aus dem Ausland hinweisen würden.

Verteidigungsminister Hemasiri Fernando gestand gegenüber der BBC ein, dass Warnungen vor den Anschlägen von den Behörden offenbar nicht richtig eingeschätzt wurden. Es habe auch keine Anzeichen dafür gegeben, dass die Angriffe derart groß werden würden. Man hätte mit isolierten ein bis zwei Vorkommnissen gerechnet. „Aber nichts wie das.“ Alle wichtigen Polizeieinheiten seien über die Warnung informiert gewesen, aber es sei nichts weiter unternommen worden.

Priester am Tatort
APA/AFP/Jewel Samad
Bei den Anschlägen kamen mindestens 310 Menschen ums Leben

Zwei Wochen vor den Anschlägen gab es eine schriftliche Warnung, inklusive einer Liste mit Namen von Verdächtigen, wurde am Montag bestätigt. Die genannten Verdächtigen hätten nach dem Anschlag auf zwei Moscheen im März im neuseeländischen Christchurch gegen andere Religionen gehetzt, hieß es. Premierminister Ranil Wickremesinghe sei jedoch nicht informiert worden. Laut Polizei wurden mittlerweile 26 Personen unter Tatverdacht festgenommen, bisher gibt es allerdings kein offizielles Bekenntnis zu den Anschlägen.

Nationaler Notstand ausgerufen

Sirisena berief auch ein dreiköpfiges Team ein, um die Serie von Selbstmordanschlägen zu untersuchen, bei denen mindestens 310 Menschen ums Leben gekommen sind, mehr als 500 Menschen wurden noch in Krankenhäusern behandeln. Dem Team gehören ein Richter des Obersten Gerichtshofs sowie ein ehemaliger Polizeichef und ein Ex-Regierungsbeamter an. Sie sollen in zwei Wochen einen ersten Bericht vorlegen.

Auch der nationale Notstand wurde ausgerufen. Der Sicherheitsrat der Regierung habe beschlossen, dem Militär und der Polizei weitreichende Befugnisse zu erteilen, hieß es aus dem Büro des Präsidenten. Mit den Regelungen erhalten Sicherheitsbehörden erweiterte Befugnisse, etwa für Durchsuchungen und zur Festnahme von Personen. Es habe inzwischen rund 35 Festnahmen gegeben. Mehr als 20 Häuser seien durchsucht worden, teilte die Polizei am Dienstag mit.

Soldaten sichern Straße in Sri Lanka
APA/AFP/Jewel Samad
Polizei und Militär sind in Alarmbereitschaft

Zudem wurde eine neue Ausgangssperre verhängt, diese soll von Montagnacht bis Dienstagfrüh gelten. Schon im Vorfeld der letzten Ausgangssperre hieß es aus dem österreichischen Außenministerium, dass der Flughafen von Colombo in Betrieb bleibt, Passagiere könnten diesen „unter Vorweisung des Flugtickets“ erreichen.

NTJ bisher kaum bekannt

Die von der Regierung verantwortlich gemachte Islamistengruppe NTJ ist bisher kaum öffentlich in Erscheinung getreten. Bisher wurde die Gruppe vor allem im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Beschädigung buddhistischer Statuen in dem Inselstaat genannt. NTJ-Anführer Abdul Razik wurde bereits vor den Anschlägen mehrmals inhaftiert. Er wurde der Anstachelung zu religiösen Unruhen beschuldigt. Nach einem Vorfall im Jahr 2016 hatte der Chef der radikalen Buddhistengruppe BSS vor einem „Blutbad“ gewarnt, sollte Razik nicht bald ins Gefängnis kommen.

Begräbnis nach Anschlägen in Sri Lanka
AP/Gemunu Amarasinghe
Manche Familien verloren gleich mehrere Mitglieder bei den Anschlägen

Die internationale Polizeiorganisation Interpol schickt nach den Anschlägen mit 310 Toten ein Expertenteam nach Sri Lanka. Es bestehe aus Spezialisten mit Expertise in den Bereichen Tatortuntersuchung, Sprengstoff, Terrorismusbekämpfung und Opferidentifizierung. Derzeit werde bereits die Datenbank gestohlener und verloren gegangener Reisedokumente überprüft, um mögliche Verbindungen und internationale Spuren zu ermitteln, hieß es von Interpol. Aus den USA sollen Spezialisten des FBI bei den Untersuchungen helfen.

Weitere Explosion in Colombo

Am Montag kam es unterdessen in der Hauptstadt Colombo zu einer weiteren Explosion, wie die BBC berichtete. Ein Kleintransporter soll explodiert sein, nachdem eine Bombenentschärfungseinheit versucht haben soll, einen Sprengsatz zu entschärfen. Auf Videos eines „Guardian“-Reporters ist zu sehen, wie Menschen in Panik nach der Explosion fliehen. Der Sprengsatz detonierte in der Nähe der St.-Antonius-Kirche, die eines der Anschlagsziele am Sonntag war.

Erneut Explosion auf Sri Lanka

Am Ostermontag ereignete sich in Colombo erneut eine Explosion. Ermittler hatten zuvor erfolglos versucht, die Bombe zu entschärfen.

Die Polizei entdeckte zuvor zahlreiche Zünder für Bomben. Insgesamt 87 Stück wurden bei der zentralen Busstation in Colombo gefunden, wie ein Sprecher der Polizei bestätigte. Die Einsatzkräfte suchen momentan im ganzen Land nach Hinweisen zu den Angriffen.

Insgesamt acht Sprengsätze gezündet

Insgesamt war es am Sonntag zu acht Explosionen gekommen, sechs davon innerhalb einer halben Stunde. Ziel waren drei Kirchen, in denen Ostergottesdienste stattfanden, in verschiedenen Teilen des Landes, außerdem drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo. Bei den Kirchen handelte es sich um die St.-Antonius-Kirche in Colombo, die St.-Sebastians-Kirche im rund 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Negombo sowie die Zionskirche in Batticaloa, rund 250 Kilometer östlich von Colombo. Außerdem gab es Explosionen in den Fünfsternhotels Shangri-La, Cinnamon Grand und Kingsbury in Colombo.

Die siebente Explosion ereignete sich in einem kleinen Hotel in einem Vorort der Hauptstadt, eine achte am Nachmittag in einer Wohngegend in Dematagoda, einem anderen Vorort Colombos. Es gab jeweils mehrere Tote. Sri Lankas Minister für Wirtschaftsreformen, Harsha de Silva, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, in einer Kirche habe es „schreckliche Szenen“ gegeben. Diese sei mit Körperteilen übersät gewesen. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Einsatzkräfte Verletzte aus einer verwüsteten Kirche trugen.

St. Sebastian Kirche nach dem Anschlag
APA/AP/Chamila Karunarathne
Die verwüstete St.-Sebastians-Kirche in Negombo nach einem Anschlag

Unter den 310 Toten befinden sich mindestens 35, unter den nach unterschiedlichen Angaben mehr als 500 Verletzten zumindest 19 ausländische Staatsbürger. Sie stammen laut Angaben vom Sonntag aus zumindest neun Ländern: Indien, den USA, Großbritannien, Portugal, Dänemark, China, den Niederlanden, Belgien und der Türkei. Opfer aus Österreich sind bisher keine bekannt. Laut Außenministerium besteht weiterhin ein „hohes Sicherheitsrisiko von weiteren Anschlägen“.

Sri Lankas lange Geschichte blutiger Gewalt

Der südasiatische Inselstaat ist ein beliebtes Touristenziel, auch für Gäste aus Europa. Nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung sind Christen. Die Mehrheit sind Buddhisten, 12,6 Prozent sind Hindus. Der Islam stellt mit einem Anteil von 9,7 Prozent (Stand: 2012) eine weitere religiöse Minderheit in dem Land dar.

Sri Lanka hat eine lange Geschichte blutiger Gewalt gegen und zwischen Religionsgemeinschaften und ethnische Gruppen. Der Bürgerkrieg ging 2009 nach 26 Jahren zu Ende. Die Rebellengruppe Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) hatte für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden des Landes gekämpft. Die Armee besiegte die Aufständischen schließlich. Die UNO wirft beiden Seiten Kriegsverbrechen vor.