Kühltürme des AKW Mochovce
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AKW Mochovce

Slowakei verschiebt Start neuer Reaktoren

Der Betriebsbeginn des dritten und vierten Blocks des slowakischen Atomkraftwerks Mochovce wird verschoben. Die Betreiberfirma nannte den Widerstand aus Österreich als vorrangigen Grund für diesen Schritt. Berichte über eine wahrscheinliche Verschiebung gab es aber schon länger.

Die Verschiebung betrifft die Reaktoren drei und vier, die noch nicht in Betrieb sind. Der slowakische Betreiber Slovenske Elektrarne (SE) wollte die beiden Blöcke ursprünglich schon 2012 und 2013 in Betrieb nehmen. Zuletzt war der Start für Reaktor drei für kommenden Juni geplant. Die beiden in den 1990er Jahren fertiggestellten Reaktorblöcke eins und zwei laufen seit über 20 Jahren.

Am Montag teilte SE-Chef Branislav Strycek dem Wirtschaftsausschuss des Parlaments in Bratislava mit, dass sich die Inbetriebnahme von Block 3 mindestens bis November 2019, möglicherweise sogar bis März 2020 verzögere. Das meldete die Nachrichtenagentur TASR. Grund seien nach Stryceks Angaben vor allem erwartete Einsprüche aus Österreich gegen die Betriebsgenehmigung, die das slowakische Atomaufsichtsamt UJD demnächst erteilen sollte.

Kurz forderte Überprüfung

Der Streit über das Atomkraftwerk, das sich rund 100 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt befindet, flammte zuletzt wieder auf. Mehrere ehemalige Arbeiter und Ingenieure hatten sich Anfang April an die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 gewandt und vor gravierenden Mängeln am Bauprojekt gewarnt. Fotos und Zeugenaussagen würden belegen, dass die Sicherheitshülle des Reaktors durch Bohrungen beschädigt wurde und im Falle eines Erdbebens oder von Explosionen im Zuge eines schweren Unfalls versagen könnte, hieß es von Global 2000.

Bundeskanzler Kurz
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Kurz hatte eine Überprüfung durch die IAEO gefordert

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Umweltministerin Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) hatten zudem eine Überprüfung von Mochovce 3 durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) gefordert. Eine solche Überprüfung kann aber nur auf Einladung der Slowakei erfolgen und nicht auf Ansuchen Österreichs. Köstinger sagte daher: „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um auf die slowakische Regierung einzuwirken.“

Pellegrini garantiert Sicherheit

Bevor am Montag die Verschiebung des Starts publik wurde, hatte der slowakische Premierminister Peter Pellegrini noch scharfe Kritik an Kurz geübt. Die Aktivitäten von Kurz verfolge er mit „Beunruhigung“, auch wenn „wir es gewöhnt sind, dass Österreich Atomkraftwerken in allen Nachbarländern einen Heiligen Krieg erklärt hat“ und intensiv gegen diese auch in Tschechien und Ungarn ankämpfe, sagte Pellegrini. Äußerungen darüber, alles zu tun, um den Fertigbau von Mochovce zu verhindern, halte er allerdings schon für „etwas, womit Kanzler Kurz seine Kompetenzen überschreitet und versucht, in die Souveränität und Entscheidungsgewalt der Slowakischen Republik einzugreifen“, so Pellegrini.

Der Fertigbau von Mochovce sei eine autonome Entscheidung seines Landes, so Pellegrini. Die Slowakei habe auch jahrzehntelange Erfahrungen mit dem Betrieb von Atomkraftwerken ohne jegliche Zwischenfälle oder Bedrohung von Sicherheit und Gesundheit der eigenen Bürger. Ebenso werde die Slowakei auch die Blöcke drei und vier mit hohen Technik- und Sicherheitsstandards fertigbauen, so Pellegrini. Bei Bedenken bezüglich der Sicherheit der neuen Blöcke würde die Regierung der Slowakei niemals eine Inbetriebnahme des Kraftwerks erlauben, versicherte Pellegrini.

Freude in Wien

Kurz begrüßte am Montag die Verschiebung. „Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir werden allerdings nicht lockerlassen, bis alle unsere Sicherheitsbedenken geklärt sind“, sagte er. Am Donnerstag werde er beim EU-Gipfel in Rumänien darüber mit Pellegrini besprechen.

Kühltürme des AKW Mochovce
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Das AKW ist nur etwas mehr als 100 Kilometer von Österreichs Grenze entfernt

Auch Umweltministerin Köstinger und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner begrüßten die Entscheidung. Von „einem wichtigen Etappensieg gegen die gefährlichen neuen Reaktoren 3 und 4 in Mochovce“, sprach Köstinger. „Eine Überprüfung der Sicherheitsmängel durch internationale Inspektoren der IAEA ist weiterhin eine sinnvolle Option.“

„Das ist ein erster wichtiger Teilerfolg für die Sicherheit Österreichs“, so Rendi-Wagner. Dieser Teilerfolg zeige, was möglich sei, wenn alle Parteien an einem Strang ziehen und die Sicherheit der Österreicher parteipolitischem Kleingeld vorziehen würden.

Verschiebung schon vor Wochen Thema

Eine Verschiebung der Inbetriebnahme zumindest des Blocks drei schien bereits im April als wahrscheinlich. Die slowakische Tageszeitung „Pravda“ berichtete über einen Test im AKW, der verspätet abgeschlossen wurde. Dadurch müsse der Start von Block drei um mindestens ein Quartal verschoben werden, hieß es Anfang April. Man müsse auf eine Analyse der Ergebnisse des „heißen Hydrotests“ warten.

Damals räumte die Betreiberfirma SE auch einen möglichen Einfluss der Anti-Mochovce-Kampagne von Global 2000 ein: „Mit Hinsicht auf laufende Aktivitäten österreichischer Anti-Kernkraft-Organisationen erwarten wir umfangreiche Behinderungen beim administrativen Genehmigungsverfahren, was die Inbetriebnahme des dritten Blocks um einige Monate hinauszögern kann, obwohl er technisch voll vorbereitet sein wird“, so SE-Sprecher Miroslav Sarissky.

Kritik, Begehung, Klage

Der Streit über das KW schwelt schon seit den 1990ern. Es gab Kritik aus Österreich wegen Fehlern in den Mess- und Regelsystemen sowie des fehlenden Containments, also der Sicherheitshülle zum Rückhalt von Radioaktivität. Die Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart wurden nachträglich mit westlichen Steuersystemen ausgerüstet.

Der frühere Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) erreichte eine Begehung des AKW durch internationale Experten im Mai 1998. Der Leiter der Expertenkommission, Wolfgang Kromp vom Institut für Risikoforschung der Uni Wien, warnte daraufhin vor einer Inbetriebnahme des AKW. Er sprach von der möglichen Gefahr eines Super-GAUs. Auch das EU-Parlament forderte die Slowakei zur Behebung der Sicherheitsmängel auf. Aus Protest besetzten Umweltschützer vorübergehend die slowakische Botschaft. Die frühere Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, reichte im Sommer 1998 eine Privatklage ein, weil sie sich durch das „sicherheitstechnisch mangelhaft ausgestattete“ Atomkraftwerk in ihrer Gesundheit bedroht fühlte. Nach einem jahrelangen Verfahren beendete sie das Verfahren.

Im Juli 1998 wurde das AKW an das slowakische Stromnetz angeschlossen. Eine „Zeit der Dunkelheit für die Atomenergie, die nach dem Jahre 1989 entstanden ist“, sei zu Ende gegangen, sagte der damalige Kraftwerksdirektor Jozef Valach. Auch schon damals hatte sich die Fertigstellung um viele Jahre verschoben.