Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un
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Südkorea

Nordkorea feuerte Geschoße ab

Nordkorea hat nach Angaben Südkoreas am Donnerstag mehrere Geschoße abgefeuert. Das südkoreanische Militär teilte mit, die Geschoße seien in Richtung Osten abgefeuert worden. Laut südkoreanischen Medienberichten setzte das Land damit seine Waffentests fort.

Laut Militär soll es sich um zwei Kurzstreckenraketen gehandelt haben. Sie seien um 16.30 Uhr (Ortszeit) abgefeuert worden, teilte die südkoreanische Militärspitze am Donnerstag mit. Die Identifizierung der Geschoße sei in Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten erfolgt, hieß es weiter. Die Raketen seien von der Sino-Ri-Raketenbasis nordwestlich der Hauptstadt Pyöngyang abgeschossen worden. Sie flogen laut den Angaben 420 Kilometer bzw. 279 Kilometer weit.

Zuvor hatte es geheißen, das nordkoreanische Militär habe „nicht identifizierbare Projektile“ vom Westen des Landes aus in östliche Richtung abgefeuert. Der Abschuss erfolgte während eines Besuchs eines US-Gesandten in Seoul zu Gesprächen über einen Ausweg aus den festgefahrenen Atomgesprächen.

Testabschüsse von Raketen in Nordkorea
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Laut Experten und Expertinnen verwendet Nordkorea das Abfeuern von Geschoßen als Druckmittel

Das zweite Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un war im Februar in Vietnam vorzeitig abgebrochen worden. Beide Seiten konnten sich in der zentralen Frage der atomaren Abrüstung Nordkoreas nicht einigen. Pjöngjang forderte eine Aufhebung eines Großteils der internationalen Sanktionen – ebenfalls erfolglos. Die Unsicherheit in der Gegend nahm daraufhin wieder zu.

Kim zelebriert Waffentests

Nordkorea hatte zuletzt wieder mehrfach Waffentests vorgenommen. Fachleuten zufolge versucht Pjöngjang damit, in den festgefahrenen Atomverhandlungen den Druck auf die USA zu erhöhen. Erst am Samstag hatte Nordkorea nach eigenen Angaben Mehrfachraketenwerfer und taktische Lenkwaffen getestet. Kim habe die Tests vom Samstag im Rahmen einer Übung persönlich überwacht und sich mit der Ausführung zufrieden gezeigt, berichteten die Staatsmedien am Sonntag. Experten vermuten, Nordkorea könnte ein ballistisches Raketensystem erprobt haben.

UNO-Resolutionen verbieten dem Land Raketentests unter Verwendung „ballistischer Raketentechnik“. Südkorea kritisierte die Waffentests und rief das Nachbarland auf, alles zu unterlassen, was neue Spannungen schüren könnte. Das Büro von Präsident Moon Jae In warf Nordkorea zudem vor, mit dem Waffentest gegen die Abmachungen des „innerkoreanischen Militärabkommens vom September“ 2018 über vertrauensbildende Maßnahmen zu verstoßen. Trump enthielt sich der Kritik und schrieb auf Twitter, er halte im Streit über die atomare Abrüstung Nordkoreas weiterhin eine Einigung für wahrscheinlich.

Grafik zeigt Nordkoreas Raketen- und Atomtests seit 1998
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: APA/CSIS/BBC

Kim: „Hoher Alarmstatus“ bleibt

Den nordkoreanischen Berichten zufolge war es Zweck der Raketenübung, die Einsatzfähigkeit und die Treffgenauigkeit „großkalibriger Mehrfachraketenwerfer und taktischer Lenkwaffen“ zu überprüfen. Die offizielle Zeitung „Rodong Sinmun“ veröffentlichte Fotos von Kim, wie er den Start verschiedener Waffensysteme mit einem Fernglas verfolgt.

Kim rief die Truppen nach der Übung auf, ihren „hohen Alarmstatus“ beizubehalten und die Kampfstärke zu verbessern. Die Truppen hätten ihre rasche Reaktionsfähigkeit unter Beweis gestellt, um „auf Befehl in jedem Moment in Kampfaktionen überzugehen“, wurde er zitiert. Das südkoreanische Verteidigungsministerium sagte am Sonntag, Nordkorea habe vermutlich 240- und 300-Millimeter-Raketenwerfer sowie „eine neue Art taktischer Lenkwaffen“ getestet.

Experte: Nach Treffen mit Putin

Das Mitglied der Föderation amerikanischer Wissenschaftler, Ankit Panda, schrieb auf Twitter, die gezeigten Waffen glichen dem taktischen ballistischen Raketensystem Iskander aus russischer Produktion. „Irgendwie witzig aus meiner Sicht, dass Kim so bald nach seinem Treffen mit (Wladimir) Putin etwas testet, was wie Iskander aussieht“, schrieb Panda unter Anspielung auf das erste Treffen des russischen Präsidenten mit Kim Ende April in Wladiwostok. Er sei sich allerdings „nahezu sicher“, dass die von Nordkorea getesteten Waffen an die Leistung der Iskander nicht herankämen.

Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die einen konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengkopf befördern können. Neue Tests mit solchen Raketen durch Nordkorea würden als offene Herausforderung Trumps gewertet werden.

Südkorea kann sich humanitäre Hilfe vorstellen

Südkorea erwägt unterdessen eine Wiederaufnahme von humanitärer Hilfe für das von einer Hungersnot bedrohte Nordkorea. Die jüngsten Berichte internationaler Organisationen über die Versorgungsprobleme in Nordkorea hätten große Besorgnis ausgelöst, teilte das Vereinigungsministerium in Seoul am Mittwoch mit.

Es werde derzeit „überprüft“, wie die Hilfe für Nordkorea aussehen könnte, sagte eine Sprecherin. Konkrete Pläne gebe es bisher nicht. Zuletzt habe Südkorea auf Regierungsebene 2007 über das Welternährungsprogramm (WFP) Hilfe für Nordkorea geleistet.