Verunglücktes Flugzeug
AP/Pavel Golovkin
Vorzeigejet verunglückt

Russische Luftfahrt gerät unter Druck

Über 40 Tote und mehrere Verletzte: Die Notlandung des russischen Vorzeigeflugzeugs Suchoi Superjet-100 (SSJ-100) in Moskau ist zugleich die schwerste Katastrophe des Jets in Russland. Der Vorfall könnte sich nun auch als herber Rückschlag für die russische Luftfahrt erweisen – die Hoffnungen für die Maschine waren groß.

Denn die SSJ-100 ist die erste Neuentwicklung im russischen Flugbau seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor gut 30 Jahren. Mit den Maschinen, die seit 2011 im Einsatz sind, wollte Russland Mittelstreckenflugzeugen von Herstellern wie Airbus und Boeing international Konkurrenz machen. Die SSJ 100 wurde in Kooperation mit dem US-Flugzeughersteller Boeing und der italienischen Finmeccancia entwickelt. Als Konstrukteur von Kampfjets spielt Russland international hingegen schon lange in der ersten Liga.

Unter Druck gerät vor allem der Hersteller Suchoi, der mit einem schleppenden Verkauf der Maschine zu kämpfen hatte. Bisher wurden rund 140 Jets des Typs ausgeliefert. Allein 50 Jets sind bei der staatlichen russischen Fluggesellschaft Aeroflot im Einsatz – diese hatte im Herbst den Kauf von weiteren 100 angekündigt.

Regionallinie kündigt Kauf von zehn Jets

In Europa war der Jet bis vor wenigen Monaten bei der irischen Fluggesellschaft CityJet in Betrieb. Pläne für die Übernahme von Jets durch die slowenische Adria Airways platzten. Am Montag kündigte nun auch die regionale Fluglinie – Yamal Airlines – den geplanten Kauf von zehn Jets des Typs. Als Begründung gab sie allerdings keine Sicherheitsbedenken an – sondern zu hohe Servicekosten.

Berichte über Pannen häuften sich

Grund für den schleppenden Verkauf sind neben Engpässen bei Produktion und Ersatzteilen auch Berichte über Pannen und Zwischenfälle – zwischenzeitlich mussten gar einige Maschinen des Typs aus dem Verkehr gezogen werden. Nicht zuletzt kratzt ein tragischer Absturz 2012 in Indonesien mit 45 Toten am Image des Flugzeugs.

Zerstörtes Flugzeug
Reuters
2012 kamen 45 Menschen bei einem Absturz der Maschine Suchoi Superjet-100 in Indonesien ums Leben

In Russland kommt es immer wieder zu schweren Zwischenfällen im Luftverkehr und zu Flugzeugunglücken mit vielen Toten. Beim Absturz eines russischen Passagierflugzeugs vom Typ Antonow An-148 starben im Februar vorigen Jahres in der Nähe von Moskau 71 Menschen. Die Maschine der Fluggesellschaft Saratow Airlines war nach dem Start vom Hauptstadtflughafen Domodedowo vom Radar verschwunden und zerschellte auf einem Feld im Bezirk Ramenskoje südöstlich von Moskau. Im September wurden 18 Menschen bei der Notlandung eines Flugzeugs in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi verletzt.

Minister: Kein Grund für Startverbot der SSJ-100

Die nun verunglückte Maschine war 2017 in Betrieb genommen worden, im April war die letzte Inspektion, wie die Agentur TASS unter Berufung auf Luftfahrtkreise meldete. Vorerst sieht Russland jedoch keinen Grund, die Jets des Typs SSJ-100 am Boden zu halten. Das sagte der russische Transportminister Jewgeni Ditrich am Montag. Die Unfallursache ist nach wie vor unklar.

Christian Lininger (ORF) aus Moskau

Nach der Notlandung eines russischen Passagierjets in Moskau mit 41 Toten, habe einer der beiden Piloten in einem Interview von einem Blitzschlag gesprochen, berichtet ORF-Korrespondent Christian Lininger.

Der Jet sei kurz vor der Notlandung „von einem Blitz getroffen worden“, berichteten einer der Piloten sowie einige Passagiere am Montag. Laut dem Piloten sei kurz nach dem Blitzeinschlag auch der Funkkontakt ausgefallen. Das berichtete ORF-Korrespondent Christian Lininger mit Verweis auf einen Bericht einer Moskauer Zeitung. Der Pilot der Maschine habe mindestens ein Signal gegeben, dass es technische Probleme gebe, hatten zuvor auch einige Medien berichtet.

Aeroflot vermutet technisches Gebrechen

Vorerst geht auch die staatliche Fluggesellschaft Aeroflot davon aus, dass ein technisches Gebrechen den Piloten auf dem Weg nach Murmansk im Norden Russlands zum Umkehren zwang. Die Ermittler ließen die Berichte bisher noch unkommentiert. Moderne Passagierjets sind so gebaut, dass sie einem Blitzeinschlag eigentlich standhalten müssen.

Notlandung: Jet wurde laut Piloten von Blitz getroffen

Der Jet sei kurz vor der Notlandung mit 41 Toten in Moskau „von einem Blitz getroffen worden“, berichteten einer der Piloten sowie einige Passagiere am Montag.

Untersucht werde, ob die Piloten und das technische Personal ausreichend qualifiziert gewesen seien, teilte das staatliche Ermittlungskomitee am Montag in Moskau mit. Untersucht würden neben möglichen technischen Ursachen an dem Suchoi Superjet-100 auch Wettereinflüsse.

Mehrmals auf Rollbahn aufgeprallt

Der Jet war am Sonntagabend kurz nach dem Start auf den Flughafen Scheremetjewo zurückgekehrt. Als die Maschine mehrmals auf dem Rollfeld des Flughafens aufprallte, platzte nach ersten Erkenntnissen der Ermittler auch der voll befüllte Treibstofftank. Blitzschnell breitete sich das Feuer aus. Der hintere Teil der Maschine stand komplett in Flammen und zog eine dicke Rauchwolke hinter sich her. Das Wrack war nach dem Löschen des Feuers etwa zur Hälfte verkohlt, wie auf Bildern zu sehen war.

Das verunglückte Flugzeug Sukhoi SSJ100 der Aeroflot Airlines
AP/Alexander Zemlianichenko
Das ausgebrannte Flugzeug wird nun eingehend untersucht

Nun sollen die beiden Flugschreiber der verunglückten Maschine ausgewertet werden. Beide seien im Wrack entdeckt worden, hieß es am Montag aus Sicherheitskreisen der Agentur Interfax zufolge. Das russische Zwischenstaatliche Luftverkehrskomitee (MAK) kümmere sich um die Auswertung, die jedoch mehrere Tage dauern könne. Die Flugschreiber seien bei dem Brand hohen Temperaturen ausgesetzt gewesen, so das MAK. Das Gerät, das die Kommunikation an Bord aufzeichnet, sei aber in einem „zufriedenstellenden Zustand“. „Alle Fluginformationen wurden kopiert.“

Flugschreiber enthalten unter anderem Aufzeichnungen der Flugdaten und der Cockpitgespräche, was sehr wichtig bei der Klärung der Unfallursache ist. Die Blackboxes sind so robust gebaut, dass sie normalerweise auch ein Unglück überstehen sollten.

78 Menschen an Bord

An Bord des Fluges SU1492 waren 78 Menschen. Unter den Toten sind nach Angaben der Behörden zwei Kinder und ein Flugbegleiter. Viele der Verletzten erlitten laut Rettungskräften Rauchgasvergiftungen. In der Maschine brach Panik aus, wie auf einem im Internet veröffentlichten Video zu hören und zu sehen war. Die Aufnahmen zeigten auch, wie die rechte Tragfläche der Maschine brannte.

Brennende Aeroflot-Maschine bei der Landung in Moskau
AP/@artempetrovich
Der hintere Teil des Flugzeugs stand komplett in Flammen

Das Feuer wurde nach Angaben des Flughafens und des Zivilschutzes schnell gelöscht. Zahlreiche Passagiere hätten das Flugzeug in weniger als einer Minute über Notrutschen verlassen, teilte Aeroflot mit. Lange war das Ausmaß des Unglücks unklar. Russische Behörden gaben zudem unterschiedliche Opferzahlen bekannt.

Rasche Wiederaufnahme des Betriebs

Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete eine gründliche Aufklärung an. Er und Regierungschef Dmitri Medwedew sprachen den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus. Den Überlebenden sicherten sie Hilfe zu. In dem Gebiet Murmansk nahe der finnischen Grenze solle der Opfer gedacht werden, sagte der Gouverneur der Region.