Soldaten vor Moschee
APA/AFP/Ishara S. Kodikara
Sri Lanka

Warnung vor Anschlägen auf Sufi-Moscheen

Nach den Anschlägen vom Ostersonntag mit über 250 Toten gibt es in Sri Lanka neue Warnungen vor möglichen Angriffen auf Gotteshäuser. Die Polizei teilte am Freitag auf Twitter mit, dass Islamisten Geheimdienstinformationen zufolge Moscheen des sufistischen Islam angreifen wollten.

Der Sufismus ist eine Strömung im Islam mit mystischen Traditionen und Riten. Radikale Islamisten betrachten Sufisten wegen ihrer Toleranz auch anderen Religionen gegenüber als Feinde. Die Sicherheitsvorkehrungen an den Moscheen wurden laut Polizei erhöht.

Sri Lankas Minister für muslimische Angelegenheiten, Abdul Haleem, rief die Musliminnen und Muslime des Inselstaates auf, nicht zu Freitagsgebeten zu gehen – als Geste der Solidarität mit den Christinnen und Christen, deren Kirchen seit den Anschlägen geschlossen bleiben. Geistliche beider Konfessionen argumentierten zudem, die Gefahr von Racheakten sei zu groß.

Soldaten vor Moschee
APA/AFP/Ishara S. Kodikara
Polizei und Militär zeigen in Colombo Präsenz

Israel: „Erhöhte konkrete Gefahr“

Die US-Botschaft in Sri Lanka warnte ebenfalls vor möglichen weiteren Anschlägen auf Gotteshäuser. Diese sollten bis Sonntag gemieden werden, twitterte die Botschaft am Donnerstag unter Berufung auf die sri-lankischen Behörden. „Bleiben Sie weiter wachsam und meiden Sie größere Menschenmengen!“, hieß es.

Großbritannien und Israel warnten am Donnerstag vor Reisen nach Sri Lanka. Die Anschlagsgefahr sei weiterhin hoch, so das Außenministerium in London. Israel rief alle Bürger auf, Sri Lanka schnellstmöglich zu verlassen oder geplante Reisen dorthin nicht anzutreten. Das Anti-Terror-Amt des israelischen Ministerpräsidenten sprach von einer „erhöhten konkreten Gefahr“ – die Bedrohung wurde auf Stufe vier von fünf eingeschätzt.

Polizei: Flüchtige haben Sprengstoff

Laut Behördenangaben vom Donnerstag befinden sich 76 Verdächtige in Gewahrsam. Die Regierung warnte aber, dass sich noch Verdächtige auf der Flucht befänden. Manche von ihnen seien im Besitz von Sprengstoff. Am Donnerstag veröffentlichte die Polizei Fotos und Namen von sechs Verdächtigen, die in Verbindung mit den Anschlägen gesucht würden, und bat die Bevölkerung um Hinweise. Es handelte sich um drei Frauen und drei Männer.

Dabei blamierten sich die Behörden mit einer weiteren Panne: Zum Namen einer Verdächtigen wurde am Donnerstag fälschlicherweise das Foto der muslimischen US-Aktivistin Amara Majeed veröffentlicht, deren Familie aus Sri Lanka stammt. Die Polizei korrigierte am Freitag ihre Angaben.

Sicherheitsleute überprüfen Gläubige beim Eingang in eine Moschee
Reuters/Mohammad Ponir Hossain
Dutzende Personen wurden bereits festgenommen, nun bat die Polizei die Bevölkerung um Hinweise zu weiteren Verdächtigen

Islamistenführer war ebenfalls Selbstmordattentäter

Der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge, der Islamistenführer Zahran Hashim, kam laut Regierungsangaben bei einer der Attacken ums Leben. Staatschef Maithripala Sirisena sagte am Freitag, die Geheimdienste hätten ihm mitgeteilt, dass Hashim beim Anschlag im Luxushotel „Shangri-La“ in Colombo gestorben sei.

Hashim habe das Selbstmordattentat dort mit einem weiteren Attentäter verübt, dessen Namen Sirisena mit Ilham angab. Die Erkenntnisse kommen dem Präsidenten zufolge vom Militärgeheimdienst und beruhen teils auf Bildern von Überwachungskameras am Tatort. Nach den Anschlägen war Hashims Verbleib zunächst unklar gewesen, die Sicherheitsbehörden des südasiatischen Inselstaates fahndeten unter Hochdruck nach dem Islamisten.

Erst durch Anschläge Bekanntheit erlangt

Hashim galt als Anführer der Islamistengruppe National Thowheeth Jama’ath (NTJ), die für die Anschläge verantwortlich gemacht wird. Er stand offenbar im Zentrum eines Bekennervideos der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Vor den Anschlägen in Sri Lanka war Hashim weitgehend unbekannt gewesen. In Sozialen Netzwerken hatte er allerdings Tausende Anhänger, er veröffentlichte hetzerische Predigten auf YouTube und Facebook.

Brigitte Handlos zur Lage in Sri Lanka

Brigitte Handlos, Leiterin der ZIB-Chronikredaktion, erklärt, wie die Gesellschaft in Sri Lanka funktioniert und wie sehr die Anschläge dem Tourismus schaden können.

Örtlichen Medien zufolge gründete Hashim die NTJ im Jahr 2014. Die Regierung in Colombo macht die NTJ für die Anschläge verantwortlich, geht aber davon aus, dass sie ausländische Unterstützung gehabt haben muss. Die Polizei gab am Freitag an, Verhöre von festgenommenen Verdächtigen hätten ergeben, dass die Attentäter im Ausland Waffentraining erhalten hätten. Unter den Festgenommenen seien der zweite Befehlshaber der einheimischen Terrorgruppe sowie der Bombenbauer.

Trauernde bei der Beerdigung mehrerer Anschlagsopfer
Reuters/Athit Perawongmetha
253 Menschen kamen bei den Anschlägen ums Leben

Warnung vor Hashim bereits vor drei Jahren

Hilmy Ahamed, Vizepräsident des Muslimrats von Sri Lanka, sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe die Behörden bereits vor drei Jahren vor Hashim gewarnt. „Dieser Mensch war ein Einzelgänger und er hat junge Menschen unter dem Deckmantel des Koran-Unterrichts radikalisiert“, sagte Ahamed. Niemand habe jedoch geglaubt, dass „diese Menschen“ einen Anschlag solchen Ausmaßes ausführen könnten.

Laut Ahamed war Hashim etwa 40 Jahre alt und kam aus der Region Batticaloa an der Ostküste Sri Lankas, in der eine der am Sonntag attackierten Kirchen steht. Der radikale Prediger sei der Spross einer „normalen muslimischen Mittelstandsfamilie“ gewesen. Hashim habe an einer Islamschule in Kattankudy im Osten des Landes studiert. In der örtlichen Muslimgemeinde habe er für Ärger gesorgt, sagte Ahamed. Es habe immer wieder Konflikte mit anderen Moscheebesuchern gegeben. Einmal habe Hashim ein Schwert gezogen, um Menschen aus der Thowheeth-Moschee in Kattankudy zu töten.

Sirisena stellt Zusammenhang mit Drogenhandel her

In einem Gespräch mit Medienvertretern sagte Staatspräsident Sirisena am Freitag, es seien zwischen 130 und 140 Menschen mit Verbindungen zum IS in Sri Lanka. Sirisena stellte zudem in Aussicht, wegen der Verbreitung falscher Informationen Soziale Netzwerke komplett zu verbieten. Bisher war der Zugang zu einigen Netzwerken nach den Anschlägen gesperrt worden. Sirisena stellte außerdem einen Zusammenhang zwischen der Drogenmafia und den Anschlägen her. Er hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, im Kampf gegen den Drogenhandel die Todesstrafe nach mehr als 40 Jahren wieder zu vollstrecken.

Totenzahl nach unten korrigiert

Die Zahl der Toten wurde indes nach unten korrigiert. Laut Gesundheitsministerium kamen 253 Menschen ums Leben, nicht wie zuletzt angegeben 359. Der Generaldirektor der Gesundheitsdienste, Anil Jayasinghe, teilte am Donnerstagabend mit, die genaue Zahl sei unklar, weil die Körper extrem verstümmelt worden seien. Auch die Zahl der Verletzten korrigierte er von 485 auf 149. Nach den jüngsten Zahlen des Außenministeriums Sri Lankas waren 40 Ausländer unter den Todesopfern – ob sich diese Zahl noch ändern wird, ist offen.

Warnung vor neuen Anschlägen

Am Freitag wurde bekannt, dass der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge von Sri Lanka tot ist. Die Polizei von Sri Lanka warnt indes vor neuen Anschlägen.

Sieben sri-lankische Selbstmordattentäter hatten sich am Ostersonntag nahezu gleichzeitig in drei Kirchen in mehreren Städten und drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo in die Luft gesprengt. Einige Stunden später zündeten zwei weitere Terroristen in einem kleinen Hotel und in einem Wohnhaus in Vororten Colombos Bomben. Ein weiterer Anschlag auf ein Fünfsternhotel scheiterte.

Polizeichef legt Amt zurück

Der höchste Beamte des Verteidigungsministeriums räumte indes seinen Posten: Hemasiri Fernando habe dem Präsidenten sein Rücktrittsschreiben übergeben und sein Versagen eingestanden, sagte ein Ministeriumsvertreter. Regierung und Behörden stehen unter großem Druck, da es im Vorfeld der Selbstmordattentate konkrete Hinweise und Warnungen gegeben hatte. Der Polizeichef des Landes legte am Freitag ebenfalls seinen Posten nieder. Pujith Jayasundara habe angesichts von Fehlleistungen im Vorfeld der Anschläge beim amtierenden Verteidigungsminister seinen Rücktritt eingereicht, sagte der Staatschef am Freitag vor Journalisten.