Geldsujets
ORF.at/Christian Öser
Steuerreform

Erste Details und Kritik vor Präsentation

Offiziell präsentiert wird die mehrfach angekündigte Steuerreform am Dienstag – doch schon seit dem Wochenende gibt die Regierung stückweise Details bekannt. Die Entlastung solle um zwei Mrd. höher ausfallen als bisher geplant. Kritik an dem, was bisher bekannt ist, und an der „häppchenweisen Ankündigungspolitik“ kamen von SPÖ, Jetzt und Gewerkschaft.

Insgesamt soll die Steuerreform jetzt in ihrer Gesamtwirkung 6,5 Milliarden Euro ab 2022 ausmachen. Der schon wirksame Familienbonus ist da nicht eingerechnet, auch die Senkung der Umsatzsteuer für Nächtigungen und die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge nicht. Inklusive dieser Punkte beträgt das Entlastungsvolumen laut Regierungspapier rund 8,3 Mrd. Euro.

Wie das Ö1-Morgenjournal berichtete, sollen die drei untersten Lohnsteuersätze gesenkt werden – konkret von 25 auf 20 Prozent, von 35 auf 30 Prozent und von 42 auf 40 Prozent. Die Freibetragsgrenze von 11.000 Euro sowie die Steuerstufen sollen hingegen unverändert bleiben. Das soll ab 2021 gelten und laut Ö1 für ein durchschnittliches Einkommen 1.000 Euro netto im Jahr bringen.

Grafik zur Lohnsteuer
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Jene rund 1,8 Millionen meist teilzeitbeschäftigten Menschen, die nicht lohnsteuerpflichtig sind, sollen durch die Befreiung von der bzw. einen geringeren Beitrag zur Krankenversicherung mit etwa 600 Euro im Jahr entlastet werden. Diese Regelung soll bereits im nächsten Jahr in Kraft treten.

Prämien künftig bis 3.000 Euro steuerfrei

Zudem sollen eventuelle Erfolgsbeteiligungen, die Unternehmen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszahlen, künftig bis zu 3.000 Euro völlig steuerfrei sein. Die Details – etwa wie das bei Einpersonenunternehmen aussieht – sind laut Ö1-Bericht aber noch unklar – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Laut APA sind auch Erleichterungen bei der Absetzbarkeit von Arbeitszimmern geplant sowie (in zwei Schritten) eine Ausweitung der Grenze für die Absetzung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 400 auf 1.000 Euro.

Eine Milliarde Entlastung für Unternehmen erwartet

Entlastet wird laut Bericht auch die Wirtschaft: Die Körperschaftssteuer (KöSt) soll 2022 auf 22 Prozent und im Folgejahr auf 21 Prozent gesenkt werden. Das bringe den Unternehmen rund eine Milliarde. Eine Reform des Freibetrags und eine Sonderregel für nicht entnommene Gewinne seien dagegen vom Tisch. Wie die „Presse“ berichtete, sei das Thema KöSt-Senkung bis zuletzt ein harter Verhandlungspunkt gewesen – zwischenzeitlich wurde kolportiert, dass die Steuer für die ersten 100.000 Euro Gewinn nur noch bei 15 Prozent liegen solle und für den Gewinn, der darüber liegt, bei 25 Prozent bleibe.

Die gesamte Entlastung will die Regierung bugdetneutral finanzieren, also keine neuen Schulden dafür machen. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) sagte gegenüber Ö1, dass die Reform bis 2023 bereits in der Budgetplanung berücksichtigt sei. Die dafür vorgesehenen Einsparungen in den Ministerien werden allerdings erst im Sommer verhandelt – im Rahmen der Budgetverhandlungen.

Details für einen guten Teil der Finanzierung ließ die Regierung vorerst offen. So soll eine Milliarde durch bereits im letzten Ministerrat vereinbarte Maßnahmen hereinkommen, mit denen „im System“ gespart werden solle. Eine weitere Milliarde soll durch zusätzliche Maßnahmen erzielt werden, wobei die Details dazu im Rahmen der Budgetgespräche ab Juli erarbeitet werden sollen.

Die detaillierte Ausgestaltung der Entlastungsmaßnahmen werde „in den nächsten Wochen und Monaten erfolgen“, hieß es seitens des Finanzministeriums. Die einzigen bisher bekannten Steuererhöhungen sind 200 Mio. Euro, die durch eine Onlinewerbeabgabe sowie durch das Schließen von Steuerlücken bei der Einfuhrumsatzsteuer hereinkommen sollen („Digitalsteuer“).

Unsicherheitsfaktor Konjunktur

Entscheidend für das Gelingen wird wohl wie bei jeder Steuerreform sein, dass die Konjunkturprognosen halten. Laut Ö1 ist ein Wachstum von mindestens 1,5 Prozent jährlich nötig. Laut Frühjahrsprognose der Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS wird das Ziel heuer und 2020 erreicht. Im Beitrag wurde darauf verwiesen, dass das Regierungspapier viele Ankündigungen enthalte und Vorhaben, die über mehrere Jahren gehen. Abzuwarten bleibe auch, ob es Streichungen und Kürzungen bei Sozialleistungen – etwa bei Gesundheit und der Arbeitsmarktpolitik – geben werde. Davor hatte die Opposition bereits am Wochenende eindringlich gewarnt.

Die Steuerreform kommt schrittweise und wird im Wahljahr 2022 ihre volle Wirkung entfalten. Bereits auf nach dem regulären nächsten Nationalratswahltermin verschoben ist eines der in dem Zusammenhang wichtigen Wahlversprechen, nämlich die Abschaffung der kalten Progression.

Steuerreform: Entlastung bei Gewinnbeteiligung

Die Bundesregierung präsentiert am Dienstag ihre Steuerreform. Begünstigungen soll es unter anderem für Erfolgsprämien geben.

Gewerkschaft bemängelt „Ankündigungspolitik“

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bemängelte, dass häppchenweise unkonkrete Zahlen präsentiert würden, aber immer noch keine Fakten auf dem Tisch lägen. Katzian verwies darauf, dass die Arbeitnehmer für 80 Prozent der Steuern aufkommen. Statt dieser Ungerechtigkeit entgegenzuwirken, spiele die Regierung nahezu täglich mit neuen, unkonkreten Zahlen. „Es braucht keine Zahlenspielereien, sondern eine Steuerreform, die diesen Namen auch verdient hat. Und es braucht sie nicht irgendwann, sondern jetzt“, verlangte der ÖGB-Präsident eine Entlastung der Arbeitnehmer.

Kritisch sieht Katzian auch die Ankündigung, eine Steuerreform ohne wirkliche Gegenfinanzierung durchzuziehen. Das angekündigte Sparen im System bedeute meist „Kürzungen bei Gesundheit, Bildung und Sozialleistungen. Davon profitieren ganz wenige. Der Großteil bezahlt sich dann die angebliche Entlastung durch höhere Kosten oder geringe Qualität beispielsweise im Schulsystem oder beim Arztbesuch selbst“, warnte Katzian.

SPÖ wertet „Sparen im System“ als „gefährliche Drohung“

Auch SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer kritisierte, dass man von der seit Monaten angekündigten Steuerreform nichts wisse. Bekannt sei nur, dass die Werbung dafür bereits 700.000 Euro gekostet habe. Als „gefährliche Drohung“ wertete Krainer das angekündigte Sparen im System. „Das hat bis jetzt bedeutet: Kürzungen bei der Mindestsicherung, bei Arbeitsmarktprogrammen oder bei Gewaltschutz von Frauen. Großzügig ist die Regierung nur, wenn es um ihre Ministerbüros und Regierungswerbung geht“, meinte Krainer.

Laut NEOS-Sprecher Sepp Schellhorn sind 6,5 Mrd. Euro Entlastung „in Anbetracht der kalten Progression“, die der Finanzminister den Österreicherinnen und Österreichern „aus der Brieftasche zupft, ein Lercherlschas“. Die Menschen müssten sofort entlastet werden und nicht erst 2020/21, so Schellhorn im Ö1-Mittagsjournal. „Ich glaube, wenn wir mutig wären und wirklich große Reformen angehen würden wie die Pensionsreform, dann könnte man das sofort umsetzen.“ Außerdem erinnerte er daran, dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Wahlkampf eine Entlastung von zwölf bis 14 Mrd. Euro versprochen hatte, nun aber 6,5 Mrd. Euro im Raum stehen.

Jetzt fürchtet Einschnitte in Sozialsystem

Jetzt-Klubobmann Bruno Rossmann forderte die Regierung auf, die Karten auf den Tisch zu legen, „von den Entlastungsmaßnahmen bis hin zur Gegenfinanzierung“. Er wolle „endlich wissen, wer in welchem Ausmaß steuerlich entlastet wird und wer für die Finanzierung aufkommen wird“. Das Sparen im System gebe es nicht, hätten parlamentarische Anfragebeantwortungen ergeben. Da die Finanzierungslücke bereits vor der Erhöhung des Volumens bei über zwei Mrd. Euro gelegen sei, befürchtet auch Rossmann, „dass es zu tiefen Einschnitten im Sozialsystem kommen wird“.

„Das bemerkenswerteste an dieser Steuerreform ist aber ohnehin das, was fehlt. Eine echte Ökologisierung bleibt aus, Vermögen werden weiterhin geschont, und die Treffsicherheit bei der dringend nötigen Entlastung der Arbeitseinkommen lässt zu wünschen übrig – die Tarifreform entlastet de facto alle bis zur Spitze“, kritisierte Rossmann in einer Aussendung.

ATTAC: „Ruinöses Steuerdumping“

Wie Rossmann kritisierte auch die globalisierungskritische Organisation ATTAC die angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer auf Unternehmensgewinne um 1,5 Mrd. Euro auf 21 Prozent. „Die Regierung heizt damit das ruinöse Steuerdumping in Europa weiter an, anstatt sich endlich für Mindeststeuersätze einzusetzen“, kritisierte David Walch von ATTAC. Die Steuersätze seien binnen 30 Jahren halbiert worden. „Wird diese Politik fortgesetzt, dann werden Konzerngewinne in 20 Jahren überhaupt nicht mehr besteuert.“