Greta Thunberg
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Greta Thunberg

Feindbild der Rechtspopulisten

In den vergangenen Monaten sind unzählige Schüler und Schülerinnen dem Beispiel der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg gefolgt und sind an Freitagen auf die Straße gegangen, um gegen die Klimapolitik ihrer Regierungen zu demonstrieren. Die Kritik daran hält jedoch nach wie vor an – und richtet sich vor allem gegen Thunberg. Dass gerade sie sich als Feindbild für Rechtspopulisten eignet, hat viele Gründe.

Thunberg wurde für viele junge Menschen auf der ganzen Welt zu einem großen Vorbild. Die von ihr angestoßenen Klimaproteste haben bereits beträchtliche Dimensionen angenommen – jedoch nicht zur Freude aller. Gerade aus rechten Kreisen schlägt ihr viel Hass entgegen, der bis hin zu Morddrohungen reicht.

AfD-Politiker verunglimpfen sie als „armes Kind, das einen Psychotherapeuten braucht“, im Umfeld der Identitären zieht man Nazi-Vergleiche. Der Chefredakteur des rechten Magazins „Alles Roger“, Roland Hofbauer, spricht von Thunberg als „hässliches Mäderl mit fettigen Zöpfen“, und er findet die Unterstellung witzig, sie würde an einem Fetalen Alkoholsyndrom leiden.

Wie aber kann ein 16-jähriges Mädchen zu einem Feindbild werden? Thunberg bietet laut der Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak gleich auf mehrere Weisen eine Angriffsfläche: Jene, die Thunberg attackieren, seien oftmals auch die gleichen, die den menschengemachten Klimawandel leugnen. Zudem widerspreche die, noch dazu erfolgreiche, Aktivistin in vielen Punkten dem traditionellen Frauenbild der Rechtspopulisten und Rechtsextremisten.

Demonstranten
APA/dpa/Oliver Berg
Thunberg inspirierte Jugendliche aus 2.000 Städten in mehr als hundert Ländern zu „Schulstreiks für das Klima“

„Kampfrhetorik“: Kritik auf persönlicher Ebene

Auffallend sei, dass die Kritik überwiegend nicht auf einer sachlichen, sondern auf einer persönlichen Ebene stattfinde, so Wodak gegenüber ORF.at. Wenn sich die Attacken etwa gegen ihr Erscheinungsbild oder ihre Asperger-Diagnose richten, verrät das jedoch mehr über die Rechtspopulisten als über das Mädchen selbst: Hier finde Kritik „ad hominem“ statt, so Wodak. Verstanden wird darunter ein Scheinargument, in dem die Position des Gegners durch Angriff auf dessen persönliche Umstände und Eigenschaften angefochten wird.

Das sei nicht nur typisch dafür, wie solche Feindbilder erzeugt werden, sondern auch eine bewusste Strategie der Rechtspopulisten und Rechtsextremen, die „sehr stark auf Kampf“ ausgerichtet sei. Es handle sich um keine Argumentation im klassischen Sinne, wo man versuche, eine Lösung oder einen Kompromiss für ein Problem zu suchen, sondern es gehe immer darum, den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen und (vermeintlich) wunde Punkte hervorzuheben.

„Das kann am besten dadurch geschehen, wenn man völlig unsachlich wird. So wird es dem Gegner unmöglich gemacht, eine sachliche Argumentation entgegenzustellen“, so die Sprachwissenschaftlerin. Als „bestes Beispiel“ für Ad-hominem-Kritik in Form von brutalen Beleidigungen nennt sie US-Präsident Donald Trump.

Thunberg selbst nahm bereits Anfang des Jahres zu den Vorwürfen Stellung. Auf Facebook schrieb sie: „Ich bin nur die Überbringerin der Nachricht, und doch bekomme ich diesen ganzen Hass. Dabei sage ich nichts Neues.“

Verschwörungstheorien anstelle von Fakten

Neben persönlichen Angriffen wird Thunberg auch mit allerlei Verschwörungstheorien konfrontiert. So heißt es etwa, sie sei eine Marionette ihrer Eltern, die mit ihr ein Vermögen verdienen. Als „Beweis“ diene ein kürzlich veröffentlichtes Buch, das ihre Eltern über ihre Tochter geschrieben haben – jedoch lange vor ihrem Ruhm. In Gretas Stellungnahme ist zudem zu lesen, dass die Familie die Tantiemen an gemeinnützige Organisationen spende.

Doch auch der deutsche Publizist Sebastian Sigler schrieb von „Greta als Opfer ihrer Eltern“, die „dank gekonnter PR zur Projektionsfläche für Tausende von Kindern frustrierter Altlinker und aggressiver Kommunisten“ geworden sei. Wodak meint dazu: „Indem Thunberg als instrumentalisiertes Opfer ihrer Eltern dargestellt wird, macht man sie zu einem Objekt. Ihr wird die Eigenständigkeit abgesprochen, selbst zu entscheiden, wofür sie steht und wofür nicht.“ Zudem umgehe man mit dieser Argumentation wieder eine sachliche Auseinandersetzung.

„Es wird wieder völlig vom Thema abgelenkt. Man setzt sich nicht mit dem Klimawandel auseinander, sondern mit ihren Eltern. Man müsste sagen, es ist völlig egal, ob sie von ihren Eltern ausgenützt wird oder nicht, wichtig ist, was sie sagt“, so die Sprachwissenschaftlerin. Ähnlich verhalte es sich mit der Kritik an den schuleschwänzenden Schülern und Schülerinnen. Auch diese sei lediglich der Versuch, dem eigentlichen Thema auszuweichen.

„Sie können auf einer Sachebene nicht gewinnen“

Der vom Menschen verursachte Klimwandel passe eben nicht in die Ideologie der nativistischen Nationalisten, wo alles mit „naturgegeben“ erklärt werde, so Wodak. Dennoch sei es erstaunlich, dass es trotz der derartig gewaltigen Menge an wissenschaftlichen Erkenntnisse einen so großen Widerstand gebe.

Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf sieht die Verschwörungstheorien und persönlichen Angriffe auf Thunberg als Abwehrreaktion. „Ich glaube, das hat damit zu tun, dass man der Überbringer einer schlechten Nachricht ist. Diese Menschen sind hilflos, weil sie auf einer Sachebene nicht gegen die Wissenschaft gewinnen können“, sagt Rahmstorf gegenüber der „SZ“.

Laut Wodak sei es aber gerade für demokratisch pluralistische Gesellschaften befremdlich, dass Expertenmeinungen heutzutage so diskreditiert würden. „Das war früher nicht so der Fall. Das ist eine ganz starke Intervention der Politik in die Wissenschaft“, so Wodak, die die „wissenschaftliche Freiheit“ ähnlich wie auch die damit zusammenhängende Meinungs- und Pressefreiheit momentan massiv angegriffen sieht.