Motorradfahrer vor dem Kolosseum in Rom fährt auf ein Schlagloch zu
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Guerillasanierung

Freiwillige stopfen Roms Schlaglöcher

Der chronisch katastrophale Zustand der Straßen Roms gilt seit Jahren als so etwas wie ein wenig ruhmreiches Wahrzeichen der Stadt. Das dafür vorgesehene Budget reicht nicht aus, um die teils gefährlichen Schlaglöcher auch nur ansatzweise zu stopfen – in vielen Bezirken war heuer das Geld schon Mitte April ausgegeben. Seit vier Jahren greifen römische Bürger zu Schaufel und Asphalt und reparieren die Straßen einfach selbst.

Italiens Hauptstadt leidet seit Jahren unter Misswirtschaft, Müllkrisen und Verkehrschaos. Immer wieder werden zentrale U-Bahn-Stationen – darunter die an Touristenattraktionen wie dem Trevi-Brunnen und der Spanischen Treppe – geschlossen, weil Rolltreppen kaputt waren. Die 40-jährige Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung steht in der Kritik, das Dauerchaos nicht in den Griff zu bekommen.

Der Frühling ist traditionell die Hauptsaison für Schlaglöcher. Im letzten Jahr wurden um diese Zeit von offizieller Seite rund 100.000 Schlaglöcher gezählt. Mehrere tödliche Unfälle wurden schon auf den verheerenden Zustand von Fahrbahnen zurückgeführt.

Seit vier Jahren im Einsatz

Tappami-Gründer Christiano Davoli erzählt im Gespräch mit ORF-Korrespondentin Katharina Wagner, warum Römerinnen und Römer seit vier Jahren selbst zur Schaufel greifen und die Straßen ausbessern.

Freiwilliger Einsatz mit Kaltasphalt

Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt, die das tägliche Geholpere mit ihren Vespas, Autos und Fahrrädern satt haben, haben begonnen, sich selbst zu organisieren, und rücken auf eigene Kosten mit Kaltasphalt und Schaufeln aus. Eine engagierte Freiwilligengruppe, die sich „Tappami“ (Dt.: „Stopf mich“) nennt, geht jedes Wochenende ans Werk, um Schlaglöcher auszubessern.

TV-Hinweis

ORF-Rom-Korrespondentin Katharina Wagner berichtet in der ZIB Nacht um 22.45 Uhr in ORF1 über die Initiative „Tappami“.

Via Website kann man Straßenschäden melden, spenden und sich zur aktiven Teilnahme bewerben. Dass sie für die Kosten selbst aufkommen bzw. sie mit der Hilfe anderer Mitbürgerinnen und Mitbürger finanzieren, ist für Tappami kein Problem: „Rom hat einfach nicht genug Geld, um die Schlaglöcher zu füllen“, erklärte Christiano Davoli im ORF-Interview. Man habe sogar der Stadtgemeinde Rom vorgeschlagen, ein Freiwilligensystem aufzubauen – bisher sei es aber noch nicht einmal zu einem Treffen mit den Verantwortlichen gekommen.

Mit Kaltasphalt gegen das Geholpere

In nur wenigen Minuten füllen die Tappami-Aktivisten Schlaglöcher mit Kaltasphalt.

Einsatz bei Nacht und Nebel

Auch die Gruppe „GAP – Gruppi Artigiani Pronto Intervento“ kümmert sich um Ausbesserungsarbeiten. Sie rücken in den frühen Morgenstunden und in der Nacht aus und engagieren sich nicht nur für die Straßen, wie der „Guardian“ berichtete. Im Dezember habe man einen Brunnen aus den 1940er Jahren renoviert, im Jänner ein „Vorsicht Fußgänger“-Warnsymbol auf den Boden einer gefährlichen Kreuzung gemalt.

Neben ihrem Logo hinterlassen die GAP-Aktivisten auch Broschüren mit dem Hinweis, dass es sich um eine geheime Organisation handelt, die, statt zu sabotieren, repariert. „Finde dein Ziel, organisiere und repariere“, lautet der Aufruf. So wie auch Tappami hoffen die GAP-Mitglieder, dass sich zahlreiche Nachahmer finden. Ungeachtet des guten Willens: Die Aktionen von GAP sind illegal.

„Es stimmt, wir haben das Gesetz gebrochen“, bestätigte eines der GAP-Mitglieder gegenüber dem „Guardian“. „Aber was den Brunnen angeht, hat sich zwei Jahre niemand um eine Reparatur gekümmert. Deshalb haben wir beschlossen: Lasst es uns selber machen, und schauen wir, was passiert.“ Als Kritik an der Regierung sieht man die Aktion nicht, die Schuld liege nicht nur bei der aktuellen Stadtregierung, seit vielen Jahren habe sich das Problem aufgebaut und verstärkt.

Auch Häftlinge und Heer sollen helfen

Auch mehrere offizielle Projekte sollten Abhilfe schaffen. Derzeit werden in einigen Stadtteilen etwa Häftlinge Reparaturarbeiten durchführen. Im Rahmen eines Pilotprojekts der Gemeinde Rom mit dem Justizministerium wurden einige Häftlinge der römischen Strafanstalt Rebibbia von der italienischen Autobahngesellschaft Autostrade per l’Italia ausgebildet. Für Raggi eine Win-win-Situation: „Junge Häftlinge lernen eine Arbeit, was ihnen bei der Integration in die Gesellschaft nach Ende ihrer Haft helfen wird“, so Raggi.

Ende letzten Jahres wurde zudem vereinbart, dass 200 Kilometer Straßen in Rom vom Heer asphaltiert werden sollen. Die Gewerkschaft der italienischen Soldaten reagierte empört auf den Plan. Es sei nicht Aufgabe der Militärs, die Straßen in Ordnung zu bringen. „Das Heer verteidigt die Italiener und baut Straßen und Brücken in Situationen absoluten Notstands“, so Gewerkschaftssprecher Marco Comellini.