Polizei in Colombo
APA/AFP/Jewel Samad
Sri Lankas Präsident

Islamistenführer bei Anschlag gestorben

Der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge in Sri Lanka mit über 250 Toten, der Islamistenführer Zahran Hashim, ist nach Regierungsangaben bei einer der Attacken ums Leben gekommen. Sri Lankas Staatschef Maithripala Sirisena sagte am Freitag, die Geheimdienste hätten ihm mitgeteilt, dass Hashim beim Anschlag im Luxushotel „Shangri-La“ in Colombo gestorben sei.

Hashim habe das Selbstmordattentat dort mit einem weiteren Attentäter verübt, dessen Namen Sirisena mit Ilham angab. Die Erkenntnisse kommen dem Präsidenten zufolge vom Militärgeheimdienst und beruhen teils auf Bildern von Überwachungskameras am Tatort. Nach den Anschlägen vom Ostersonntag war Hashims Verbleib zunächst unklar gewesen, die Sicherheitsbehörden des südasiatischen Inselstaates fahndeten unter Hochdruck nach dem Islamisten.

Hashim galt als Anführer der Islamistengruppe National Thowheeth Jama’ath (NTJ), die für die Anschläge verantwortlich gemacht wird. Er stand offenbar im Zentrum eines Bekennervideos der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Trauernde bei der Beerdigung mehrerer Anschlagsopfer
Reuters/Athit Perawongmetha
253 Menschen kamen bei den Anschlägen ums Leben

Erst durch Anschlag Bekanntheit erlangt

Vor den Anschlägen in Sri Lanka war Hashim weitgehend unbekannt. In Sozialen Netzwerken hatte er allerdings Tausende Anhänger, er veröffentlichte hetzerische Predigten auf YouTube und Facebook. Örtlichen Medien zufolge gründete Hashim die NTJ im Jahr 2014. Die Regierung in Colombo macht die NTJ für die Anschläge verantwortlich, geht aber davon aus, dass sie ausländische Unterstützung gehabt haben muss.

Die Polizei gab am Freitag an, Verhöre von festgenommenen Verdächtigen hätten ergeben, dass die Attentäter im Ausland Waffentraining erhalten hätten. Unter den Festgenommenen seien der zweite Befehlshaber der einheimischen Terrorgruppe sowie der Bombenbauer.

Totenzahl nach unten korrigiert

Die Zahl der Toten wurde indes nach unten korrigiert. Laut dem Gesundheitsministerium in Sri Lanka seien bei den Anschlägen vom Ostersonntag 253 Menschen ums Leben gekommen, nicht wie zuletzt angegeben 359. Der Generaldirektor der Gesundheitsdienste, Anil Jayasinghe, teilte am Donnerstagabend mit, die genaue Zahl sei unklar, weil die Körper extrem verstümmelt worden seien.

Auch die Zahl der Verletzten korrigierte er von 485 auf 149 nach unten. Nach den jüngsten Zahlen des Außenministeriums Sri Lankas waren 40 Ausländer unter den Todesopfern – ob sich diese Zahl noch ändern wird, bleibt allerdings offen.

Sicherheitsleute überprüfen Gläubige beim Eingang in eine Moschee
Reuters/Mohammad Ponir Hossain
Dutzende Personen wurden bereits festgenommen, nun bat die Polizei die Bevölkerung um Hinweise zu weiteren Verdächtigen

Warnung vor Angriffen auf Sufi-Moscheen

Sieben sri-lankische Selbstmordattentäter hatten sich am Ostersonntag nahezu gleichzeitig in drei Kirchen in mehreren Städten und drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo in die Luft gesprengt. Einige Stunden später zündeten zwei weitere Terroristen in einem kleinen Hotel und in einem Wohnhaus in Vororten Colombos Bomben. Ein weiterer Anschlag auf ein Fünfsternhotel scheiterte.

Brigitte Handlos zur Lage in Sri Lanka

Brigitte Handlos, Leiterin der ZIB-Chronikredaktion, erklärt, wie die Gesellschaft in Sri Lanka funktioniert und wie sehr die Anschläge dem Tourismus schaden können.

Neue Warnungen vor möglichen Angriffen auf Gotteshäuser wurden am Freitag bekanntgegeben. Die Polizei teilte auf Twitter mit, dass Islamisten Geheimdienstinformationen zufolge Moscheen von Sufisten angreifen wollten. Der Sufismus ist eine Strömung im Islam mit mystischen Traditionen und Riten. Radikale Islamisten betrachten Sufisten wegen ihrer Toleranz auch anderen Religionen gegenüber als Feinde. Die Sicherheitsvorkehrungen an den Moscheen wurden laut Polizei erhöht.

Kirchen bleiben geschlossen

Im ganzen Land bleiben unterdessen die katholischen Kirchen auf Anraten der Sicherheitsbehörden vorerst geschlossen. Auch die US-Botschaft in Sri Lanka warnte vor möglichen weiteren Anschlägen auf Gotteshäuser. Diese sollten von Freitag bis Sonntag gemieden werden, twitterte die Botschaft am Donnerstag unter Berufung auf die sri-lankischen Behörden. „Bleiben Sie weiter wachsam und meiden Sie größere Menschenmengen“, hieß es.

Ein Mann liest in Sri Lanka in einer Zeitung
AP/Gemunu Amarasinghe
Unsicherheit und Angst wird wohl noch länger in der Bevölkerung Sri Lankas bleiben

Großbritannien und Israel warnten am Donnerstag vor Reisen nach Sri Lanka. Die Anschlagsgefahr sei weiterhin hoch, erklärte das Außenministerium in London. Israel rief alle Bürger auf, Sri Lanka schnellstmöglich zu verlassen oder geplante Reisen dorthin nicht anzutreten. Das Anti-Terror-Amt des israelischen Ministerpräsidenten sprach von einer „erhöhten konkreten Gefahr“ – die Bedrohung wurde auf Stufe vier von fünf eingeschätzt.

Islamische Geistliche solidarisieren sich

Auch der Minister für muslimische Angelegenheiten, Abdul Haleem, rief die Moscheen im Land auf, als Zeichen der Solidarität „gegen die barbarischen Taten der unbarmherzigen Terroristen“ die Freitagsgebete abzusagen. Die Muslime sollten stattdessen zu Hause beten, dass „der allmächtige Allah die Aktivitäten dieser unmenschlichen Terrormörder stoppt“.

Die islamischen Geistlichen des Landes kündigten an, die Attentäter nicht beizusetzen. „Diejenigen, die diese barbarischen Anschläge auf unschuldige Zivilisten verübt haben, gehören nicht zu uns, und deshalb erklären wir kategorisch, dass wir ihre Leichen nicht entgegennehmen“, sagte Rizwe Mufti vom Dachverband der islamischen Kleriker in Sri Lanka.

Drathzieher der Anschläge in Sri Lanka tot

Die Behörden in Sri Lanka haben bestätigt, dass der Drahtzieher der Anschläge vom Ostersonntag, Islamistenchef Zahran Hashim, ums Leben gekommen ist.

Polizei sucht weitere Verdächtige

Laut Behördenangaben vom Donnerstag befinden sich 76 Verdächtige in Gewahrsam. Die Regierung warnte aber, dass sich noch Verdächtige auf der Flucht befänden. Manche von ihnen seien im Besitz von Sprengstoff. Am Donnerstag veröffentlichte die Polizei Fotos und Namen von sechs Verdächtigen, die in Verbindung mit den Anschlägen gesucht würden, und bat die Bevölkerung um Hinweise. Es handelte sich um drei Frauen und drei Männer. Einige Twitter-Nutzer gaben an, dass eines der Bilder möglicherweise eine bekannte muslimische US-Aktivistin mit sri-lankischer Abstammung zeige.

Hunderte Muslime fliehen aus Angst vor Rache

Aus Angst vor Racheakten und Einschüchterungen suchten indes Hunderte Muslime in Moscheen und einer Polizeistation Schutz. Zahlreiche Muslime hätten ihre Unterkünfte räumen müssen, weil die Eigentümer Vergeltungsaktionen auf ihren Grundstücken fürchteten, sagte Ruki Fernando von der Menschenrechtsgruppe Inform am Donnerstag.

Einige Muslime seien auch aus eigenem Antrieb geflohen, nachdem Unbekannte in der Stadt in ihre Häuser eingedrungen seien und sie geschlagen hätten. In einer Moschee der Stadt hätten vermutlich bis zu 700 Muslime Zuflucht gesucht. Rund 120 weitere hätten Schutz in einer Polizeistation gefunden. Mehrere hundert weitere Muslime seien in einer Moschee im rund 25 Kilometer entfernten Pasyala untergekommen.

Bei den vertriebenen Muslimen handelt es sich den Angaben zufolge um Mitglieder der Ahmadi-Minderheit. Sie sind Flüchtlinge aus Pakistan, Afghanistan, aus dem Jemen und dem Iran, wo sie von Hardline-Islamisten wegen ihrer Glaubensrichtung nicht als echte Muslime betrachtet und angefeindet werden. „Heute sind diese Flüchtlinge in Sri Lanka wieder zu Flüchtlingen geworden“, sagte Fernando.

Versagen eingestanden: Erste Rücktritte

Der höchste Beamte des Verteidigungsministeriums räumte indes bereits seinen Posten: Hemasiri Fernando habe dem Präsidenten sein Rücktrittsschreiben übergeben und sein Versagen eingestanden, sagte ein Ministeriumsvertreter. Regierung und Behörden stehen unter großem Druck, da es im Vorfeld der Selbstmordattentate konkrete Hinweise und Warnungen gegeben hatte.

Der Polizeichef des Landes legte am Freitag seinen Posten nieder. Pujith Jayasundara habe angesichts von Fehlleistungen im Vorfeld der Anschläge beim amtierenden Verteidigungsminister seinen Rücktritt eingereicht, sagte der Staatschef am Freitag vor Journalisten.