Eine Frau öffnet ihre Geldbörse
ORF.at/Christian Öser
WIFO-Chef

Lob und Tadel für Steuerreform

Die geplante Steuerreform der Regierung sieht im Endausbau Entlastungen um 6,5 Mrd. Euro jährlich vor. Die Reform werde „schon eine substanzielle Entlastung“ bringen, aber „nicht wirklich eine Systemreform“, sagte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) Christoph Badelt in der ZIB2 am Abend – präsentiert wurde die Steuerreform am Dienstag.

Der Wirtschaftsforscher hätte sich „mehr erhofft“ – und nicht nur, dass man „im System bleibt und die Sätze senkt“. Aber auch unter der neuen Regierung seien bisher große Reformen, die Ausgabensenkungen bringen, nicht auf den Weg gekommen – wohl wegen der „internen Entscheidungsstrukturen und der Rolle der Bundesländer“, sagte Badelt.

Und so werde die hohe Besteuerung des Faktors Arbeit mit dieser Reform nicht grundsätzlich verändert – auch wenn es ein paar „gescheite Schritte“ dazu etwa mit Senkung der Krankenversicherungsbeiträge gebe. Gegenfinanziert werden müssten – vom Volumen von 6,5 Mrd. Euro – wohl noch ein bis zwei Mrd. Euro, die nicht durch Haushaltsüberschüsse abgedeckt sind, sagte Badelt unter Hinweis auf die revidierten mittelfristigen Prognosen. Das geschehe meist durch kurzfristige Einsparungen etwa bei Subventionen – und wieder nicht nachhaltig, zeigte er auch hier „gemischte Gefühle“.

Schulnote „zwei bis drei“

Kein großes Problem sieht der WIFO-Chef darin, dass die kalte Progression mit dieser Steuerreform nicht abgeschafft wird. Die Kritik, dass sich damit Steuerzahler immer die Reform selbst zahlen, hält er nämlich für „ein bisschen politische Taktik“. Denn kein Finanzminister könne Geld ausgeben, das er nicht vorher über Steuern eingenommen habe. Und mit den durch die kalte Progression angehäuften Mitteln könnten immer wieder mit Steuerreformen neue politische Entscheidungen und Schwerpunkte gesetzt werden. Insgesamt gab Badelt der Regierung für die Steuerpläne die Schulnote „zwei bis drei“.

WIFO-Chef Badelt zur Steuerreform

Der Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), Christoph Badelt, beurteilt im ZIB2-Interview die bisher bekannten Pläne für die Steuerreform.

Eckpunkte der Reform

Die Regierung stellt am Dienstag ihre Steuerreform vor. Die Eckpunkte sind seit dem Wochenende bekannt: Bis zum Wahljahr 2022 sollen die Steuern in mehreren Schritten um 6,5 Mrd. Euro sinken. Der Großteil entfällt auf die Lohn- und Einkommensteuer, aber auch die Gewinnsteuer für Unternehmern wird reduziert. Die Abschaffung der kalten Progression soll dann nach der Wahl schlagend werden.

Grafik zur Lohnsteuer
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Kernpunkt der Reform ist die Senkung der unteren drei Einkommensteuertarife für Arbeitnehmer und Selbstständige (von 25, 35 und 42 Prozent auf 20, 30 und 40). Die oberen drei Steuersätze für Jahreseinkommen über 60.000 Euro bleiben zwar unverändert, dennoch profitieren von der Steuersenkung auch Besserverdiener, weil auch sie zuerst die niedrigeren Tarifstufen durchlaufen, ehe ihre höheren Einkommensteile mit den höheren Steuersätzen von 48, 50 und (ab einer Million Euro) 55 Prozent besteuert werden. Explizit auf Geringverdiener gemünzt ist die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen. Die Maßnahmen sollen ab 2020 in mehreren Jahresschritten in Kraft treten.

Zweiter Schwerpunkt der Reform ist die Senkung der Gewinnsteuer für Unternehmen: die Körperschaftsteuer sinkt in zwei Schritten (2022 und 2023) von 25 auf 23 und dann 21 Prozent. Zusätzlich ist noch eine Reihe kleinerer Maßnahmen geplant – von der steuerfreien Gewinnbeteiligung bis hin zu erleichterten Pauschalierungen für Kleinunternehmen. Die Abschaffung der kalten Progression hat die Koalition zuletzt auf das Ende der Legislaturperiode verschoben – mit Wirksamkeit nach der Wahl.

Steuern sollen um 6,5 Mrd. Euro sinken

In Summe senkt die Regierung die Steuern bis 2022 um 6,5 Mrd. Euro, wobei in der Regel ein Drittel auf Länder und Gemeinden entfällt. Inklusive bereits beschlossener Steuersenkungen (Familienbonus, Umsatzsteuer auf Übernachtungen) sinken die Einnahmen des Staates sogar um 8,3 Mrd. Euro. Zum Vergleich: In etwa so viel Geld gibt die Regierung für Polizei, Justiz, Bundesheer, Finanzämter und Umweltschutz aus (8,5 Mrd. Euro).

Steuerreform wird präsentiert

Am Dienstag wird die Steuerreform von der Regierungsspitze offiziell präsentiert, bis konkrete Gesetze vorliegen, wird es aber noch Monate dauern, und bis die gesamte Reform in Kraft ist, sogar noch Jahre.

Die gesamte Entlastung will die Regierung bugdetneutral finanzieren, also keine neuen Schulden dafür machen. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) sagte gegenüber Ö1, dass die Reform bis 2023 bereits in der Budgetplanung berücksichtigt sei. Die dafür vorgesehenen Einsparungen in den Ministerien werden allerdings erst im Sommer verhandelt – im Rahmen der Budgetverhandlungen.

Weitere Details in nächsten Wochen und Monaten

Details für einen guten Teil der Finanzierung ließ die Regierung vorerst offen. So soll eine Milliarde durch bereits im letzten Ministerrat vereinbarte Maßnahmen hereinkommen, mit denen „im System“ gespart werden solle. Eine weitere Milliarde soll durch zusätzliche Maßnahmen erzielt werden, wobei die Details dazu im Rahmen der Budgetgespräche ab Juli erarbeitet werden sollen.

Die detaillierte Ausgestaltung der Entlastungsmaßnahmen werde „in den nächsten Wochen und Monaten erfolgen“, hieß es seitens des Finanzministeriums. Die einzigen bisher bekannten Steuererhöhungen sind 200 Mio. Euro, die durch eine Onlinewerbeabgabe sowie durch das Schließen von Steuerlücken bei der Einfuhrumsatzsteuer hereinkommen sollen („Digitalsteuer“).

Entscheidend für das Gelingen wird wohl wie bei jeder Steuerreform sein, dass die Konjunkturprognosen halten. Laut Ö1 ist ein Wachstum von mindestens 1,5 Prozent jährlich nötig. Laut Frühjahrsprognose der Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS wird das Ziel heuer und 2020 erreicht. Im Beitrag wurde darauf verwiesen, dass das Regierungspapier viele Ankündigungen enthalte und Vorhaben, die über mehrere Jahren gehen. Abzuwarten bleibe auch, ob es Streichungen und Kürzungen bei Sozialleistungen – etwa bei Gesundheit und der Arbeitsmarktpolitik – geben werde. Davor hatte die Opposition bereits am Wochenende eindringlich gewarnt.

Gewerkschaft kritisiert unkonkrete Zahlen

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bemängelte, dass häppchenweise unkonkrete Zahlen präsentiert würden, aber immer noch keine Fakten auf dem Tisch lägen. Katzian verwies darauf, dass die Arbeitnehmer für 80 Prozent der Steuern aufkommen. Statt dieser Ungerechtigkeit entgegenzuwirken, spiele die Regierung nahezu täglich mit neuen, unkonkreten Zahlen. Kritisch sieht Katzian auch die Ankündigung, eine Steuerreform ohne wirkliche Gegenfinanzierung durchzuziehen. Das angekündigte Sparen im System bedeute meist „Kürzungen bei Gesundheit, Bildung und Sozialleistungen“.

SPÖ: „Gefährliche Drohung“

Als „gefährliche Drohung“ wertete auch SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer das angekündigte Sparen im System. „Das hat bis jetzt bedeutet: Kürzungen bei der Mindestsicherung, bei Arbeitsmarktprogrammen oder bei Gewaltschutz von Frauen. Großzügig ist die Regierung nur, wenn es um ihre Ministerbüros und Regierungswerbung geht“, meinte Krainer.

NEOS: „Lercherlschas“

Laut NEOS-Sprecher Sepp Schellhorn sind 6,5 Mrd. Euro Entlastung „in Anbetracht der kalten Progression“, die der Finanzminister den Österreicherinnen und Österreichern „aus der Brieftasche zupft, ein Lercherlschas“. Die Menschen müssten sofort entlastet werden und nicht erst 2020/21, so Schellhorn im Ö1-Mittagsjournal. Außerdem erinnerte er daran, dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Wahlkampf eine Entlastung von zwölf bis 14 Mrd. Euro versprochen hatte, nun aber 6,5 Mrd. Euro im Raum stehen.

Jetzt: Bemerkenswert, „was fehlt“

Da die Finanzierungslücke bereits vor der Erhöhung des Volumens bei über zwei Mrd. Euro gelegen sei, befürchtet Jetzt-Klubobmann Bruno Rossmann, „dass es zu tiefen Einschnitten im Sozialsystem kommen wird“. Das Bemerkenswerteste sei aber ohnehin „das, was fehlt. Eine echte Ökologisierung bleibt aus, Vermögen werden weiterhin geschont, und die Treffsicherheit bei der dringend nötigen Entlastung der Arbeitseinkommen lässt zu wünschen übrig.“

ATTAC: „Ruinöses Steuerdumping“

Wie Rossmann kritisierte auch die globalisierungskritische Organisation ATTAC die angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer auf Unternehmensgewinne um 1,5 Mrd. Euro auf 21 Prozent. „Die Regierung heizt damit das ruinöse Steuerdumping in Europa weiter an, anstatt sich endlich für Mindeststeuersätze einzusetzen“, kritisierte David Walch von ATTAC.