Sicherheitskräfte neben einem Anschlagsort in Colombo (Sri Lanka)
APA/AFP/Jewel Samad
Sri Lanka

Warnung vor flüchtigen Verdächtigen

Nach den Anschlägen vom Ostersonntag in Sri Lanka sind nach Angaben von Premierminister Ranil Wickremesinghe noch einige Verdächtige auf der Flucht. Manche von ihnen seien im Besitz von Sprengstoff, sagte er bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Der Premier bestätigte zudem, dass es vor der Anschlagsserie Warnungen gegeben hätte, die allerdings nicht ernst genug genommen worden seien.

Angesprochen auf eine Bekennernachricht der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), sagte er, der Sicherheitsapparat des Staates habe bereits zuvor den Verdacht gehegt, dass die Attentäter Verbindungen zum IS gehabt haben könnten. Einige von ihnen seien im Ausland gewesen. Wickremesinghe bestätigte zudem einen Bericht, wonach es einen weiteren Anschlagsversuch auf ein Hotel gegeben hatte, der fehlschlug.

Sieben sri-lankische Selbstmordattentäter hatten sich am Ostersonntag nahezu zeitgleich in drei Kirchen in mehreren Städten und drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo in die Luft gesprengt. Einige Stunden später gab es zwei weitere Explosionen in einem kleinen Hotel und einer Wohngegend in Vororten Colombos.

Der sri-lankische Premierminister Ranil Wickremesinghe
APA/AFP/Mohd Rasfan
Premier Wickremesinghe warnte vor weiteren Anschlägen

Die Echtheit der am Dienstag aufgetauchten Bekennernachricht ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen, Beweise für die Verbindung legte die Terrororganisation nicht vor. Der IS gilt in seinem Stammgebiet in Syrien und dem Irak als besiegt. Experten warnen aber weiterhin vor der Gefahr von Anschlägen durch die Extremisten.

Brüder als Selbstmordattentäter in Hotels

Zwei der Selbstmordanschläge auf Hotels in Colombo wurden von einem muslimischen Brüderpaar aus Sri Lanka verübt. Die Söhne eines wohlhabenden Gewürzhändlers hätten sich als Gäste ausgegeben und sich in den Hotels Shangri-La und Cinnamon Grand in die Luft gesprengt, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag aus Polizeikreisen. Ein Ermittler sagte, die Brüder seien beide Ende zwanzig gewesen und hätten innerhalb ihrer Familie eine „Terrorzelle“ gebildet. Sie seien führende Mitglieder der Islamistengruppe National Thowheeth Jama’ath (NTJ), die von der Regierung für die Anschläge verantwortlich gemacht wird.

Sicherheitskräfte in Colombo
Reuters/Dinuka Liyanawatte
Trauer und Betroffenheit in Sri Lanka sind groß

Laut Regierung Vergeltung für Christchurch

„Die vorläufigen Untersuchungen haben enthüllt, dass das, was in Sri Lanka passiert ist, eine Vergeltung für den Angriff auf Muslime in Christchurch war“, sagte Vizeverteidigungsminister Ruwan Wijewardene am Dienstag im Parlament. Nähere Angaben über die Verbindung zum Anschlag eines australischen Rechtsextremen im März mit 50 Toten machte der Minister nicht.

Neuseeland sind bisher keine Verbindungen zwischen den Anschlägen in Sri Lanka und dem Angriff auf zwei Moscheen in Christchurch bekannt. Die Regierung habe noch keine entsprechenden Geheimdienstberichte gesehen, sagte ein Sprecher der neuseeländischen Regierungschefin Jacinda Ardern am Dienstag.

Staatspräsident über Warnungen nicht informiert

Unterdessen gab Staatspräsident Maithripala Sirisena bekannt, die Führung der Streitkräfte austauschen zu wollen. Auch erklärte er, im Vorfeld vom Geheimdienst über Anschlagswarnungen nicht informiert worden zu sein.

Am Mittwoch informierte die Polizei, dass die Zahl der Todesopfer auf 359 gestiegen ist. Weitere Menschen erlagen ihren Verletzungen. Zuletzt waren 320 Tote gemeldet worden. Mehr als 500 Verletzte wurden nach den Explosionen den Angaben zufolge noch in Krankenhäusern behandelt. Laut UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) kamen bei den Anschlägen 45 Kinder ums Leben. Das jüngste der 13 in Batticaloa gestorbenen Kinder sei erst 18 Monate alt gewesen, teilte UNICEF-Sprecher Christophe Boulierac am Dienstag in Genf mit. In Negombo seien 27 Kinder getötet worden. Außerdem sei der Tod von fünf ausländischen Kindern bestätigt worden, hieß es.

Drei Kirchen und drei Luxushotels angegriffen

42 Menschen sind nach Angaben der Polizei bisher in Gewahrsam. Staatspräsident Sirisena erklärte einen öffentlichen Notstand. Die zunächst nicht näher benannten Bestimmungen traten in der Nacht auf Dienstag in Kraft, der zu einem nationalen Trauertag erklärt wurde. In der Früh wurden drei Schweigeminuten abgehalten. Zahlreiche Bestattungen waren geplant. Im Ort Negombo, wo am Ostersonntag eine Kirche angegriffen worden war, gab es eine Massenbeerdigung.

Begräbnis in Negombo
Reuters/Athit Perawongmetha
Zwei Tage nach den Anschlägen wurden in Negombo Opfer beerdigt

In der Nacht auf Dienstag hatte erneut eine Ausgangssperre gegolten. Um das Verbreiten von Gerüchten zu unterbinden, blieb der Zugang zu Sozialen Netzwerken gesperrt. Sirisena habe den Notstand im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der Wahrung der öffentlichen Ordnung und zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen erklärt, hieß es in einer Erklärung des Präsidenten.

Befugnisse der Sicherheitskräfte ausgeweitet

Die Sicherheitskräfte sollen seinem Büro zufolge weitreichende Befugnisse erhalten. Nach dem Gesetz können diese etwa für Hausdurchsuchungen ohne Erlaubnis eines Gerichts und für Verhaftungen ohne Haftbefehl gelten. Solche Bestimmungen waren während des Bürgerkriegs in Sri Lanka von 1983 bis 2009 fast dauerhaft in Kraft – und auch darüber hinaus noch bis 2011.

Terror in Sri Lanka: Vergeltung als Motiv

Die Anschläge auf christliche Kirchen und Hotels sollen von Islamisten aus Vergeltung für das Attentat auf Muslime in Christchurch in Neuseeland verübt worden sein.

Hilfe aus dem Ausland?

Die Regierung ist überzeugt, dass die Täter Hilfe aus dem Ausland gehabt haben müssen. „Wir glauben nicht, dass diese Angriffe von einer Gruppe von Menschen verübt wurden, die auf dieses Land begrenzt waren“, sagte Kabinettssprecher Rajitha Senaratne. „Es gab ein internationales Netzwerk, ohne das diese Angriffe nicht gelungen wären.“

Nach den Worten von Senaratne gab es vor den Attacken Hinweise auf Anschlagspläne der NTJ. Ausländische Geheimdienste hätten bereits am 4. April über mögliche Selbstmordanschläge auf Kirchen und Touristenziele in Sri Lanka informiert. „Wir tragen die Verantwortung, es tut uns sehr leid“, sagte Senaratne im Namen der Regierung.

Interpol hilft bei Untersuchungen

Sirisena berief ein dreiköpfiges Team ein, das die Anschlagsserie untersuchen und in zwei Wochen einen ersten Bericht vorlegen soll. Die internationale Polizeiorganisation Interpol kündigte an, Spezialisten mit Expertise in den Bereichen Tatortuntersuchung, Sprengstoff, Terrorismusbekämpfung und Opferidentifizierung zu entsenden.

Nach der Anschlagsserie in Sri Lanka warnte China seine Staatsbürger vor Reisen auf die Insel. Angesichts der „riesigen Sicherheitsrisiken“ dort wäre es schwer, ihnen effektive Hilfe anzubieten, schrieb die chinesische Botschaft in Colombo am Dienstag auf ihrer Website.

Anschläge während Ostergottesdiensten

Die meisten Opfer hatte es bei den Anschlägen in den Kirchen gegeben, als gerade Ostergottesdienste stattfanden. In dem Inselstaat sind etwa sieben Prozent der 20 Millionen Einwohner Christen. Der UNO-Sicherheitsrat verurteilte die Anschlagsserie auf das Schärfste. Zugleich sprach er den Familien der Opfer der „abscheulichen und feigen“ Anschläge tief empfundenes Mitgefühl aus, wie es in einer Mitteilung des UNO-Gremiums vom Montag (Ortszeit) hieß.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Japans Regierungschef Shinzo Abe verurteilten die Anschlagsserie als „Barbarei“. Beide Politiker betonten am Dienstag bei einem Treffen in Paris die Notwendigkeit einer „internationalen Mobilisierung gegen den Terrorismus“. Japan will das Thema in diesem Jahr in den Mittelpunkt seines Vorsitzes der G-20-Staaten stellen, Frankreich bei seiner G-7-Präsidentschaft. Abe sprach von „unverzeihlichen und inakzeptablen“ Anschlägen in Sri Lanka. Japan und Frankreich stünden gemeinsam gegen den Terrorismus ein, betonte er.