Holzverarbeitungsfabrik in Sibirien
Reuters/Ilya Naymushin
Schlägerungen in Sibirien

Chinas Holzhunger löst Streit mit Moskau aus

Der enorme Rohstoffhunger Chinas hat einen neuen Streit ausgelöst. In diesem Fall geht es um Holz aus den riesigen Wäldern Russlands. Die Abholzungen vom Altaigebirge bis zur Pazifikküste hinterlassen wegen fehlender Aufforstung eine Spur der Verwüstung – und dazu geharnischte Kritik aus Russland. Denn für viele Russen und Russinen sei der Schuldige an der Umweltsünde klar China, wie die „New York Times“ schreibt.

Seit rund zwei Jahrzehnten ist im ressourcenarmen China die kommerzielle Abholzung in Wäldern nur unter strengen Auflagen und Beschränkungen möglich. Deshalb versucht China seinen stetig wachsenden Holzverbrauch im Baubereich, aber auch in der Möbelindustrie durch Schlägerungen beim Nachbarn Russland abzudecken. Bisher ging das mehr oder weniger reibungslos.

Russland sei ein williger Geschäftspartner, der chinesischen Unternehmen günstig, zu günstig, wie Kritiker nun monieren, die Abholzungsrechte zugestand, wie die „NYT“ schreibt. Laut Kritikern wurde teilweise ein Auge zugedrückt, die gesetzlichen Bestimmungen lax ausgelegt, wie die Zeitung weiter schreibt.

Holzverarbeitungsfabrik in Sibirien
Reuters/Ilya Naymushin
Die Baumstämme werden für den Transport von Russland nach China vorbereitet

Aufschrei in Politik und Bevölkerung

Und China verlagert dadurch einfach seine Umweltsünden in ein anderes Land, schützt die eigenen Wälder und erwirtschaftet hohe Profite mit der Verarbeitung des Holzes, heißt es weiter. Die früheren Abholzungen in den chinesischen Bergen hatten zu Erosionen, verschmutzten Flüsse und erheblichen Überflutungen geführt. Seit 1998 waren Abholzungen regional verboten. Ende 2016 folgte dann das chinaweite Verbot: Nur noch wiederaufgeforstete Wälder dürfen abgeholzt werden.

Arbeiter in einer Chinesischen Möbelfabrik
Reuters/Bobby Yip
Die Möbelindustrie in China wächst und wächst – auch dank der weltweiten Exporte

In Russland regt sich nun gegen den Holzhunger Chinas von Umweltschutzorganisationen bis hin zu einem Aufschrei in der Politik Widerstand gegen den „Ausverkauf“. Der Streit zeigt auch die bisherige „Überheblichkeit der Großmacht Russland in Sachen Ressourcen“ auf, so die „NYT“: Man setzte auf die Ausbeute des Rohstoffreichtums und vernachlässigte den Umweltschutz schmählich.

Auswirkungen auf Wasserversorgung und Tierwelt

Die Kritik sorgte auch für eine Belastung in dem sonst recht amikalen Verhältnis zwischen dem chinesischen Staatschef Xi Jinping und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. In einigen Städten gab es bereits Proteste gegen den „Ausverkauf der Wälder“ an China. Russische Abgeordnete kritisierten hohe Beamte in Sibirien und anderen Abholzungsgebieten wegen des Ignorierens der entstandenen großen Umweltschäden.

Sibirischer Wald
Getty Images/Dongyu Guan
Die Wälder in Sibirien sind – noch – riesig

Bewohner und Bewohnerinnen der betroffenen Gebiete sowie Umweltschützer und -aktivistinnen kritisieren indes, dass das mehr oder weniger unkontrollierte Holzfällen auch die Wasserversorgung bzw. die Quellen wichtiger Flüsse stört. Auch zahlreichen Tieren, darunter der auch symbolisch wichtige sibirische Tiger und der Amurleopard, wird der Lebensraum genommen.

Konkurrenzlos billig

„Jetzt werden die letzten ursprünglichen, intakten Waldlandschaften in Russland zerstört“, so der für Forstwirtschaft zuständige Direktor des russischen Ablegers des World Wild Life Funds (WWF), Nikolay M. Schmatkow. Die Organisation beobachtet die Umweltzerstörung seit Beginn der Schlägerungen für China.

Einst lieferte Russland so gut wie kein Holz nach China. Mittlerweile macht das russische Holz laut der „NYT“ rund 20 Prozent des Wertes der gesamten chinesischen Importe aus. Laut dem WWF Russland ist das Holz aus Russland auch konkurrenzlos billig. Die Preise variieren zwar je nach Region und Holzart, durchschnittlich kostet laut „NYT“-Informationen die Konzession pro Hektar Waldfläche jedoch zwei Dollar (rund 1,8 Euro) im Jahr – laut dem WWF weit unter dem Preis in so gut wie jedem anderen Land.

Sibirien: „Kaum anderer Weg, um Geld zu machen“

Als einen Zusatzfaktor, der die Umweltsünden noch verschlimmert, sieht Artyom Lukin, Professor an der Universität Wladiwostok, die grassierende Korruption, die Kriminalität und die fehlende wirtschaftliche Entwicklung in Sibirien an. „In vielen der ländlichen Gebiete gibt es kaum einen anderen Weg, um Geld zu machen, als die natürlichen Ressourcen des Landes ausbeuten, wie etwa Bodenschätze und eben den Wald“, so Lukin.

So wird teils auch ohne Konzession in den schier endlos erscheinenden Wäldern abgeholzt. Oder ein Gesetz ausgenutzt: Nach einem Waldbrand darf ebenfalls ohne Konzession geschlägert werden. Auch Präsident Putin kritisiert die Holzindustrie schwer. Er nannte die Branche auf eine entsprechende Frage bei seiner jährlichen Pressekonferenz im Dezember einen „sehr korrupten Sektor“.

In zwanzig Jahren verzehnfacht

China gilt als der größte Holzimporteur weltweit. Der Holzhunger des Landes wird auch in Zukunft nicht geringer werden, glaubt man den Prognosen der holzverarbeitenden Industrie. Denn die chinesische Möbelindustrie etwa expandiert auch stark ins Ausland und kann bereits als globale Größe gelten.

Die Importe der chinesischen Holzindustrie haben sich seit dem Schlägerungsverbot vor rund zwanzig Jahren verzehnfacht. 2017 wurde für 23 Milliarden Dollar Holz in China eingeführt, davon rund 200 Millionen Kubikmeter Holz aus Russland.

Länder weltweit betroffen

Die Wertschöpfung nach der Verarbeitung ist allerdings viel höher anzusetzen. Durch die Exporte der holzverarbeitenden Industrie wandern auch Devisen nach China. Rund 500 chinesische Unternehmen, oftmals mit russischen Partnerfirmen, sind laut Vita Spivak vom Moskauer Carnegie Center in Russland forstwirtschaftlich aktiv.

Doch die chinesischen Holzunternehmen sind auch in anderen Ländern aktiv: von Peru bis Papua-Neuguinea, von Mosambik bis Myanmar, wie die „NYT“ schreibt. Laut Schätzungen der Umwelt-NGO Global Witness könnten etwa die Regenwälder auf den Salomon-Inseln durch die Abholzung 2036 Geschichte sein. In Indonesien warnen Umweltschützer und -schützerinnen, dass durch illegales Abholzen, das mit chinesischen Unternehmen in Verbindung gebracht wird, die letzten Rückzugsorte der Orang-Utans auf Borneo in Gefahr sind.