Eine Frau steht in einem Feld
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Klimawandel im Garten

Ein Problem kommt nach Hause

Mit dem fortschreitenden Klimawandel kehrt ein Problem immer mehr dorthin zurück, wo es herkommt: zu den Menschen – und in deren Wohnungen, Häuser und Gärten. Menschen mit Balkon oder Garten können Symptome der Veränderungen in der Natur besonders deutlich sehen. Auch im Kleinen gibt es Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun. Immer mehr beginnen, sich mit dem Klimawandel im eigenen Garten auseinanderzusetzen.

Wie sehr, zeigte exemplarisch eine Veranstaltung dieser Tage in einem Weinviertler Ort, gut 20 Kilometer nördlich von Wien. Zu einem Vortrag von „Natur im Garten“, einer Initiative und Gesellschaft des Landes Niederösterreich, die sich auf lokaler Ebene für das Gärtnern ohne Kunstdünger, Spritzmittel und Torf einsetzt, waren Dutzende Menschen gekommen.

Sie alle wollten wissen, wie sie mit dem Klimawandel im eigenen Garten umgehen sollen. Und was sie gegen den steigenden Wasserverbrauch bei gleichzeitig weniger Niederschlag und die den Pflanzen immer stärker zusetzende Hitze machen können. Denn längst sind nicht nur bäuerliche Betriebe von den Folgen von Extremwetterphasen betroffen.

Dass „sensible Gärtner das (den Klimawandel, Anm.) spüren“ und von einem „Bewusstseinswandel in den Gärten“ spricht einer der Zuhörer. Und Martina Liehl-Rainer, die Regionalverantwortliche für „Natur im Garten“ im Weinviertel, bestätigt das gleich zu Beginn: Bei neun von zehn Vorträgen, zu denen sie heuer eingeladen wurde, hätten sich die Veranstalter das Thema Klimawandel im Garten gewünscht. Es sei „ungeschlagen das Favoritenthema“.

Trockene Erde
ORF.at/Guido Tiefenthaler
Gräser und Stauden kommen mit Hitze und Trockenheit viel besser zurecht als Rasen

Viele Möglichkeiten im Garten

Heuer sei es zwei Grad wärmer als im langjährigen Durchschnitt um diese Jahreszeit, so Liehl-Rainer. Und die Hitzetage (mehr als 30 Grad) würden sich einem pessimistischen Szenario zufolge bis 2071 im Vergleich zu heute auf 41 Tage verdoppeln. Auch die Tropennächte (mehr als 20 Grad) würden demnach deutlich zunehmen. Dazu sei mit mehr Trockenheit, Starkregen und Stürmen zu rechnen.

Aber was können Gärtnerinnen und Gärtner selbst tun, um die Folgen des Klimawandels für ihren Garten abzumildern und einen Beitrag für Klimaschutz zu leisten? Vier Kategorien von Maßnahmen nennt Liehl-Rainer: mehr Pflanzen pflanzen (insbesondere Bäume), alles tun, um Regenwasser im natürlichen Kreislauf zu behalten, Humus aufbauen und auf Torf verzichten.

Eindeutige Zahlen

2018 war der viertwärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen. Von den fünf heißesten Jahren seit Beginn der Messungen war nur eines nicht aus diesem Jahrzehnt.

„Die einzig effektiven Klimaanlagen“

Laubbäume seien „die einzig effektiven" Klimaanlagen“: Während der Hausschatten für ein bis zwei Grad Abkühlung sorgt, verschaffen Laubbäume fünf bis sechs Grad. Sonnensegel oder -schirme kühlen gar nicht ab, sie schützen lediglich vor der UV-Strahlung. Die große Wirkung bei Laubbäumen ergibt sich durch die Verdunstungskälte. Das Plädoyer der Expertin ist daher ganz klar: Laubbäume pflanzen. Diese würden oft als „lästig angesehen“, wegen des Laubs und weil die Blüten – etwa von Linden – Dreck verursachen. Aber Bäume machen sich bezahlt, so das Credo. An Klimawirkung habe eine 80-jährige Buche etwa einen Wert von 65.000 Euro.

Zudem sollten alte Bäume möglichst erhalten werden – sie haben einen viel höheren Wirkungsgrad bei der Kühlung, da sie eine ausgewachsene Krone haben. Um den Effekt der 80-jährigen Buche zu ersetzen, müsse man 2.000 junge Buchen pflanzen.

Trockene Erde
ORF.at/Guido Tiefenthaler
Katzenminze (Bildmitte) braucht wenig Wasser. Frisch gepflanztes oder angesamtes Gemüse kommt ohne Bewässerung nicht aus.

Grüne Fassaden und Dächer

Das Klima im Einfamilienhaus selbst kann – neben Beschattung durch Bäume – vor allem durch die Begrünung des Daches und der Fassade spürbar verbessert werden. Damit kann ein Dämmeffekt – sommers wie winters – von bis zu zwei Grad erreicht werden. Ein Flachdach „ersetzt“ zudem quasi die verbaute Fläche, hilft dabei, weniger Fläche zu versiegeln und Wasser im Kreislauf zu halten.

Regenwasser sollte systematisch gesammelt werden, etwa in Zisternen oder Regentonnen. Und tägliches Gießen – ob Rasen oder Blumen – sollte vermieden werden. Denn sonst würden Gras und andere Pflanzen nur kurze Wurzeln entwickeln und Hitze weniger gut aushalten. Wenn gießen, dann selten und morgens, so der Tipp der Expertin. Sie empfiehlt aber, Rasen möglichst durch eine Blumenwiese, die dann nur einmal im Jahr gemäht wird, oder Kräuterrasen zu ersetzen. Und bei der Auswahl der Pflanzen auf deren Hitzeresistenz zu achten. So gebe es Gräser, Thymian und viele Staudengewächse (etwa Lavendel, Schafgarben, Salbei, hohe Fetthenne), die keine oder kaum Bewässerung brauchten – und dazu noch Insekten wie Schmetterlinge, Bienen und Hummeln anziehen.

Eigener kleiner Kreislauf

Kompostieren und Mulchen sind zwei Wege, um im eigenen kleinen Bereich eine Kreislaufwirtschaft mit Küchenabfällen, Baum- und Rasenschnitt zu starten. Mulchen (das Abdecken der Erde in Beeten etwa mit Rasenschnitt, Anm.) verhindert gerade bei lehmigem Boden, dass dieser so hart wird, dass er nur noch schwer zu bearbeiten ist. Der beim Kompostieren entstehende Humus wiederum speichert das klimaschädliche CO2.

Trockene Erde
ORF.at/Guido Tiefenthaler
Insbesondere in Ostösterreich sind die Böden derzeit extrem trocken – und das nicht nur an der Oberfläche

Die Verwendung von Torferde sollte aus demselben Grund wiederum vermieden werden: Riesige Torfgebiete, z. B. in Russland, werden für die Sackerde abgebaut. Bis eine Torfschicht von einem Meter Höhe aufgebaut ist, vergehen aber 1.000 Jahre. Und durch den Torfabbau werde das darin gespeicherte CO2 wieder freigesetzt.

Für alle Gärtnerinnen und Gärtner gilt wohl: In den nächsten Jahren wird sich einiges im eigenen, oft liebevoll gepflegten Stück Natur ändern müssen. Sattgrüner Rasen und gewisse Pflanzen werden in einigen Regionen nicht mehr oder nur unter enormem Aufwand wachsen. Wasser aus der Leitung könnte in Hitzephasen zu knapp werden, um damit noch spritzen zu dürfen. Aber immer mehr denken offenbar um. Ein Indiz dafür ist auch die einschlägige Gartenliteratur. So hat der britische Wildbienenexperte Dave Goulson offenbar einen Nerv getroffen: In seinem nun auf Deutsch übersetzten Buch „Wildlife Gardening. Die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu retten“ macht er ausgerechnet seinen Landsleuten Lust darauf, den Rasen doch in die Freiheit zu entlassen.