Schmetterling
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Artenvielfalt

Wichtiger Schritt für weltweiten Schutz

Ein Papier mit Kernaussagen zur globalen Artenvielfalt ist am Samstag bei einer Weltkonferenz in Paris von allen Mitgliedsstaaten unterzeichnet worden. Die abgestimmte Zusammenfassung soll am Montag veröffentlicht werden, teilte der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) mit.

Ziel des Artenvielfaltberichts ist ein weltweit akzeptierter gemeinsamer Sachstand zu Lage, Problemen und möglichen Lösungen – ähnlich den Papieren des Weltklimarats IPCC für den Klimawandel.

Ein solcher globaler Check war zuletzt vor 14 Jahren präsentiert worden. Für die Neuauflage trugen 150 Experten aus 50 Ländern drei Jahre lang vorhandenes Wissen aus Tausenden Studien zusammen. Sie prüften unter anderem, wie weit die Welt bei bereits vereinbarten Artenschutzzielen gekommen ist. Bei der Konferenz debattierte der Weltbiodiversitätsrat, eine Organisation der Vereinten Nationen, nun mit Delegierten von mehr als 130 Ländern über die Ergebnisse.

Meeresschildkröte
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Auch viele Meerestiere sind vom Aussterben bedroht

Grundlage für Politik

Die abgestimmten Kernaussagen sollen als Handlungsgrundlage etwa für Politiker dienen. Die Zerstörung der Artenvielfalt sei ebenso schwerwiegend wie der Klimawandel, hatte IPBES-Präsident Robert Watson zum Auftakt der Konferenz am Montag gesagt. Beide müssten gemeinsam bekämpft werden. „Wir müssen unseren Planeten wieder großartig machen“ („We Have to Make Our Planet Great Again“), bediente sich Watson beim zentralen Slogan von US-Präsident Donald Trump, der selbst Umweltschutzmaßnahmen radikal zurückfährt.

Wie unsere Welt in Zukunft aussehen könnte, stellen die IPBES-Autoren in sechs Szenarien dar – etwa unter der Annahme, dass die Menschheit weiter macht wie bisher oder lernt, global oder regional nachhaltig zu wirtschaften. Der Bericht soll unter anderem eine Grundlage für die nächste Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD) 2020 im chinesischen Kunming sein.

„Kritischer Moment“

Audrey Azoulay, Generaldirektorin der UNESCO, bezeichnete die Konferenz als „historisch“. „Die Notlage bringt uns zusammen“, so Azoulay. Man müsse nun zusammenarbeiten – vor allem mit Blick auf künftige Generationen. Nach dieser Konferenz könne niemand mehr sagen, dass er nicht gewusst habe, wie dramatisch die Lage sei. Der IPBES-Bericht sei das Ergebnis jahrelanger Arbeit und konfrontiere alle Beteiligten damit, was getan werden müsse. „Wir wissen, dass das ein kritischer Moment in der Menschheitsgeschichte ist.“

„Wir drehen am Thermostat der Erde“

Der IBPES-Bericht werde zeigen, dass der Raubbau an der Natur zu Lande und im Wasser rapide voranschreitet, teilte Günter Mitlacher, Leiter Internationale Biodiversitätspolitik bei der Naturschutzorganisation WWF, mit. „Wir holzen zu viel Wald ab. Wir zerschneiden den Lebensraum von Pflanzen und Tieren mit Straßen, Schienen und Siedlungen. Wir planen Natur bei unserer Entwicklung nicht hinreichend mit ein“, so Mitlacher. „Wir überbeanspruchen Luft, Boden und Wasser. Wir drehen am Thermostat der Erde. Wir plündern die Weltmeere und müllen sie zu mit Plastik. Wir wildern, überfischen, beuten alles aus.“

Bis zu eine Million Tier- und Pflanzenarten bedroht

Laut dem vorläufigen Abschlussbericht des Treffens sind 500.000 bis eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Die Forscher sprechen von einem „Massenaussterben“, das es in den vergangenen 500 Millionen Jahren erst fünfmal gab.

Besonders bedroht sind Insekten – ihre Zahl hat sich in Europa in den vergangenen drei Jahrzehnten bereits um rund 80 Prozent verringert. Das große Insektensterben hat auch Teile Deutschlands erfasst, wie das Bundesumweltministerium im Sommer 2017 warnte. Aber viele Insekten hätten schlicht keine ‚Lobby‘, klagte der Präsident des französischen Rechercheverbunds für Biodiversität, Jean-Francois Silvain. Eine Küchenschabe etwa habe „nur eine kurze Lebenserwartung“, da der Mensch sie nur als Schädling und Krankheitserreger ansehe.

Viele Arten benachteiligt

Generell beklagen Fachleute, dass beim Artenschutz bestimmte Tiere diskriminiert würden. Spinnen, Maden, Ratten und Schlangen etwa sind äußerst nützliche Tiere – aber beim Artenschutz falle kaum Augenmerk auf sie, betonte der emeritierte Psychologieprofessor Hal Herzog von der Universität Western Carolina in den USA, der das Verhältnis des Menschen zu Tieren erforscht hat. Arten wie der Regenwurm wirkten „eher wie primitive Außerirdische als wie Tiere, mit denen ein Mensch sich identifizieren kann“.

Genauso große Gefahr wie Klimaerwärmung

„Wir müssen anerkennen, dass die Klimaerwärmung und die Zerstörung der Natur gleichgewichtig (als Auslöser des Artensterbens) sind“, sagte der IPBES-Vorsitzende Robert Watson. Beide Faktoren hätten nicht nur Einfluss auf die Umwelt, sondern auch auf Entwicklungs- und Wirtschaftsfragen. Ausdrücklich erwähnte Watson dabei die Gewinnung von Nahrungsmitteln und Energie. Nur „tiefgreifende Veränderungen“ könnten den Schaden für die Artenvielfalt noch begrenzen.