Meike und Lars Schlecker
Reuters/Michaela Rehle
Milliardenpleite

Schlecker-Kinder müssen ins Gefängnis

Ein schweres Wirtschaftskapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte ist am Donnerstag geschlossen worden: Die beiden Kinder des ehemaligen Drogeriemarktunternehmers Anton Schlecker müssen ins Gefängnis. Der deutsche Bundesgerichtshof lehnte ihre Revision ab. Firmenpatriarch Schlecker war mit Bewährung davongekommen.

Für Meike und Lars Schlecker endet die Pleite der Drogeriemarktkette hinter Gittern: Die beiden Kinder des Firmengründers Anton Schlecker waren Ende 2017 unter anderem wegen Untreue, vorsätzlichen Bankrotts und vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verurteilt worden. Sie hatten gegen ihre Verurteilung Revision eingelegt, doch diese wurde als überwiegend unbegründet abgelehnt, wie der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Donnerstag mitteilte.

Beide müssen nach dem nun rechtskräftigen Urteil für zwei Jahre und sieben Monate ins Gefängnis. Das deutsche Gericht reduzierte mit dem Beschluss lediglich das vom Landgericht Stuttgart verhängte Strafmaß gegen Lars Schlecker um zwei Monate und gegen Meike Schlecker um einen Monat.

Auch Ehefrau von Haft verschont

Anton Schlecker hatte seine Verurteilung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung ohne Rechtsmittel akzeptiert. Damit entging er einer Gefängnishaft. Zusätzlich wurde er zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 150 Euro verurteilt, insgesamt 54.000 Euro. Auch Schleckers Frau Christa saß ursprünglich wegen Beihilfe zum Bankrott auf der Anklagebank. Sie hatte sich aber vor dem Stuttgarter Landgericht bereiterklärt, 60.000 Euro an gemeinnützige Organisationen zu zahlen. Daraufhin wurde ihr Verfahren eingestellt.

Straßenkehrer vor geschlossener Schlecker-Filiale
APA/dpa/Martin Gerten
Schlecker rutschte 2012 in die Pleite – Tausende Menschen verloren ihre Jobs

Die spektakuläre Pleite des lange den deutschen Drogeriemarkt dominierenden Unternehmens hatte Tausende Verkäuferinnen ihre Jobs gekostet. Im Prozess war es hauptsächlich darum gegangen, wann Schlecker die drohende Zahlungsunfähigkeit erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Wer von diesem Zeitpunkt an noch Geld verschiebt oder auch unter bestimmten Bedingungen Verlustgeschäfte abschließt, macht sich des Bankrotts strafbar.

Geldflüsse kurz vor der Pleite

Für die Stuttgarter Justiz war es erwiesen, dass der heute 74-jährige Schlecker im Angesicht der Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens auf verschiedenen Wegen noch Geld in Millionenhöhe auf die Seite schaffte. Es drehte sich dabei um überhöhte Stundensätze, die Schlecker in Absprache mit seinen Kindern an deren Logistikfirma LDG gezahlt hatte, sowie um Geldgeschenke und um die Übernahme von Rechnungen für die Familie.

Schleckers Kinder wurden verurteilt, nachdem sie sich unter anderem Anfang 2012 – kurz vor der Insolvenz des Konzerns – als Gesellschafter der LDG noch Gewinne von sieben Millionen Euro ausgezahlt hatten. Dabei hatte die Firma längst Verluste gemacht.

Das „System Schlecker“

Im Prozess wurden Aufstieg und Niedergang des einst milliardenschweren Konzerns genau durchleuchtet, Gutachter und viele Zeugen wurden angehört. Es ging um die Anfänge, als Schlecker 1975 in Baden-Württemberg ein erstes Geschäft eröffnete und von dort aus in ganz Europa expandierte. Allein in Deutschland entstanden rund 8.000 Filialen mit 25.000 vorwiegend weiblichen Arbeitskräften.

Während der Verhandlungen schilderten ehemalige Führungskräfte, wie Anton Schlecker quasi allein über sein Imperium herrschte und keinen Widerspruch duldete. Selbst Direktoren hätten sich bis zum Ende davor gescheut, dem Chef schlechte Nachrichten zu überbringen. Überarbeitete, unterbezahlte und durch Kameras ausspionierte Mitarbeiterinnen in den Shops hätten zum „System Schlecker“ gehört. Am Ende standen rund 25.000 Menschen ohne Job da, mehr als 3.000 davon in Österreich.

Verfahren auch in Österreich

Schlecker hatte stets betont, dass eine Pleite für ihn immer undenkbar gewesen sei und dass er immer an das Überleben des Konzerns geglaubt habe. Auch seien nicht nur Gehalt, sondern zuletzt auch Weihnachtsgeld an die „Schlecker-Frauen“ überwiesen worden. Kurz vor der Insolvenz hatte Schlecker seinen vier Enkeln aber auch sechsstellige Summen überwiesen und war mit seinen Kindern in die Karibik gereist. Im Jänner 2012 meldete die Firma schließlich Insolvenz an.

Auch in Österreich hatte die Pleite ein gerichtliches Nachspiel. Christa, Meike und Lars Schlecker hatten sich 2018 vor dem Landgericht Linz mit der ebenfalls insolventen österreichischen Schlecker-Nachfolgerkette dayli geeinigt. Über den Betrag wurde Stillschweigen vereinbart. Dayli-Insolvenzverwalter Rudolf Mitterlehner hatte zum Prozessauftakt Ende 2017 20 Millionen Euro Schadenersatz von Schleckers Frau und den beiden Kindern gefordert.

Aber auch mit dem abschließenden Hafturteil für Schleckers Kinder in Deutschland ist die Causa noch nicht zu Ende. Der Insolvenzverwalter versucht immer noch, in mühsamen Prozessen – etwa gegen Kartelle bei Lieferanten – Geld einzutreiben. Die Schleckers zahlten zwar insgesamt gut 14 Millionen Euro zurück, doch hatten etwa gut 22.000 Gläubiger Forderungen angemeldet. Das Volumen dieser Forderungen lag bei insgesamt mehr als einer Milliarde Euro.