Ein Mann sitzt auf einem zerstörten Fischerboot in Puri (Indien)
APA/AFP/Dibyangshu Sarkar
Zyklon „Fani“

Wie Indien das Schlimmste verhinderte

Der Zyklon „Fani“ hat am Samstag Bangladesch erreicht. An der Ostküste Indiens, wo der Wirbelsturm zuvor mit bis zu 200 km/h auf Land getroffen war, hinterließ er schwere Schäden. Dass nicht mehr passiert ist, dürfte vor allem an den Vorbereitungen der Behörden gelegen sein. Die war eine Mammutaufgabe.

In den nordöstlichen Bundesstaaten waren wegen des heranziehenden Sturms, der sich über dem Golf von Bengalen mit fast 250 km/h Spitzengeschwindigkeit aufgebaut hatte, etwa eine Million Menschen in Sicherheit gebracht worden. Der Tropensturm war laut indischen Behörden der stärkste in der Region seit etwa 20 Jahren. Dennoch blieb die Opferzahl weit unter jener nach früheren – in der Region im Frühjahr üblichen – schweren Stürmen. Mit Stand Samstag meldeten die Behörden drei Tote und zumindest 160 Verletzte. In einzelnen Medienberichten war von bis zu neun Toten die Rede.

Die Behörden hätten nichts ausgelassen, um noch Schlimmeres zu verhindern, hieß es am Samstag in der „New York Times“, die das Geschehen in Indien zuletzt intensiv verfolgt hatte – meteorologische Analysen inklusive. Die Regierungen der betroffenen Bundesstaaten hätten praktisch alles aufgefahren, was sie an Mitteln gehabt hätten, um die Bevölkerung vor dem Sturm zu warnen. Es seien 2,6 Mio. Textnachrichten verschickt worden, 43.000 Freiwillige, an die 1.000 Katastrophenschützer und unzählige Polizeikräfte im Einsatz gewesen, TV-Spots in der regionalen Sprache geschaltet worden. An der Küste hätten Sirenen vor der nahenden Gefahr gewarnt.

Enorme Wucht

„Es scheint großteils funktioniert zu haben“, schrieb die US-Zeitung unter dem Titel: „Wie rettet man eine Million Menschen vor einem Zyklon? Fragen Sie einen armen Staat in Indien“. Der Alarmzustand galt am Freitag für die Bundesstaaten Westbengalen, Andra Pradesh, Tamil Nadu und Puducherry. Auch nach Einschätzung der Tageszeitung „Times of India“ war es unter anderem den Sicherheitsmaßnahmen und deutlich präziseren Wettervorhersagen zu verdanken, das „Fani“ nicht deutlich mehr Menschen zum Opfer fielen.

Die nach einem Zyklon zerstörte Bahnstation in Puri in Indien
APA/AFP/Indian Coastguard
Schwere Schäden an Gebäuden und Verkehrsinfrastruktur

„Fani“ war gegen 8.00 Uhr Ortszeit in der Region um Puri im Bundesstaat Odisha (Orissa) auf Land getroffen. In der für Hindus heiligen Stadt, die jährlich auch Millionen Touristen besuchen, brach die Strom- und Wasserversorgung zusammen. Wegen der umfangreichen Evakuierungsmaßnahmen habe sie einer Geisterstadt geglichen, hieß es in Medienberichten. Die Windstärke von „Fani“ entsprach am Freitag einem Hurrikan der Kategorie drei (178 bis 209 km/h) bis vier (210 bis 249 km/h).

Regelmäßig schwere Tropenstürme

Zwischen April und Dezember werden der Osten und Südosten Indiens regelmäßig von heftigen Stürmen getroffen. Im Dezember 2017 kamen durch den Zyklon „Ockhi“ mehr als 250 Menschen ums Leben. Beim bisher schlimmsten Zyklon in Odisha waren 1999 fast 10.000 Menschen gestorben.

Die meisten Menschenleben in der jüngeren Geschichte – mehrere hunderttausend – hatte 1970 ein Zyklon im indisch-pakistanischen Grenzgebiet gefordert. Als Zyklone werden (mit Ausnahmen) Wirbelstürme bezeichnet, die sich über dem Indischen Ozean bzw. südlichen Pazifik bilden, im Unterschied zu Hurrikans etwa über dem Atlantik.

Schwere Schäden

Am Samstag – der Sturm hatte sich inzwischen abgeschwächt und war in das benachbarte Bangladesch abgezogen – folgte die erste Bestandsaufnahme. Es gebe schwere Schäden an der Energie- und Wasserversorgung, hieß es. Straßen- und Bahnverbindungen waren unterbrochen, Gleise beschädigt oder blockiert. Zahlreiche Häuser wurden zerstört. Der Flugbetrieb in der Region hatte sich laut „Times of India“ wieder normalisiert. Die Zeitung schrieb generell aber von „extensiven Schäden“. In der Millionenmetropole Kolkata (Bundesstaat Westbengalen) war vorübergehend der Flugbetrieb eingestellt worden.

Erste Bilanz nach dem Sturm

Erste Bestandsaufnahmen nach dem Zyklon am Samstag zeigten schwere Schäden (EBU/Reuters).

Indiens Premierminister Narendra Modi hatte schon am Freitag laut einem Bericht des US-Fernsehsenders CNN Soforthilfen von umgerechnet knapp 127 Mio. Euro versprochen. Die Zentralregierung stehe hinter allen von dem Sturm betroffenen Menschen, zitierten ihn indische Medien.

Sturm erreichte inzwischen Bangladesch

Katastrophenschutz (National Disaster Response Force, NDRF), Küstenwache, Armee und Marine waren im Einsatz. „Fani“ war über dem Golf von Bengalen östlich von Sri Lanka entstanden, zog dann in Richtung der indischen Ostküste und anschließend in das Nachbarland Bangladesch – allerdings nur noch als vergleichsweise schwächerer Tropensturm. Laut Berichten vom Samstag erreichte der Sturm Bangladesch mit einer Geschwindigkeit von knapp 90 km/h. In der Hauptstadt Dhaka und einigen Küstengebieten gab es starke Regenfälle, einige Häfen waren aus Sicherheitsgründen geschlossen worden.