Lego-Figuren halten eine Styroporkugel mit der Aufschrift „Steuern“
ORF.at/Christian Öser
Steuerreform

„Regierung muss die Hausaufgaben machen“

Die Regierungsspitzen haben am Dienstag ihre Steuerreform nun auch offiziell präsentiert und viel Lob aus den eigenen Reihen erhalten. Die Oppositionsparteien sehen hingegen Versäumnisse und Lücken. Experten sehen positive Aspekte und loben die Entlastung – doch damit die Pläne auch realistisch bleiben, sei noch viel zu tun.

Viel von der angekündigten Steuerreform der ÖVP-FPÖ-Regierung war schon im Vorfeld bekannt gewesen. Am Dienstag luden Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zur offiziellen Präsentation ins Bundeskanzleramt. Die Entlastung wurde mit 6,5 Mrd. Euro bis 2022 beziffert. Die Steuerreform sei anders als vorherige, weil weder neue Schulden gemacht noch neue Steuern eingeführt würden, sagte Kurz.

Von den Fachleuten des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO kam sowohl Lob als auch Kritik. Die Reform werde „schon eine substanzielle Entlastung“ bringen, aber „nicht wirklich eine Systemreform“, hatte WIFO-Chef Christoph Badelt schon am Montag in der ZIB2 gesagt. Insgesamt gab Badelt der Regierung für die Steuerpläne die Schulnote „zwei bis drei“. Nach der offiziellen Präsentation am Dienstag wollte WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal die Pläne lieber qualitativ beurteilen.

Hans Bürger (ORF) über die Steuerreform

Bei Fragen zur Gegenfinanzierung der Steuerentlastung ist Bundeskanzler Kurz (ÖVP) etwas vage geblieben. Hans Bürger analysiert.

Vom Volumen her sei die Steuerreform die größte seit Anfang des Jahrtausends. Sie sah darin „einige positive strukturelle Akzente“ und eine „spürbare Entlastung des Faktors Arbeit“, etwa durch die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge, die auch untere Einkommen betrifft. Auch die Lohnsteuersenkung werde dazu beitragen, so Schratzenstaller – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Reformen im Spitalswesen fehlen

Die Finanzierung sei „grundsätzlich aus heutiger Sicht realistisch“, doch müsste noch konkretisiert werden, wo die Regierung einsparen wolle. Sie vermisse an den Plänen zur Gegenfinanzierung aber große Strukturreformen, etwa im Spitalswesen. Hier gebe es nur „kurzfristige, aber nicht nachhaltige Maßnahmen“. Auch falle die Ökologisierung nur leicht aus, dadurch gebe es nicht mehr Spielraum für anderes, zudem trage die Steuerreform damit nicht zum Erreichen von Klimazielen bei. „Was fehlt, ist eine gründliche Durchforstung der Ausnahmeregelungen“, so Schratzenstaller, etwa von Pendlerpauschale und Dieselprivileg, sowie eine Bestrafung von umweltschädlichem Verhalten.

Ob es tatsächlich wie von der Regierung angekündigt keine neuen Steuern und Schulden geben wird, das hänge von Einsparungen und Konjunktur ab. Wenn diese beiden Faktoren nicht halten, was sie derzeit versprechen, „dann werden neue Schulden gemacht werden müssen“, so die Expertin: „Was jetzt wichtig ist, ist, dass die Regierung ihre Hausaufgaben macht.“

Abhängig von Wirtschaftslage

Für den Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, gehen die Steuerreformpläne in die „richtige Richtung“. Die Abgabenquote, deren Senkung von nahezu allen Experten gefordert wurde, werde reduziert, sagte Kocher im APA-Gespräch, „und zwar ohne einnahmenseitige Maßnahmen“. Wermutstropfen sei jedoch, dass die Steuerreform über einen längeren Zeitraum erfolge. Und auch Kocher kritisierte die zaghafte Ökologisierung.

Das sei aber der Maxime geschuldet, dass die Regierung keine neuen Schulden machen will, so Kocher. Zu den Gegenfinanzierungsmaßnahmen seien Vorhersagen „generell“ schwierig, da sie zum Teil konjunkturabhängig seien. „Die Regierung muss darauf hoffen, dass die Konjunktur einigermaßen stabil bleibt.“ Jedenfalls werde aber der „strikte Budgetvollzug“ eine unerlässliche Voraussetzung bilden, so der Experte: „Sonst wird es schwierig." Auch er forderte „ein substanzielles Angreifen der Ausgabenseite“. Die großen Reformen in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Pflege und Pensionen sehe er aber nicht.

Regierung zufrieden mit „großem Wurf“

Wirtschaftskammer (WKÖ), Wirtschaftsbund, Volkspartei und Freiheitliche lobten am Dienstag erwartungsgemäß die Pläne. Die Steuerreform sei „ein wichtiges Signal für den Wirtschaftsstandort, unsere Unternehmen, deren Mitarbeiter und ihre Familien“, so etwa WKÖ-Präsident Harald Mahrer in einer Aussendung.

Die Industriellenvereinigung freute sich zwar über die angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer auf 21 Prozent bis 2023. Das zeige in die richtige Richtung, „hätte aber im Sinne des Standortes mutiger ausfallen können“, sagte Präsident Georg Kapsch in einer Aussendung. Die ÖVP strich die Entlastung für kleine und mittlere Einkommen hervor. „Vieles, das früher nicht möglich war, ist nun möglich, nämlich die Menschen zu entlasten und gleichzeitig keine Schulden zu machen oder durch die Hintertür neue Belastungen einzuführen“, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Grafik zur Steuerreform
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BMF/Regierung

Die Freiheitliche Wirtschaft sah das „Ende der sozialistischen Belastungspolitik“ eingeleitet. Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezeichnete die Steuerreform als "großen Wurf“, als Reform mit „Hausverstand“, die „mehr Fairness und Gerechtigkeit“ für Arbeiter, Familien, Pensionisten und Kleinunternehmer bringe.

Viel Kritik der Opposition

Die Opposition sah das am Dienstag ebenfalls erwartungsgemäß anders. SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer kritisierte in einer Aussendung eine „Mogelpackung“: Großkonzerne erhielten „Steuergeschenke in Milliardenhöhe“, so Krainer. Zudem handle es sich bei der Gegenfinanzierung "um einen ungedeckten Scheck“. Für Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sei die Reform „zu wenig und zu spät“. Die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen sei zwar grundsätzlich positiv zu bewerten, insgesamt sei aber nur ein „Reförmchen“ herausgekommen. Kurz und Strache hätten ihre Wahlversprechen „mehr als deutlich“ gebrochen.

Der ÖGB bewertete die Reform als „zaghaften Schritt in die richtige Richtung mit wirklich gravierenden Makeln“. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden nicht sofort und nicht ausreichend entlastet.

Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak vermisste eine „wirklich nachhaltige Steuerreform, die Menschen und Wirtschaft entlastet sowie eine Ökologisierung des Abgabensystems bringt“. Bürgerinnen und Bürger müssten sich "die Entlastung selbst zahlen, nachdem die Abschaffung der kalten Progression auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben wurde“, so Scherak per Aussendung.

Mangel an Umweltschutzmaßnahmen

Bruno Rossmann, Klubobmann und Budgetsprecher von Jetzt, vermisste eine Strukturreform. „Die dringend nötige aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform bleibt aus. Damit wird die Chance, unsere Klimaziele doch noch zu erreichen, verpasst. Vermögen werden zudem weiterhin geschont.“ Die Gegenfinanzierung sei eine Trickserei.

Auch Grünen-Bundessprecher Werner Kogler vermisste die Ökologisierung. „Vom Volumen her ist das nicht der Rede wert“, sagte er. Die wirkliche Krux sei aber, dass die Reform vor allem Vorteile für Unternehmen bringe. Zudem werde etwas versprochen, das erst 2022 kommen solle; für Kogler ein Hinweis auf die „Turbo-Vergrasserung“ der Bundesregierung.

Kritik kam auch von Umweltorganisationen, die in der Steuerreform keine Schritte zur Ökologisierung sahen. Es handle sich um ein „folgenschweres Versäumnis im Kampf gegen die Klimakatastrophe", so Greenpeace. Die Organisation forderte eine CO2-Abgabe, eine Steuerbefreiung für den öffentlichen Verkehr und das Streichen klimaschädlicher Subventionen. Global 2000 kritisierte „einen großen blinden Fleck“ beim Thema Klimaschutz. Es würden trotz Lippenbekenntnissen entscheidende Reformen ausgelassen.