Wolfgang Sobotka
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Sobotka im BVT-Ausschuss

„Ich bin kein James Bond“

Der U-Ausschuss zur Affäre rund um Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat am Dienstag ein neues Kapitel aufgeschlagen. Geladen war Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) – er wurde vom Ausschuss zu möglichen politischen Netzwerken im Innenministerium befragt und ließ vieles an sich abprallen.

Im Fokus stand Sobotkas Amtszeit als Innenminister in den Jahren 2016 und 2017 – er wird im BVT-Konvolut gleich mehrmals erwähnt. Die gesammelten Vorwürfe gegen das Bundesamt brachten die Causa erst ins Rollen – und einige Schlüsselpersonen waren Ex-Mitarbeiter Sobotkas.

Schon vor Beginn der Befragung klagten die Oppositionsparteien unisono, der nunmehrige Parlamentspräsident Sobotka würde den Ausschuss „sabotieren“, weil keine Aktenlieferungen zugelassen würden. Weil Akten zu hoch klassifiziert seien, sei es nicht möglich, das schwarze Netzwerk „seriös“ zu untersuchen, so etwa NEOS-Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper. Ähnlich die SPÖ und Jetzt: Der Parlamentspräsident verhindere Aufklärung, so der Tenor.

Wolfgang Sobotka
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Sobotka war im Ausschuss über Vorgänge im Jahr 2017 vieles „nicht erinnerlich“

Ob er, Sobotka, ein Interesse daran habe, die Akten dem Ausschuss vorzuenthalten, wollte Krisper unter Protest von ÖVP-Fraktionschef Werner Amon wissen. „Ich habe kein Interesse daran“, so Sobotka. Auch habe er niemals Einfluss auf die Klassifizierung der Akten genommen und auch mit dem derzeitigen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) darüber nicht gesprochen.

„Vorwurf des Amtsmissbrauchs“

Doch gab es während der Befragung vor allem einen Aufreger seitens der Opposition: Sobotka soll ja als Innenminister BVT-Experten für den ÖVP-Wahlkampf 2017 eingespannt haben und er habe, so der Vorwurf, legistische Texte für Koalitionsverhandlungen erstellen lassen – E-Mail-Korrespondenzen dazu wurden dem Ausschuss vorgelegt und deren Inhalte verlesen.

Eine Mail stammt von der Rechtsreferatsleiterin des BVT an einen Mitarbeiter des Kabinetts Sobotka. „Betreff ‚KBM Auftrag‘ – Wichtigkeit hoch“ (KBM steht für Kabinett des Bundesministers, Anm.). Es ging um einen „Auftrag betreffend Wahlkampfthema für HBM“ (HBM steht für „Herr Bundesminister“, also Sobotka, Anm.). Krisper sah im Falle einer Auftragserteilung durch Sobotka den „Vorwurf des Amtsmissbrauchs“ erfüllt.

„Es geht um Sicherheitsinteresse Österreichs“

„Es geht immer wieder um Sicherheitsinteresse Österreichs, nicht um einen Wahlkampf“, so Sobotka. Einem Minister stehe es zu, Informationen zu erhalten. Es sei „normal“, dass das „Haus“ Informationen aus dem BVT anfordere. Es sei angesichts der Sicherheitslage (Terroranschläge in Europa) lediglich darum gegangen, „Positionen des Hauses“ zu haben.

Stephanie Krisper
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„Auftragsgemäß Wahlkampfthemen übermittelt“ – Krisper legte brisanten Mailverkehr vor

Dass er selbst einen Auftrag dazu erteilte, sei ihm aber „nicht erinnerlich“, so Sobotka. Überhaupt könne er im Wahlprogramm nichts finden, was auf eine Zulieferung von derlei Informationen hindeute. Jetzt-Fraktionschef Peter Pilz gab sich mit Sobotkas Darstellungen nicht zufrieden: „Kennen Sie diesen KBM-Auftrag?“ Sobotka erklärte, dass er „die Mails zum ersten Mal“ sehe. Laut Pilz war der Inhalt des „KBM-Auftrags“, „fünf legistische Punkte für das Wahlprogramm erarbeiten“. Details müsse man von den Mitarbeitern erfragen, so Sobotka.

Sobotka: „Persönlich“ keinen Auftrag erteilt

Pilz betonte, dass es ein Unterschied sei, ob das BVT sachliche Recherchen liefere oder Inhalte für das ÖVP-Wahlprogramm. Sobotka erklärte wiederum, die Sache sei ihm „nicht erinnerlich“. Und dass er „persönlich“ einen Auftrag zum Wahlprogramm erteilt habe, schloss er auf mehrmalige Nachfrage aus.

Werner Amon und Peter Pilz
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Opposition (im Vordergrund Peter Pilz) und ÖVP (im Hintergrund Werner Amon) gerieten mehrere Male aneinander

„Den Mail-Ersteller fragen“

Ob ihm klar sei, dass im Falle eines Auftrags der Tatbestand des Amtsmissbrauchs gegeben wäre, wollte Pilz (wie davor bereits Krisper) wissen – schließlich sei erwiesen, dass es einen Auftrag gab. Aus der Mail vom 3. August, abgesendet von der Rechtsreferatsleiterin des BVT, gerichtet an einen Kabinettsmitarbeiter, heißt es, das BVT habe „auftragsgemäß“ Infos geliefert für „Wahlkampfthemen für HBM“. Welche Themen das waren, müsse man „den Mail-Ersteller fragen“, so Sobotka.

Auch SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer pochte auf Antworten: Er wollte wissen, wieso das BVT „fünf Punkte für das Wahlprogramm“ an Sobotkas Ministerium zu liefern hatte. Unterlagen vom Kabinett habe er für die Erstellung des Wahlprogramms (im Speziellen des Sicherheitskapitels) ohnehin nicht beigezogen, so Sobotka. Er habe das Sicherheitskapitel gemeinsam mit Karl Mahrer (ÖVP) ohne Kabinettsunterstützung verfasst. Das sehe man ja am Ergebnis, das Programm glänze nicht durch Detailtiefe.

ÖVP-Fraktionschef Amon sagte, in den Mails sei nur von „Wahlkampfthemen“ die Rede, nicht von einem Wahlprogramm. Eines der von der Opposition vorgelegten Mails aus dem BVT stamme vom November 2017, da sei die Wahl schon geschlagen gewesen und die ÖVP in Regierungsverhandlungen gestanden. Ob es üblich sei, dass sich Politiker für Koalitionsverhandlungen von Ministerialbeamten briefen lassen, fragte er Sobotka. „Ja“ – auch für andere Fraktionen.

Nordkoreanische Reisepässe wieder Thema

Ebenfalls Thema war die Affäre rund um die Anfertigung nordkoreanischer Reisepässe – hierbei wird ein direkter Konnex zu Sobotka vermutet. Hintergrund: Das BVT soll dem südkoreanischen Geheimdienst 2016 drei von der Staatsdruckerei produzierte nordkoreanische Passmuster zur Verfügung gestellt haben.

Sobotka soll, nachdem die Causa publik wurde, an einem Wochenende einen Aktenschrank im BVT aufmachen haben lassen. Das geht aus einer SMS von Michael Kloibmüller an den damaligen Spionageabwehrchef Bernhard P. hervor. „Hbm (Abkürzung für Herr Bundesminister, Anm.) will, dass du morgen früh den Schrank aufmachst!!!“, heißt es in der Nachricht. Den SMS-Verkehr kenne er nicht, so Sobotka im Ausschuss („das erste Mal jetzt gesehen“).

„Am Ende wurde alles aufgeklärt“

Weil es zum Medienthema geworden sei, habe man rasch reagieren müssen. Ob es üblich war, dass er als Minister in den Abteilungen des Hauses herumspazierte und wollte, dass Schränke geöffnet werden, fragte Krisper. „Ich bin kein James Bond“, stellte Sobotka fest. „Am Ende wurde alles aufgeklärt", es habe sich herausgestellt, dass alle Pässe dort sind, wo sie sind.“ Alles sei gesetzeskonform gewesen. Wieso derzeit deswegen ermittelt werde, „müssen Sie die WKStA fragen“, riet er Krisper.

Für die Causa Reisepässe interessierte sich auch FPÖ-Fraktionschef Hans-Jörg Jenewein: Er wollte wissen, ob es eine Genehmigung gegeben habe für die Weitergabe von Pässen an Südkorea. „Das BVT arbeitet in seinem eigenen Verantwortungsbereich. Es gab weder eine Anordnung, noch hatte ich Kenntnis“, so Sobotka. „Maximal muss das die Generaldirektion genehmigen, aber nicht der Minister“. Ob es Weitergaben sonstiger Rohlinge gegeben habe, konnte Sobotka nicht sagen.

„Sagt mir jetzt nichts, der Name“

Verfahrensrichter Eduard Strauss fragte Sobotka bereits eingangs nach Überschneidungen mit Ria-Ursula P., ehemalige BVT-Mitarbeiterin. Sie soll infolge massiver Interventionen von ÖVP-Seite ins BVT gekommen sein. Im Ausschuss erhob sie ja schwere Vorwürfe gegen das Innenministerium. Sie habe keinen Termin im Ministerium gehabt, so Sobotka.

Kai-Jan Krainer
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Die Opposition verbiss sich in E-Mails aus dem BVT, die ein Infoservice für den ÖVP-Wahlkampf nahelegen

Auch wollte Strauss wissen, ob er Sybille G., die Leiterin des Extremismusreferats im BVT, kenne. „Sagt mir jetzt nichts der Name“, so Sobotka. Auch ob sie sich um einen Gesprächstermin bei ihm bemüht habe, wisse er entsprechend nicht: „Ich lege ja keinen Aktenvermerk als Minister an, ich bin ja kein Notar“.

„Medial wird immer etwas berichtet“

Das Konvolut (also die gesammelten Vorwürfe gegen das BVT) kenne er „bis zum heutigen Tag“ nicht, gab Sobotka auf Fragen von FPÖ-Fraktionsführer Jenewein an. Es sei ja auch medial aufgeschlagen, so der Freiheitliche: „Medial wird immer etwas berichtet“, so Sobotka. Es sei Usus, wenn es strafrechtlich relevante Vorwürfe gibt, dass das ans BKA weitergeleitet wird. Seine Mitarbeiter hätten Bescheid gewusst, es sei gar nicht zu ihm gelangt.

Ob er wahrgenommen habe, dass Kabinettschef Kloibmüller Briefe oder Dokumente, die an Sobotka gerichtet waren, abgefangen habe, konnte Sobotka nicht sagen. „Ich pflege es so, dass ich zu Mitarbeitern ein ausgesprochen gutes Vertrauensverhältnis habe, und wenn ich das Gefühl hätte, dass das Vertrauensverhältnis nicht gut ist, dann würde ich mich von ihnen trennen“, so Sobotka. Er könne sich nicht vorstellen, dass es so etwas gab.

Auch wollte Jenewein wissen, wie damals die Zusammenarbeit zwischen Justiz- und Innenministerium verlief. Es gebe Behauptungen, wonach es immer wieder zu direkten Weisungen gekommen sei, die dem Dienstweg widersprachen. Sobotka konnte auch dazu keine Angaben machen, er könne sich an nichts Entsprechendes erinnern. Es seien ja „Tausende Arbeiten, die tagtäglich“ zu machen seien, es sei seiner Auffassung nach immer alles korrekt verlaufen.