Militär überprüft einen Motorradfahrer
AP/Eranga Jayawardena
Kirchen geschlossen

Unsicherheit in Sri Lanka bleibt bestehen

Vier Tage nach den blutigen Anschlägen in Sri Lanka ist die Gefahr weiterer Angriffe offenbar nicht gebannt: Im ganzen Land bleiben die katholischen Kirchen auf Anraten der Sicherheitsbehörden vorerst geschlossen, während die Suche nach weiteren Verdächtigen intensiviert wurde. Die Zahl der Toten wurde indes nach unten korrigiert.

Laut dem Gesundheitsministerium in Sri Lanka seien bei den Anschlägen vom Ostersonntag 253 Menschen ums Leben gekommen, nicht wie zuletzt angegeben 359. Der Generaldirektor der Gesundheitsdienste, Anil Jayasinghe, teilte am Donnerstagabend mit, die genaue Zahl sei unklar, weil die Körper extrem verstümmelt worden seien.

Auch die Zahl der Verletzten korrigierte er von 485 auf 149 nach unten. Nach den jüngsten Zahlen des Außenministeriums Sri Lankas waren 40 Ausländer unter den Todesopfern – ob sich diese Zahl noch ändern wird, bleibt allerdings offen.

Trauernde bei der Beerdigung mehrerer Anschlagsopfer
Reuters/Athit Perawongmetha
253 Menschen kamen bei den Anschlägen ums Leben

„Bleiben Sie weiter wachsam“

Sieben sri-lankische Selbstmordattentäter hatten sich am Ostersonntag nahezu gleichzeitig in drei Kirchen in mehreren Städten und drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo in die Luft gesprengt. Einige Stunden später zündeten zwei weitere Terroristen in einem kleinen Hotel und in einem Wohnhaus in Vororten Colombos Bomben. Ein weiterer Anschlag auf ein Fünfsternhotel scheiterte. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte die Selbstmordanschläge für sich reklamiert.

Die US-Botschaft in Sri Lanka warnte vor möglichen weiteren Anschlägen auf Gotteshäuser. Diese sollten von Freitag bis Sonntag gemieden werden, twitterte die Botschaft am Donnerstag unter Berufung auf die sri-lankischen Behörden. „Bleiben Sie weiter wachsam und meiden Sie größere Menschenmengen“, hieß es.

Großbritannien und Israel warnten am Donnerstag vor Reisen nach Sri Lanka. Die Anschlagsgefahr sei weiterhin hoch, erklärte das Außenministerium in London. Israel rief alle Bürger auf, Sri Lanka schnellstmöglich zu verlassen oder geplante Reisen dorthin nicht anzutreten. Das Anti-Terror-Amt des israelischen Ministerpräsidenten sprach von einer „erhöhten konkreten Gefahr“ – die Bedrohung wurde auf Stufe vier von fünf eingeschätzt.

Islamische Geistliche solidarisieren sich

Doch die katholischen Kirchen bleiben vorerst ohnehin geschlossen. Auch der Minister für muslimische Angelegenheiten, Abdul Haleem, rief die Moscheen im Land auf, als Zeichen der Solidarität „gegen die barbarischen Taten der unbarmherzigen Terroristen“ die Freitagsgebete abzusagen. Die Muslime sollten stattdessen zu Hause beten, dass „der allmächtige Allah die Aktivitäten dieser unmenschlichen Terrormörder stoppt“.

Die islamischen Geistlichen des Landes kündigten an, die Attentäter nicht beizusetzen. „Diejenigen, die diese barbarischen Anschläge auf unschuldige Zivilisten verübt haben, gehören nicht zu uns, und deshalb erklären wir kategorisch, dass wir ihre Leichen nicht entgegennehmen“, sagte Rizwe Mufti vom Dachverband der islamischen Kleriker in Sri Lanka.

Polizei sucht sechs Verdächtige

Laut Behördenangaben vom Donnerstag befinden sich 76 Verdächtige in Gewahrsam. Die Regierung warnte aber, dass sich noch Verdächtige auf der Flucht befänden. Manche von ihnen seien im Besitz von Sprengstoff.

Am Donnerstag veröffentlichte die Polizei Fotos und Namen von sechs Verdächtigen, die in Verbindung mit den Anschlägen gesucht würden, und bat die Bevölkerung um Hinweise. Es handelte sich um drei Frauen und drei Männer. Einige Twitter-Nutzer gaben an, dass eines der Bilder möglicherweise eine bekannte muslimische US-Aktivistin mit sri-lankischer Abstammung zeige.

Sicherheitsleute überprüfen Gläubige beim Eingang in eine Moschee
Reuters/Mohammad Ponir Hossain
76 Personen wurden bereits festgenommen, nun bat die Polizei die Bevölkerung um Hinweise zu sechs Verdächtigen

Hunderte Muslime fliehen aus Angst vor Rache

Aus Angst vor Racheakten und Einschüchterungen suchten indes Hunderte Muslime in Moscheen und einer Polizeistation Schutz. Zahlreiche Muslime hätten ihre Unterkünfte räumen müssen, weil die Eigentümer Vergeltungsaktionen auf ihren Grundstücken fürchteten, sagte Ruki Fernando von der Menschenrechtsgruppe Inform am Donnerstag.

Einige Muslime seien auch aus eigenem Antrieb geflohen, nachdem Unbekannte in der Stadt in ihre Häuser eingedrungen seien und sie geschlagen hätten. In einer Moschee der Stadt hätten vermutlich bis zu 700 Muslime Zuflucht gesucht. Rund 120 weitere hätten Schutz in einer Polizeistation gefunden. Mehrere hundert weitere Muslime seien in einer Moschee im rund 25 Kilometer entfernten Pasyala untergekommen.

Bei den vertriebenen Muslimen handelt es sich den Angaben zufolge um Mitglieder der Ahmadi-Minderheit. Sie sind Flüchtlinge aus Pakistan, Afghanistan, aus dem Jemen und dem Iran, wo sie von Hardline-Islamisten wegen ihrer Glaubensrichtung nicht als echte Muslime betrachtet und angefeindet werden. „Heute sind diese Flüchtlinge in Sri Lanka wieder zu Flüchtlingen geworden“, sagte Fernando.

Ein Mann liest in Sri Lanka in einer Zeitung
AP/Gemunu Amarasinghe
Unsicherheit und Angst wird wohl noch länger in der Bevölkerung Sri Lankas bleiben

Versagen eingestanden: Erste Rücktritte

Der höchste Beamte des Verteidigungsministeriums räumte indes bereits seinen Posten: Hemasiri Fernando habe dem Präsidenten sein Rücktrittsschreiben übergeben und sein Versagen eingestanden, sagte ein Ministeriumsvertreter. Regierung und Behörden stehen unter großem Druck, da es im Vorfeld der Selbstmordattentate konkrete Hinweise und Warnungen gegeben hatte. Auch der Polizeichef des Inselstaates wurde von Präsident Maithripala Sirisena angewiesen, seine Kündigung einzureichen.

Vizeverteidigungsminister Ruwan Wijewardene sprach am Mittwoch von schwerwiegenden Versäumnissen der Sicherheitsbehörden, da die Informationen nicht weitergegeben worden seien. Unter anderen Präsident Sirisena versichert, nicht informiert gewesen zu sein, obwohl er auch Verteidigungsminister und Minister für Recht und Ordnung ist.

Erste Warnung bereits im Dezember

Nach Angaben eines indischen Sicherheitsvertreters hatte Indien mehrfach seinen Nachbarn vor möglichen Selbstmordanschlägen auf Kirchen und die indische Botschaft gewarnt, zuletzt zwei Wochen vor Ostersonntag. Die Hinweise hätten sich auf Erkenntnisse aus einer Razzia im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu gestützt, bei der sieben Verdächtige festgenommen und mehrere Dokumente beschlagnahmt worden seien.

Indischen Medienberichten zufolge erging die erste Warnung bereits im Dezember an die Behörden in Sri Lanka. Laut dem indischen Vertreter enthalten Videos „Drohungen durch einen radikalen Anführer aus Sri Lanka, die auf mögliche Selbstmordanschläge schließen ließen“.