Finanzminister Löger
APA/Herbert Neubauer
Regierungspläne

Finanzierung der Steuerreform bleibt vage

Die gute Konjunktur spielt der Regierung für die Umsetzung der am Dienstag präsentierten Steuerreform in die Hände. Darauf basiert auch ein Großteil der geplanten Aktivitäten, die Entlastung großer Teile der arbeitenden Bevölkerung zu finanzieren. Kritiker der Reform sprechen von einem „ungedeckten Scheck“.

„Die Regierung muss darauf hoffen, dass die Konjunktur einigermaßen stabil bleibt“, ist auch der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, überzeugt. Denn die ÖVP-FPÖ-Koalition will es bei dieser Steuerreform mit einem Volumen von gesamt 8,3 Mrd. Euro (inklusive Familienbonus und anderer bisher erfolgter Erleichterungen) anders machen und weder neue Schulden machen noch neue Steuern einführen. „Es ist eine ehrliche Reform, wir machen keine neuen Schulden (…)“, sagte ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger bei der Präsentation.

Das Ziel der Regierung, die Abgabenquote Richtung 40 Prozent zu senken, sieht Kocher jedenfalls bis 2022 als realistisch an. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) rechnet mit positiven Auswirkungen der Reform auf den Konsum, der wiederum die Wirtschaft ankurble. Eine halbe Milliarde erwartet sich die Regierung aus diesem Effekt der „Selbstfinanzierung“. Mit Maßnahmen, die den Wirtschaftsstandort attraktiver gestalten sollen – wie etwa die geplante schrittweise Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt) –, will die Regierung die Arbeitslosigkeit reduzieren.

„Ausgabendisziplin, strenger Budgetvollzug“

Die Heraufsetzung des tatsächlichen Pensionsalters soll ebenfalls eine Milliarde Euro pro Jahr bringen. Wie das Antrittsalter erhöht werden soll, ließ die Regierung aber offen. An der gesetzlichen Pensionsgrenze will die Koalition nicht rütteln. Auch in der Verwaltung solle eingespart werden. Kurz: „Es wird nur mehr jede dritte Planstelle nachbesetzt.“

Die Regierung setzt auf „Ausgabendisziplin, strengen Budgetvollzug sowie zusätzliche Einsparungen in der Verwaltung und bei Förderungen“, so ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Zur Finanzierung der Entlastungen sind laut Regierung 2,2 Mrd. Euro im Finanzrahmen eingeplant, 1,8 Mrd. Euro sollen durch Budgetüberschüsse finanziert werden, 1,5 Mrd. Euro durch neue Einsparungen.

Regierung präsentierte Steuerreform

Am Dienstag wurde die Steuerreform der Regierung präsentiert. Viele der darin enthaltenen Entlastungen greifen erst in den kommenden Jahren. Einige Fragen bleiben nach wie vor offen.

500 Mio. Euro zusätzliche Einnahmen geplant

500 Mio. Euro will die Regierung durch zusätzliche Einnahmen auftreiben. 120 Mio. Euro (40 Mio. pro Jahr) sollen über die fortgesetzte Valorisierung der Tabaksteuer lukriert werden. Diese wurde heuer erstmals ausgesetzt. Aus dem Digitalsteuerpaket erhofft sich Löger 200 Mio. Euro. Auch die Anschaffung klimaschädlicher Neuwagen soll teurer werden. Sowohl die Normverbrauchsabgabe (NoVA) als auch die motorbezogene Versicherungssteuer sollen dafür „aufkommensneutral“ umgestaltet werden. Weitere Schritte zur Ökologisierung des Steuersystems sollen laut Kurz bis zur nächsten Nationalratswahl, die regulär 2022 stattfindet, folgen.

IHS-Chef Kocher bezeichnete Vorhersagen zu den geplanten Gegenfinanzierungsmaßnahmen als schwierig, da sie zum Teil konjunkturabhängig seien. Auch Teile der Opposition vermissen eine klare Finanzierungsstrategie. Kurz verteidigte die Linie der Regierung in puncto Gegenfinanzierung: „Wenn ich jetzt darüber hinaus Details nenne, wird das die Opposition verdrehen, um monatelang Ängste zu schüren und das Land zu spalten.“

Nach eigenen Berechnungen des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC sei damit zu rechnen, dass jede Steuersenkung ohne Gegenfinanzierung wie etwa höhere Vermögenssteuern zu einem Abbau an öffentlichen Leistungen oder zu neuen Schulden führe. Es sei daher spätestens beim nächsten wirtschaftlichen Abschwung mit Kürzungen und Sozialabbau zu rechnen.

Kalte Progression bleibt vorerst

Bei der Finanzierung der Reform könnte der Regierung jedenfalls die – vorläufige – Beibehaltung der kalten Progression helfen. Beobachter, darunter auch der neoliberale Thinktank Agenda Austria, sind überzeugt, dass erst deren Abschaffung eine nachhaltige Entlastung der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen brächte. Das Aus für die kalte Progression wurde zuletzt auf das Ende der Legislaturperiode verschoben und findet sich nun in den aktuellen Plänen der Regierung nicht mehr.

Eckpunkte der Steuerreform

Die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer geschieht schrittweise und wird erst 2022 voll wirksam. Die kalte Progression wird nicht abgeschafft.

Kurz sagte, er wolle diese zwar auch „angehen“ und bis zum Ende der Legislaturperiode noch eine „Veränderung“ durchführen. Seine Skepsis der Abschaffung gegenüber ist aber offenbar größer geworden. Die Entscheidung für diese Form der Steuerreform sei bewusst gewählt worden: „Ein reines Aus der kalten Progression halte ich nicht für besonders sozial. Das würde Spitzenverdiener begünstigen. Jetzt profitieren kleinere und mittlere Einkommen.“ Den Vorwurf, dass die kalte Progression die zusätzliche Entlastung übersteige, wies die Regierung allerdings gleich bei der Präsentation zurück. Dafür sei das Gesamtvolumen zu hoch.

Einkommensteuer sinkt in Raten

Stolz zeigte sich Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), dass drei Viertel des Volumens der gesamten Reform Kleinst- und Kleineinkommen sowie Pensionisten zugutekämen. Im kommenden Jahr soll der Sozialversicherungsbonus greifen. Die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge soll vor allem Geringverdiener unterstützen. Mitarbeiter, die zum Erfolg ihres Unternehmens beitragen und dafür mit einer Prämie belohnt werden, können diese bis zu 3.000 Euro pro Jahr ab 2022 steuerfrei lukrieren. Die Regierung nennt das „Mitarbeitererfolgsbeteiligung“.

2021 beginnt die Senkung des untersten Einkommensteuertarifs von 25 auf 20 Prozent. Die Tarifreduktion der unteren drei Einkommensteuertarife ist das Kernstück der Reform. Sie kommt gestaffelt. 2022 reduziert sich auch der 35-prozentige Tarif auf 30 Prozent, die 42-Prozent-Stufe wird auf 40 Prozent verringert.

Grafik zur Lohnsteuer
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Die oberen drei Steuersätze für Jahreseinkommen über 60.000 Euro bleiben zwar unverändert. Aber auch Besserverdienende profitieren von der Steuersenkung, weil auch sie zuerst die niedrigeren Tarifstufen durchlaufen, ehe ihre höheren Einkommensteile mit den höheren Steuersätzen von 48, 50 und (ab einer Million Euro) 55 Prozent besteuert werden. In Summe sind für die Lohnsteuersenkung 3,9 Mrd. Euro eingeplant.

Nach Regierungsangaben erhalten Kleinverdiener mit 1.500 Euro Monatsbrutto damit im Jahr 2022 eine Entlastung von 528 Euro jährlich, bei 2.500 Euro sind es 722 Euro. Die maximale Entlastung für Arbeitnehmer mit Monatsbruttoeinkommen ab 6.000 Euro liegt bei 1.661 Euro.

Weniger Gewinnsteuer für Unternehmen

Ebenfalls für das Wahljahr kündigte die Regierung die von der Wirtschaft geforderte Senkung der Körperschaftssteuer auf Unternehmensgewinne an. Sie soll in einem ersten Schritt von 25 auf 23 Prozent sinken und nach der Wahl bis 2023 auf 21 Prozent. In Summe kostet das 1,6 Mrd. Euro. Derzeit liegt der Körperschaftssteuersatz für juristische Personen bei 25 Prozent – im EU-28-Durchschnitt sind es 21,9 Prozent.

Das ist die erste Senkung der KöSt seit der schwarz-blauen Steuerreform 2004/05. Davor lag der Satz bei 34 Prozent. Neben der Gewinnsteuerreduktion sind noch kleinere Maßnahmen wie erleichterte Pauschalierungen für Kleinunternehmen und die Erhöhung des Grundfreibetrags von 30.000 auf 100.000 Euro vorgesehen. Die Reform der KöSt begünstigt allerdings nicht Unternehmen, die Gewinne wieder investieren, wie von der Industriellenvereinigung gefordert worden war. Löger begründete das mit der administrativen Vereinfachung und EU-rechtlichen Vorgaben. Dann hätten nämlich auch Investitionen im europäischen Ausland gefördert werden müssen.

Neues Einkommensteuergesetz geplant

Mit 2021 soll ein völlig neu geschriebenes Einkommensteuergesetz in Kraft treten. Daraus will die Regierung eine weitere Steuerersparnis von 200 Mio. Euro weitergeben. Die Gesetze für die nun angekündigte Steuerreform sollen laut Regierung noch vor dem Sommer im Nationalrat beschlossen werden. Teil davon wird auch die Abschaffung von Bagatellsteuern wie die Schaumweinsteuer sein.

Diese habe der Wirtschaft „nicht gutgetan“, so der FPÖ-Staatssekretär im Finanzministerium, Hubert Fuchs. Sie umfasst ein Volumen von 20 Millionen Euro. Mit 1. April 2022 soll diese Steuer fallen. Die heimischen Sekthersteller sind unzufrieden mit der späten Abschaffung. „Drei weitere Jahre Schaden“ seien eine „Provokation für die Wein- und Sektwirtschaft.“