Maskierter Demonstrant wirft Gegenstände ins Feuer
APA/AFP/Anne-Christine Poujoulat
Maiaufmärsche

Festnahmen in vielen Städten

Proteste und Kundgebungen am 1. Mai haben in zahlreichen Städten zu Ausschreitungen geführt. In Frankreich kam es einmal mehr zu wüsten Szenen, als sich Militante unter Demonstrierende mischten. Hunderte Menschen wurden festgenommen. In Istanbul versuchten Regierungsgegner dem Demonstrationsverbot zu trotzen.

Die Kundgebungen zum Tag der Arbeit verliefen nicht allerorts friedlich. Vor allem in Frankreichs Hauptstadt kam es erneut zu schweren Krawallen. Am Rande einer Gewerkschaftskundgebung im Süden von Paris warfen militante Demonstrierende Steine und andere Gegenstände auf die Sicherheitskräfte, die wiederum Tränengas und Blendgranaten einsetzten. Bis zum Abend wurden mindestens 330 Menschen festgenommen, etwa 220 kamen in Polizeigewahrsam, wie der Nachrichtensender BFMTV unter Berufung auf die Behörden bilanzierte. Es habe mindestens 38 Verletzte gegeben.

Über den Straßen hingen Tränengasschwaden, Mülltonnen brannten. In der Hauptstadt gab es rund 18.000 „vorbeugende Kontrollen“, hauptsächlich von Taschen. Bereits vor einem Jahr hatte es in Paris schwere Krawalle gegeben. In ganz Frankreich gingen mindestens 164.500 Menschen auf die Straße. An den Kundgebungen nahmen auch viele Anhängerinnen und Anhänger der „Gelbwesten“-Bewegung teil, die seit November gegen die Reformpolitik von Staatschef Emmanuel Macron protestiert. Innenminister Christophe Castaner hatte den Einsatz von mehr als 7.400 Sicherheitskräften in der Hauptstadt angekündigt.

Le Pen beschuldigt Regierung

Nach den Ausschreitungen in der Seine-Metropole entwickelte sich rasch politischer Streit. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen griff die Mitte-Regierung von Premier Edouard Philippe an. Sie trage die Verantwortlichkeit für die Gewalttätigkeiten.

Ausschreitungen in vielen Ländern

Bei traditionellen Kundgebungen kam es international vielerorts zu Ausschreitungen.

Auch in Deutschland kam es zu Demos in mehreren Städten. Die Polizei hielt rechte und linke Teilnehmer in Sachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen mit Großaufgeboten auseinander. In Berlin und Hamburg, wo am Maifeiertag früher oftmals Krawalle stattfanden, ging es heuer friedlich zu. In Berlin zog die „Revolutionäre 1- Mai-Demonstration“ durch den Bezirk Friedrichhain. Aus Wohnhäusern wurden vereinzelt Rauchfackeln gezündet, ebenso waren bengalische Feuer zu sehen.

Auch gab es Festnahmen nach vereinzelten Stein- und Flaschenwürfen. Die Lage blieb aber weitgehend ruhig. Mehrere tausend Menschen waren auch in Hamburg dem Aufruf linksextremer Gruppen gefolgt und am 1. Mai auf die Straße gegangen. Die Polizei war auch hier mit einem Großaufgebot im Einsatz. Die Stimmung war friedlich, zu größeren Zwischenfällen kam es auch hier nicht.

Sitzblockaden gegen NPD

In Duisburg musste die Polizei bereits am Nachmittag einschreiten: Mehrere Hundertschaften hielten Demonstrationen von Rechtsextremen sowie mehrere Gegenproteste auf Distanz. Dabei sei es zu Auseinandersetzungen mit etwa 200 Personen aus dem linken Spektrum gekommen, sagte ein Sprecher. Mehrmals habe die Gruppe versucht, Polizeisperren zu durchbrechen. Die Beamten hätten Schlagstöcke und Pfefferspray, nicht aber die Wasserwerfer eingesetzt. In Dresden brachte die rechtsextreme NPD zusammen mit ihrer Jugendorganisation 150 bis 200 Menschen auf die Straße. Immer wieder hielten Sitzblockaden den geplanten Marsch durch die Innenstadt auf.

Unmut über Putin

In Russland endeten für Dutzende Menschen die Proteste in Polizeigewahrsam. In der nordrussischen Metropole St. Petersburg wurden Dutzende Menschen bei regierungskritischen Demos festgenommen. Die Nachrichtenagentur Interfax schrieb am Mittwoch unter Berufung auf die Behörden von rund 50 Festnahmen in der Stadt. Das bürgerrechtsnahe Portal OWD-Info teilte mit, es habe bei Demonstrationen am Tag der Arbeit in St. Petersburg sogar 68 Festnahmen gegeben, zudem habe es Verletzte gegeben. Auf Bildern war zu sehen, wie Polizisten Demonstranten wegtrugen.

Demonstranten laufen vor Tränengaskanistern davon
APA/AFP/Alain Jocard
In Paris kam es zu schweren Ausschreitungen

Viele Menschen hätten ihrem Unmut über die Politik von Präsident Wladimir Putin Luft gemacht, meldeten mehrere russische Medien. Teilnehmer riefen Slogans wie „Putin ist ein Dieb“, andere trugen Plakate mit der Aufschrift „Putin ist nicht unsterblich“. Der Kreml-Chef hatte zuletzt mit Gesetzen wie zur Anhebung der Lebensarbeitszeit an Zustimmung in der Bevölkerung verloren. Die Nachrichtenagentur Interfax schrieb unter Berufung auf die Polizei, rund 42.000 Menschen hätten sich in St. Petersburg an den Veranstaltungen zum 1. Mai beteiligt.

Istanbuls Taksim-Platz weiträumig gesperrt

Bei Protesten in Istanbul wurden am Mittwoch mehr als 120 Menschen festgenommen. Sie hatten versucht, trotz eines Demonstrationsverbots auf den zentralen Taksim-Platz zu gelangen, wie die Polizei mitteilte. Der Platz war weiträumig abgesperrt. Demonstranten wurden an mehreren Orten der Innenstadt von der Polizei mit Gewalt gepackt und in Bussen fortgebracht.

Die offizielle Kundgebung zum 1. Mai fand am Nachmittag im Bezirk Bakirköy statt, doch auf dem Taksim-Platz waren Proteste wie in den vergangenen Jahren verboten. Der symbolträchtige Platz und die angrenzende Istiklal-Straße waren mit Barrikaden abgesperrt, und Polizisten sicherten mit Panzerwagen und Wasserwerfern die Zugänge in den Nebenstraßen. Die gewöhnlich stark belebte Einkaufsstraße war komplett verlassen.

Demonstranten und Polizisten in Istanbul
AP/Lefteris Pitarakis
Gespannte Lage in Istanbul: Hier wurden Demonstrationen zum 1. Mai weitgehend untersagt

Die politische Situation in der Bosporus-Metropole ist dieses Jahr besonders angespannt: Nach dem Wahlsieg des Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu bei der Bürgermeisterwahl am 31. März hat die regierende AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan die Annullierung und Wiederholung des Urnengangs gefordert. Die Wahlkommission soll am Montag über den Antrag auf Neuwahlen entscheiden.

Streiks legen griechischen Verkehr lahm

In Griechenland nutzten Gewerkschaften den Feiertag für Proteste gegen Arbeitslosigkeit und für bessere Löhne. Mit einem Streik wurden weite Teile des Verkehrs lahmgelegt. Alle Fähren von und zu den Inseln der Ägais blieben in den Häfen, weil die Seeleute ihre Arbeit niederlegten. Auch die griechischen Züge fuhren am Tag der Arbeit nicht. Die U-Bahn-Fahrer legten die Arbeit mehrere Stunden nieder. Die Busse in Athen wurden für 24 Stunden bestreikt. Dies berichtete der griechische Rundfunk ERT.

Zudem gingen um die Mittagszeit Tausende Menschen in Athen und anderen Städten des Landes zu Demonstrationen auf die Straße. „Wir fordern mehr Arbeitsplätze und höhere Löhne“, skandierten sie. Die Kundgebungen verliefen weitgehend friedlich, hieß es aus Polizeikreisen. Nach Schätzungen der Gewerkschaften haben landesweit mehr als 20.000 Menschen an den 1.-Mai-Kundgebungen teilgenommen.

Arbeitslosigkeit für Papst „Tragödie“

Griechenland hat mit 18,5 Prozent die höchste Arbeitslosenrate in der EU. Mehr als 400.000 gut ausgebildete junge Menschen haben das Land wegen der schweren Finanzkrise, die seit 2010 andauert, verlassen. Zum Thema Arbeitslosigkeit meldete sich am Mittwoch auch Papst Franziskus zu Wort. Bei der Generalaudienz rief der Pontifex zu Gebeten für Menschen auf, die ihre Arbeit verloren haben oder keine Beschäftigung finden. Arbeitslosigkeit bezeichnete der Papst als „weltweite Tragödie dieser Zeit“.