Bundeskanzler Sebastian Kurz in Peking
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Kurz in China

Warten auf Xis Versprechen

Zum Auftakt des Gipfels zu den weltweiten Infrastrukturplänen („Neue Seidenstraße“) hat Chinas Präsident Xi Jinping angesichts internationaler Kritik eine neue Charmeoffensive gestartet und mehr Offenheit versprochen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der wie Dutzende Staats- und Regierungschefs am Gipfel teilnimmt und am Freitag mit Xi zusammentraf, will die Volksrepublik an konkreten Taten messen.

Chinas Initiative ist international sehr umstritten. Es geht um Milliardeninvestitionen in Straßen, Schienenwege, Häfen und andere Infrastrukturprojekte. Damit will China neue Handelswege nach Europa, Afrika und Lateinamerika und in Asien bauen. Xi sagte in Peking am Freitag mehr Kooperation, Umweltschutz und Kampf gegen Korruption zu. Die Initiative werde „offen, grün und sauber“, gelobte Xi bei der Eröffnung des zweiten „Seidenstraße“-Forums nach 2017.

Kritiker sehen insbesondere arme Länder vor einer „Schuldenfalle“, politischen Abhängigkeiten von Peking und Schäden für die Umwelt. Kurz begrüßte Xis Ankündigung der Marktöffnung seines Landes zwar, „entscheidend ist aber natürlich die Umsetzung“, so Kurz. Denn die Ankündigung habe er vor einem Jahr schon in ähnlicher Form von Xi gehört. „Ob und wann es zu dieser vollständigen Marktöffnung kommt, wird genau zu beobachten sein“, so Kurz in Peking.

„Sollten auch unsere Interessen im Blick haben“

Als konkreten Maßstab nannte Kurz die für kommendes Jahr geplante Unterzeichnung eines Investitionsschutzabkommens zwischen der EU und China. Grundsätzlich sei die Zielsetzung des „Belt and Road“-Projekts, die Verkehrsinfrastruktur auf den Handelsrouten zu verbessern, positiv, gerade für ein exportorientiertes kleines Land wie Österreich. Man dürfe aber nicht übersehen, dass China damit seine eigenen Interessen verfolge, und „wir sollten auch unsere Interessen im Blick haben“.

Chinas Präsident Xi Jinping
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Xi bei seiner Rede in Peking

Konkurrenzsituation auf dem Balkan

In Summe sei das Projekt dann zu unterstützen, wenn es zum Vorteil aller ausfalle und auf Augenhöhe agiert werde. Ob Österreich einmal eine Absichtserklärung mit China zur „Seidenstraße“ unterzeichnet, „hängt davon ab, was drinsteht“, so Kurz am Rande des Forums vor österreichischen Journalisten. Man müsse bedenken, dass chinesische Firmen auf dem Westbalkan Konkurrenten heimischer Unternehmen seien, der chinesische Markt aber insgesamt sehr interessant sei.

Konkret brauche Österreich Innovation, weniger Regulierung, soweit sie ein hohes Tempo bei der Erneuerung behindert, eine Senkung der Steuerbelastung und einen „Kulturwandel“ zu mehr Erfolgshunger. „Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir in Europa etwas gesättigt sind, zwar Menschenrechte, Demokratie und unser Verständnis vom Rechtsstaat in die Welt exportieren wollen, aber sehr, sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, unsere eigenen Interessen zu vertreten.“

Breite Bedenken gegen Initiative

Die meisten großen EU-Mitglieder und auch die USA stehen der Initiative kritisch gegenüber. Doch hat sich Italien als erstes Mitglied der Gruppe der großen Industrieländer (G-7) im März trotz des Widerstands aus Brüssel dem Vorhaben angeschlossen. Kurz plädierte für ein gemeinsames Vorgehen der EU und für gemeinsame Lösungen weltweit, auch wenn das derzeit nicht überall geteilt werde, wie er in Peking sagte.

Xi will Bedenken ausräumen

Chinas „Neue Seidenstraße“ stößt in vielen Ländern auf Kritik. Daher hat Präsident Xi Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zu einem Gipfel eingeladen – um Bedenken auszuräumen.

US-Präsident Donald Trump sei „alles andere als ein Fan des Multilateralismus“, und „China hat ein sino-zentrisches Weltbild und System, das zumindest unausgesprochen die Universalität unseres Systems, das wir nach 1945 geschaffen haben, infrage stellt“, so Kurz. Österreich, das als einer von sieben EU-Staaten auf höchster Ebene bei dem Forum vertreten ist, habe daher von Anfang an alle Texte zur gemeinsamen Schlusserklärung mit der EU geteilt und besprochen.

IWF-Chefin warnt vor Schulden

Xi stellte einige Veränderungen in Aussicht. Mehr (auch kleinere) Länder, Partner und internationale Organisationen sollten als „Teilhaber“ einbezogen werden. Er sicherte zu, China wolle sich an internationale Regeln und Standards halten. Vor dem Hintergrund von Warnungen auch seitens des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor Finanzrisiken kündigte China an, die Gefahr der Überschuldung einzelner Länder durch „Seidenstraße“-Projekte einzudämmen.

IWF-Chefin Christine Lagarde warnte vorm Schuldenmachen: Sie betonte, die Projekte müssten sich auch rechnen: „Die Vergangenheit lehrt uns, dass Infrastrukturinvestments zu einem problematischem Anstieg der Verschuldung führen können, wenn sie nicht sorgfältig geplant und umgesetzt werden.“ Nur wirklich nötige Projekte sollten realisiert werden. Dann könnten diese auch Impulse für das Wachstum der Weltwirtschaft liefern. Wichtig seien Transparenz, Zugang für nicht chinesische Firmen und gute Risikoanalysen.

400 Mrd. Euro bereitgestellt

Nach Angaben von Zentralbankchef Yi Gang sind schon 440 Mrd. US-Dollar (396 Mrd. Euro) für die Initiative bereitgestellt worden. Bei der Finanzierung von Projekten werde China künftig offener und marktorientierter vorgehen, zitierte ihn das chinesische Wirtschaftsmagazin „Caixin“ von dem Forum. China wolle sich in Zukunft vor allem auf kommerzielles Kapital und Investitionen des Privatsektors stützen, so Yi.

Um zu erkennen, wie China die Sicht auf viele Fragen ändere, müsse man „genau hinhören“, so Kurz. Zu dem zweitägigen Treffen sind Vertreter aus mehr als 100 Ländern angereist, darunter knapp 40 Staats- und Regierungschefs. Es ist nach 2017 der zweite Gipfel dieser Art. Prominenter Gast ist Russlands Präsident Wladimir Putin, der am Vortag in Wladiwostok erstmals den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un traf.

Putin greift USA indirekt an

Putin nutzte den Gipfel dazu, indirekte Angriffe auf die USA zu reiten. Er kritisierte in seiner Rede einseitige Versuche, die wirtschaftliche Entwicklung durch Handelskriege und Sanktionen zu behindern. Der Kreml-Chef war nach dem Treffen mit Kim nach China gereist. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier bezeichnete indes Xis Ankündigungen, den chinesischen Markt zu öffnen, als „sehr ermutigend“. Deutschland werde Vorschläge zur Umsetzung machen.