EU-Flagge vor Parlament
APA/AFP/Isabel Infantes
Britische Lokalwahlen

Stimmungstest im Brexit-Patt

Nach der neuerlichen Verschiebung des Austritts Großbritanniens aus der EU ist es in der britischen Innenpolitik relativ ruhig um den Brexit geworden. Das dürfte nicht zuletzt an den bevorstehenden Kommunalwahlen liegen. Während die Gespräche zwischen den Torys von Premierministerin Theresa May und Jeremy Corbyns Labour-Partei weitergehen, ist eine Einigung nicht in Sicht.

Am Donnerstag wird in großen Teilen Englands und Nordirlands gewählt – für Mays Torys wird aufgrund des Umgangs mit dem Brexit mit einer herben Niederlage gerechnet. Doch auch Labour versucht, den Fokus weg vom Brexit zu lenken.

Dabei steht Großbritannien unmittelbar vor der nächsten großen Hürde beim Brexit: Die Regierung in London hat nur noch bis 22. Mai Zeit, um mit einer Lösung für den Ausstieg doch noch die EU-Wahl zu verhindern. Dafür müsste es aber zu einer Einigung zwischen Torys und Labour kommen, die sich bisher nicht abzeichnet.

Labour: „Rote Linien“ bei Torys nicht verschoben

Am Wochenende bezeichnete Labour-Wirtschaftssprecherin Rebecca Long-Bailey die Gespräche mit den Torys, die diese Woche in die nächste Runde gehen, zwar als „ziemlich produktiv“. Man merke, dass es „auf beiden Seiten den Willen zu einer Art von Einigung“ gebe. Doch die Regierung rücke von ihren „roten Linien“ nicht ab, so Long-Bailey gegenüber dem Nachrichtensender Sky News.

Am Montag äußerte sich auch der Pressesprecher der britischen Premierministerin zu den Gesprächen. Es habe „ernsthafte“ Debatten gegeben, noch sei aber kein „künftiger Weg“ gefunden worden. Man wolle nach wie vor bald ein Ausstiegsabkommen vorlegen können, aber dazu müsse es realistische Chancen haben, auch die dafür nötige Abstimmung im Parlament zu passieren.

Theresa May
APA/AFP/Mark Duffy
Großbritanniens Premierministerin May will die EU-Wahl möglichst vermeiden

Torys denken noch nicht an EU-Wahl

Von den Torys heißt es momentan noch, dass man nicht über die EU-Wahl reden wolle. „Als Regierung ist es unsere oberste Priorität, die EU-Wahl nicht bestreiten zu müssen“, sagte etwa Generalsekretär Brandon Lewis der BBC am Sonntag.

Erst wenn man an einem Punkt sei, an dem man „definitiv“ an der EU-Wahl teilnehme, werde man die nötigen Entscheidungen treffen. Doch angesichts des stockenden Fortschritts bei den Gesprächen mit der Opposition wirkt es momentan nicht so, als könnte man die Teilnahme an der Wahl noch verhindern.

Labour rudert bei zweitem Referendum zurück

Labour entschied unterdessen am Dienstag im Hinblick auf die EU-Wahl, dass nichts an der 2018 beschlossenen Position zu einem möglichen zweiten Referendum verändert werden soll. Im Vorfeld wurde vermutet, dass Corbyns Partei eine verpflichtende zweite Volksabstimmung über den Brexit-Deal unterstützen würde, was einen wesentlichen Kurswechsel bei den Gesprächen mit Mays Regierungspartei bedeutet hätte.

Jeremy Corbyn
APA/AFP/Jessica Taylor
Labour-Chef Corbyn konnte sich bisher nicht mit May auf eine Linie einigen

Stattdessen will Labour nun nur unter bestimmten Bedingungen ein zweites Referendum unterstützen. Der „Guardian“ ortet in diesem Schritt ein Zurückrudern, denn in den vergangenen Wochen gab es deutlich mehr Stimmen, die sich für einen weiteren Volksentscheid aussprachen. Von einem Sprecher der Partei hieß es am Dienstag: „Labour ist die einzige Partei, die sowohl Menschen unterstützt, die sich für den Ausstieg aus der EU entschieden haben, als auch solche, die sich für den Verbleib ausgesprochen haben. Wir wollen das Land jetzt wieder zusammenbringen nach dem Chaos, das die Torys angerichtet haben“.

Barnier sieht Woche der Entscheidung

Mit dem Labour-Entschluss könnte der Brexit damit jetzt doch noch einmal mehr Aufmerksamkeit erlangen als in den Wochen davor – womöglich ein letztes Mal vor den EU-Wahlen. Auch der EU-Chefunterhändler für den Brexit, Michel Barnier, sieht diese Woche als „sehr wichtig“ an. „Wir werden die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der Labour Party und der Regierung von Theresa May erhalten“, so Barnier am Wochenende.

Barnier erinnerte daran, dass der von May mit der EU erzielte Deal „nicht verhandelbar“ sei, darüber dürfte auch bei den Gesprächen zwischen Torys und Labour Einigkeit herrschen: „Die zwei Parteien sind sich einig, dass der Deal, den wir haben, der einzig mögliche ist“, so Barnier. Lediglich die Deklaration über die künftige Beziehung zwischen der EU und Großbritannien könnte noch verändert werden.

Spätestens nächste Woche sollen die Gespräche zwischen Torys und Labour endgültig abgeschlossen sein, kündigte der Sprecher von May am Dienstag an. Man wolle die nächsten Gespräche terminlich so organisieren, dass man den Prozess „zu einem Abschluss“ bringt, zitierte der „Guardian“ den Sprecher.

Ex-Tory: EU-Wahl wär „unerwünschteste“ Wahl

Für die britische Premierministerin May wird die Zeit damit einmal mehr eng. Der von ihr mit der EU ausgehandelte Deal wurde vom britischen Unterhaus dreimal abgelehnt, Anfang April wurde von der EU angeboten, den Brexit auf spätestens 31. Oktober zu verschieben – unter der Bedingung, dass Großbritannien an der EU-Wahl teilnimmt, wenn man sich in London nicht vor dem Wahltermin auf eine Lösung für den Brexit einigt. Größter Streitpunkt ist nach wie vor die Regelung der Grenze zwischen Nordirland und Irland.

Die Teilnahme an der EU-Wahl wurde von May in der Vergangenheit abgelehnt, erst Ende März sagte sie, es sei „inakzeptabel“, dass man neue Abgeordnete wählen müsste, drei Jahre nachdem sich Großbritannien für einen Ausstieg aus der EU entschieden habe. Ex-Tory-Chef Iain Duncan Smith sagte der BBC am Montag, dass die EU-Wahl die „unerwünschteste Wahl“ der Geschichte in Großbritannien wäre.