Ungarischer Premier Orban und Vizekanzler Strache
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Weber nicht mehr unterstützt

Annäherung bei Treffen von Strache – Orban

Bei einem Besuch von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) in Budapest sind am Montag offenbar die Beziehungen zur ungarischen FIDESZ vertieft worden. Premier Viktor Orban will sogar Manfred Weber, den Spitzenkandidaten der konservativen EVP, nicht mehr unterstützen. Damit stehen die Zeichen auf eine Hinwendung Orbans zu Europas Rechter, nach der Wahl womöglich zu einer neuen Fraktion.

„Wir suchen nach einem neuen Kandidaten“, sagte Orban am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Strache. Dieser war nach Budapest gereist, um die Möglichkeiten einer Kooperation zwischen Konservativen und Rechten auf EU-Ebene auszuloten. Nach dem Treffen wurden besonders Gemeinsamkeit und Partnerschaft betont.

Weber hingegen habe Ungarn beleidigt: Er habe gesagt, dass er mit den Stimmen der Ungarn nicht EU-Kommissionspräsident werden wolle. „Wenn jemand ein Land so beleidigt, dann kann der Ministerpräsident dieses Landes seine Kandidatur nicht mehr unterstützen.“ Zuvor hatte die Orbans nationalkonservative FIDESZ die Spitzenkandidatur des deutschen CSU-Politikers bei der EU-Wahl noch unterstützt, obwohl sich dieser für die Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn ausgesprochen und auch die im März erfolgte Suspendierung der EVP-Mitgliedschaft von FIDESZ unterstützt hatte. Der Partei werden antidemokratische und autoritäre Züge vorgeworfen.

Buhlen um Orban auch in Italien

Orban hatte sich zuvor schon dafür eingesetzt, dass die Europäische Volkspartei (EVP) mit rechtspopulistischen Parteien zusammenarbeitet. Dafür hatte er sich am Donnerstag bereits mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini getroffen. Salvini hatte Anfang April eine Initiative für einen Zusammenschluss der bisher auf drei Fraktionen verteilten rechtspopulistischen und europaskeptischen Parteien nach der EU-Wahl im Mai gestartet. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich ablehnend zum Vorstoß Orbans. „Ich halte nichts von einer Zusammenarbeit mit Parteien wie der AfD oder Le Pen, die aus der Europäischen Union austreten wollen“, sagte er am Freitag.

Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber
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Manfred Weber will Kommissionspräsident werden – auf Orban kann er dabei nicht mehr zählen

Strache und Harald Vilimsky, der FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl am 26. Mai, wollen hingegen ein großes Rechtsbündnis auf europäischer Ebene vorantreiben. Orban, dessen FIDESZ derzeit noch zur EVP-Fraktion gehört, könnte eine solche Gruppe entscheidend vergrößern. Die EVP setzte im März die Mitgliedschaft von FIDESZ auf unbefristete Zeit aus, entschied sich aber gegen einen Ausschluss. Doch Orban könnte seine Partei auch selbst von der EVP lösen.

Das erwarten zumindest einige Parteifreundinnen und -freunde. Die Chefin der deutschen CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, sagte am Montag: „Er hat mit seinem Verhalten in den vergangenen Tagen und dem Treffen mit dem italienischen Lega-Chef ein klares Zeichen gesetzt, dass er die EVP verlassen wird“, berichtete Reuters. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder sagte. „Damit nimmt er wohl die Entscheidung der EVP vorweg.“

Orban will sich nicht festlegen

Strache hatte sich im Vorfeld des Besuchs bei Orban optimistisch bezüglich einer künftigen gemeinsamen Europafraktion gezeigt: „Wir haben in diesem EU-Wahlkampf die historische Chance, dass sich die drei bisherigen patriotischen Freiheitsfraktionen zu einer großen gemeinsamen Fraktion zusammenschließen könnten“, sagte er in einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ (Sonntag-Ausgabe). „Wir könnten so viele Mandatare in dieser EU-Fraktion erreichen wie noch nie und zweitstärkste Europa-Fraktion werden. Und ich würde mich natürlich freuen, wenn sich Viktor Orbans FIDESZ führend bei uns einbringen würde.“

Rechte Allianz in Europa

Ungarns Premier Viktor Orban flirtet mit den Rechtspopulisten und schließt einen Wechsel in die geplante rechte Fraktion nicht aus.

Orban wollte sich diesbezüglich aber nicht festlegen. „Unsere Position wird beeinflusst durch die Meinung der Wähler“, betonte er. „Mit allen Entscheidungen warten wir auf die Wahl.“ Es komme dabei vor allem darauf an, wohin sich die Positionen in der EVP nach dem Urnengang entwickelten. „Wenn die EVP intolerant wird, dann müssen wir woanders unseren Platz suchen.“

Gegen Große Koalition

In Österreichs Bundesregierung sehe er ein Vorbild für die EU, so Orban: „Was in Wien funktioniert, könnte auch in Brüssel funktionieren.“ Zudem erteilte er einer „europäischen Großen Koalition“ zwischen EVP und Sozialdemokraten eine Absage, da die europäischen Linken „hoffnungslos migrationsfreundlich“ seien. Vielmehr setze er sich dafür ein, dass sich die EVP für die „migrationsfeindlichen“ Rechtsparteien öffne. Auch Strache forderte, die EVP sollte ihre Politik gegenüber den „patriotischen Parteien“ überdenken.

Strache betonte, Orban habe durch seine „verantwortungsvolle“ Sicherung der südöstlichen Grenzen gegen Flüchtlinge in dieser Frage in Europa „ein Umdenken“ bewirkt. Dafür sei er Orban dankbar. Ungarn hatte im Sommer 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung an den Grenzen zu Kroatien und Serbien einen Zaun gebaut.

SPÖ sieht EU am Scheideweg

Beim politischen Gegner ist die Sorge vor einer großen Rechtsfraktion nach der Wahl groß. „Christdemokraten wie Rechtsextremisten buhlen um Orban. Das zeigt, dass Europas Konservative inzwischen stark vom Bazillus der Rechtsextremisten infiziert sind und in europapolitischen Fragen mitunter keine Unterschiede erkennbar sind“, sagte der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Schieder, am Montag vor Journalisten.

Heinz-Christian Strache und Viktor Orban
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Strache und Orban lobten einander am Montag in Budapest

Schieder hatte den EU-Spitzenkandidaten der ungarischen Sozialisten (MSZP), Istvan Ujhelyi, parallel zum Strache-Besuch nach Wien eingeladen. Beide betonten, dass für Europa derzeit zwei Wege offen stünden: Ein „soziales Europa“ oder der „Orban-Strache-Weg“. Diesen bezeichnete Ujhelyi als „den Weg in Salvinis Neofaschismus“.

Kritik an Kurz

Von NEOS kam Kritik am Kanzler: „Kurz hat Rechtspopulisten in den Ministerrat geholt und ihnen damit die Schlüssel für die Europäischen Institutionen gegeben. Es steht zu befürchten, dass er auch auf EU-Ebene eine Koalition mit Orban und den rechten Fraktionen plant“, hieß es in einer Aussendung von Spitzenkandidatin Claudia Gamon.

Der grüne Spitzenkandidat Werner Kogler warf Kurz ein Doppelspiel vor: „Wenn Kurz gegen die AfD und Le Pen wettert und im selben Atemzug die Koalition mit der FPÖ hochhält, so ist das nacktes Machtstreben. Er dreht und wendet sich da wie ein Blatt im Winde“, so Kogler in einer Aussendung vom Montag.