Katerina Anastasiou im ORF.at-Interview

1. Nicole fragt: 2014 trat die KPÖ ja mit dem Bündnis Europa anders an – und erreichte zumindest im Wahlkampf viel Aufmerksamkeit. Wieso tritt die KPÖ diesmal wieder alleine an?

Anastasiou: Die KPÖ tritt nicht alleine an, sondern wir treten auf in einem Bündnis namens KPÖ Plus. KPÖ Plus ist eine Plattform, eine Wahlplattform – ich selber bin kein KPÖ-Mitglied, und einige von unseren KandidatInnen, ein Viertel circa, sind eigentlich keine Parteimitglieder. Das damalige Bündnis war zusammen mit dem Wandel. Der Wandel kandidiert heuer nicht in Österreich. Daniel Platsch kandiert in Deutschland zusammen mit Gianis Varoufakis. Wir unterstützen uns aber trotzdem.

2. Franz Neller fragt: Glauben Sie nicht auch, dass die Kommunisten eher ein Relikt der Vergangenheit sind? Heute braucht diese Partei keiner mehr, denn die Menschen haben mehr an Bildung, weshalb immer weniger an das glauben, was da von manchen erzählt wird. Daher glaubt keiner mehr, was da von so manchen erzählt wird.

Anastasiou: Na ja, Kommunismus ist eine Idee, nicht, und auch ein Versprechen, eine Philosophie. Und ich könnte alles andere behaupten, nämlich, es ist gar kein Relikt, es entwickelt sich die ganze Zeit. Kommunismus hat sich geändert in den letzten Jahren und hat auch mit seiner Vergangenheit sozusagen abgerechnet. Außerdem in Österreich real kann man sich Graz als Beispiel nehmen: Dort sind die KPÖ eigentlich 20 Prozent in der Stadt Graz, und das weil sie eine sehr, sehr volksnahe Politik macht.

3. Maria Schiessl fragt: Tritt die KPÖ für einen EU-Austritt ein?

Anastasiou: Die KPÖ müsste man selber fragen, aber die KPÖ ist dezidiert nicht für den EU-Austritt. Die KPÖ ist ein Teil der europäischen Linkspartei. Die KPÖ übt zwar EU-Kritik, aber ist nicht dezidiert für den Austritt, das stimmt nicht.

4. Anonym: Einerseits ist die Ablehnung des Kapitalismus in Österreich mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal der KPÖ. Andererseits wählen ja hierzulande bei Wahlen 9 Prozent der Menschen kapitalistisch/neoliberal orientierte Parteien. Könnte es nicht sein, dass die KPÖ nicht auch selber gewisse Defizite aufweist, wodurch sie viele Menschen nicht erreicht, die ansonsten durchaus kapitalismuskritisch wären? Wäre z. B. nicht der Parteiname eine Diskussion wert?

Anastasiou: Ich glaube, die Parteienfrage wird auch innerhalb der KPÖ diskutiert. Generell hat die Linke Probleme, die Menschen zu erreichen, weil teilweise unser Wortschatz ein sehr, sehr expliziter, sehr akademischer Wortschatz ist, und es gibt aber Versuche – man braucht sich nur SYRIZA, Podemos, die Linke anschauen, eben die Leute direkt mit der Kapitalismuskritik zu erreichen. Und wenn das gelingt, kommen auch gute Ergebnisse.

5. Johann Santner fragt: Was wird konkret gegen die Erderwärmung unternommen?

Anastasiou: Erstens einmal gehören die Großverschmutzer des Planeten ordentlich versteuert, und die müssen für das, was sie da anrichten, eigentlich zur Kassa gezogen werden. Das Zweite ist: Mit dem Geld, das daraus entsteht, müssen wir auf Infrastruktur setzen, auf eine erneuerbare Energie setzen und den … die Logistik umweltfreundlicher gestalten. Sowohl für Menschen, aber auch für Güter. Das sind aber … diese Maßnahmen alleine werden nicht reichen, um den Planeten aus diesem Wachstumswahn raus zu holen. Da brauchen wir neue ökonomische Ansätze. Zum Beispiel Sharing-Economy, Commons-Economy und so weiter, und dazu brauchen wir tatsächlich Motivation. Also, die Leute müssen motiviert werden, ihr wirtschaftliches Verhalten sozusagen zu ändern.

6. Ernst Breitwieser fragt: Was sagt Frau Anastasiou als griechische Staatsbürgerin zum Sozialabbau und zur Austeritätspolitik der Regierung Tsipras?

Anastasiou: Der Sozialabbau hat in Griechenland 2010 angefangen mit dem Einmarsch der Troika in Griechenland. Das war eigentlich Griechenland aufgezwungen. Also, Griechenland wurde gezwungen, eben diesen Sozialabbau zu betreiben. Griechenland hat nach wie vor sehr hohe Schulden, so lange wir nicht über einen Schuldenschnitt auf europäischer Ebene sprechen, wird Griechenland sehr schwer aus dieser Situation kommen können.

7. Anonym: Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Frage, die nur europaweit gelöst werden kann?

Anastasiou: Also, ich glaube, das Erste ist die Klima-, also die ökologische Frage. Die kann nur europaweit gelöst werden. Wenn die Großindustrieländer Europas nach wie vor Europa verschmutzen und die kleineren Länder nebenan sich bemühen, tatsächlich ökologisch nachhaltiger zu leben, wird das zu nichts führen. Also, das ist einmal die erste Frage. Genau, das ist das Erste. Und innerhalb aber dieser Umstellung können wir versuchen, tatsächlich mit … die soziale Frage auch zu koppeln, und wir sprechen eben für einen Green-New-Deal, so wie er von Varoufakis präsentiert wird. Also Investitionen … genau, soziale Ungleichheit, und gleichzeitig ein nachhaltiges Umfeld gestalten.

8. Anonym: Was kann die EU tun, um die Finanzwirtschaft, die zum Selbstzweck geworden ist, wieder in den Dienst der Realwirtschaft zu stellen, um alle Menschen mit dem zu versorgen, was sie wirklich brauchen?

Anastasiou: Die EU muss erstens einmal das Großkapital versteuern. Ich meine, die EU ist voll, die europäische Union ist voll mit Steuerparadiesen, es gibt Lohn-Dumping, Großkonzerne zahlen kaum was in den Topf. Also, das Erste, was sofort geändert werden könnte – wenn der politische Wille da wäre – ist, dass die Reichen zur Kassa gezogen werden. Darüber hinaus müssen wir natürlich diskutieren über einen europäischen Mindestlohn. Aber man muss noch radikaler gehen und Sachen besprechen wie zum Beispiel das Problem Wohnen auf europäischer Ebene zu lösen, indem wir sagen: Wir finanzieren zum Beispiel den Sozialbau, oder wir kommunalisieren oder vergesellschaften eigentlich den Wohnbau.

9. Dr. Wilfried Ludwig Weh fragt: Im Unionsrecht gibt es keine Möglichkeit für den Bürger, sich bei einem Unionsgericht über die Verletzung seiner unionsrechtlichen Ansprüche zu beschweren. Wie könnte und soll die Möglichkeit der direkten Beschwerde der Unionsbürger sichergestellt werden?

Anastasiou: Das Erste, was wir sicherstellen müssen, ist, dass Demokratie tatsächlich auf europäischer Ebene ausgeweitet wird. Das heißt, das Europaparlament in der Form, in der es das jetzt gibt, ist eigentlich ein halbes Parlament: Kann nicht Gesetze verabschieden und kann auch nicht das Budget verabschieden. Natürlich, für die Beziehung zwischen BürgerInnen sozusagen und eben die Regierungsebene – in unserem Fall Europaebene – sollte es Schnittstellen sozusagen geben, die das ermöglichen. Es gibt aber, wollte ich noch darauf hinweisen, den Ombudsmann in jedem europäischen Land, da kann man sich an den immer wenden.

10. Anonym: Die Europäische Linke hat mit großer Mehrheit im EU-Parlament gegen das digitale Urheberrecht gestimmt. Wie wollen Sie Künstlerinnen und Künstlern, die in sonst zwar so ziemlich allen Themenfeldern überaus links orientiert sind, aber sich in diesem einen Fall plötzlich eher von den Konservativen unterstützt fühlen, zu einer Stimme für die Linke animieren?

Anastasiou: Na ja, also erstens einmal: die GUE-NGL hat tatsächlich bei diesen Gesetz nicht einheitlich gestimmt, aber mehrheitlich gegen … dagegen gestimmt. Das ist einmal der erste Teil. Sonst treten wir ein eigentlich für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ich finde schon, dass Kunst und Kulturschaffen sich, also, es ist eine sehr wichtige Gesellschaft, es hat eine sehr, sehr wichtige gesellschaftliche Funktion, und um die Freiheit der Kunst der Kultur zu garantieren, muss es eigentlich Sicherungen geben, und das kann in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens gelöst werden, für Künstlerinnen und Künstler.

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