Demonstration gegen Monsanto in Paris
Reuters/Emmanuel Foudrot
Neuer Vorwurf

Monsanto wollte Kritiker „erziehen“

Die Negativschlagzeilen um den vom deutschen Chemiekonzern Bayer übernommenen US-Agrarkonzern Monsanto reißen nicht ab: Wie französische Medien am Donnerstag berichteten, habe Monsanto in Frankreich „geheime Listen“ von Kritikern geführt. Erklärtes Ziel sei es gewesen, diese zu „überwachen“ und besonders hartnäckige Gegner zu „erziehen“.

Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete daraufhin am Freitag ein Ermittlungsverfahren gegen den Saatgut- und Pestizidhersteller ein. Gegen Monsanto sei ein Ermittlungsverfahren wegen illegaler Erfassung privater Daten eingeleitet worden, teilte die Staatsanwaltschaft in Paris mit. Sie reagierte damit auf eine Klage der Zeitung „Le Monde“ und eines Journalisten, dessen Name auf der Liste stand.

In der von einer Lobbyfirma im Auftrag von Monsanto geführten Liste waren nach Angaben des TV-Senders France 2 zuletzt 200 Namen aufgeführt, darunter Politiker, Wissenschaftler und Journalisten mit Privatadresse und Telefonnummer. Mit einer „Benotung“ von null bis fünf sollte den Angaben zufolge auch der den jeweiligen Personen zugesprochene Einfluss bewertet werden.

Leck bei PR-Firma

Wie die Zeitung „Le Monde“ berichtete, sei die „Fichier Monsanto“ (in etwa: Monsanto-Akt, Anm.) Ende 2016 inmitten der Debatte über die Verlängerung der Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat erstellt worden. Die „Le Monde“ und France 2 zugespielte „Fichier Monsanto“ stamme der Zeitung zufolge von einem Leck einer großen Lobbying- und PR-Firma. Diese sei von Monsanto mit dem Ziel angeheuert worden, die in Europa angestrebte Verlängerung der Glyphosat-Zulassung öffentlichkeitswirksam zu verteidigen.

Pesitzide von Monsanto
Reuters/Charles Platiau
Glyphosat wurde als Unkrautvernichtungsmittel Roundup weltweit zum Bestseller

Die Hälfte der Liste umfasse Journalisten, darunter auch vier eigene Mitarbeiter, wie die Nachrichtenagentur berichtete. Unter den angeführten Personen befinde sich auch die damalige Umweltministerin Segolene Royal. Wohl wegen ihrer strikt ablehnenden Haltung zu Glyphosat sei sie als „null beeinflussbar“ gelistet. Die Sozialistin nannte es „pervers“, Menschen derartig einzustufen. Sie forderte Schritte, „um das System von schädlichem Lobbying zu säubern“.

Strafrechtlich „problematisch“

Auch „Le Monde“ stellte juridische Schritte wegen Datenmissbrauchs in den Raum. Andere Medien wollen sich in der Causa an die Datenschutzbehörde CNIL wenden. Laut AFP bereiten zudem die Nichtregierungsorganisationen Foodwatch und Generations Futures, die gegen Pestizide in Lebensmitteln vorgehen, bereits Klagen vor.

Laut „Le Monde“ ist die Erstellung von Datenbanken mit personenbezogenen Daten, welche die politischen Meinungen einer Person ohne deren Zustimmung offenbaren, verboten. Die Monsanto-Liste ist laut „Le Monde“ zumindest „problematisch“.

Der Bayer-Konzern erklärte auf Anfrage der Agentur AFP, er habe „keine Kenntnis“ von den Vorgängen bei seiner heutigen Tochter gehabt. Zudem verwies der deutsche Konzern auf „die große Bedeutung des Datenschutzes“. Das von „Le Monde“ angeführte Lobbyunternehmen wollte der Zeitung zufolge die Vorwürfe bisher nicht kommentieren.

Aufstand der Aktionäre

Mit der Übernahme von Monsanto sieht sich die Bayer-Führung indes auch mit zunehmendem Unmut der Aktionäre konfrontiert. Mehr als deutlich wurde das bei der Hauptversammlung Ende April, bei der der Vorstand nicht entlastet wurde. Bayer-Chef Werner Baumann ist damit der erste amtierende Vorstandschef eines DAX-Konzerns, dem die Anteilseigner das Vertrauen entzogen haben.

Sie kritisieren vor allem die teure Übernahme des US-Rivalen. Seit dem Kauf im vergangenen Sommer hat Bayer gut 38 Milliarden Euro an Börsenwert verloren. Allein in den USA ist Bayer zudem mit rund 13.400 Klagen wegen einer mutmaßlich krebserregenden Wirkung von Glyphosat konfrontiert. Glyphosat wird immer wieder für Krebserkrankungen verantwortlich gemacht, die Einschätzungen dazu widersprechen einander allerdings. Die Substanz ist Hauptbestandteil des Pflanzenschutzmittels Roundup.

Attac-Aktivisten vor der Bayer-Hauptquartier in Paris
AP/Francois Mori
Bayer sieht sich nach der Monsanto-Übernahme mit verschärfter Kritik konfrontiert

EPA: „Weiterhin keine Risiken“

Die US-Umweltbehörde EPA teilte unterdessen mit, Glyphosat weiterhin nicht als krebserregend einzustufen, und widersprach damit mehreren jüngst in den USA gefällten Gerichtsurteilen. „Die EPA sieht weiterhin keine Risiken für die öffentliche Gesundheit, wenn Glyphosat entsprechend den aktuellen Anweisungen verwendet wird.“

Dennoch sieht sich Bayer mit millionenschweren Schadenersatzzahlungen konfrontiert. In den USA war Monsanto im August zur Zahlung von Schadenersatz an einen früheren Hausmeister verurteilt worden, der Roundup für seine Krebserkrankung verantwortlich macht. Ende März befand eine Jury in einem weiteren Verfahren, dass Monsanto nicht ausreichend vor den Risiken des Einsatzes von Roundup gewarnt habe. Monsanto muss fast 81 Millionen Dollar (knapp 72 Mio. Euro) an einen an Krebs erkrankten Kläger aus den USA zahlen.

„Ziemlich massiv betroffen“

Baumann verteidigte vor Kurzem zwar den umgerechnet rund 55,8 Milliarden Euro schweren Monsanto-Kauf als „gute Idee“. Der Bayer-Chef gestand aber auch ein, dass die Glyphosat-Prozesse am Image von Bayer kratzen. „Wir haben zwei Fälle erstinstanzlich verloren. Aufgrund dieser Tatsache ist das Unternehmen ziemlich massiv betroffen.“ Deutlich werde das an den Reputationswerten vor allem in Deutschland und Frankreich, weniger in den USA, wie Baumann sagte.

Die französische Verbraucherschutzbehörde ANSES will unterdessen mit einer „unabhängigen Studie“ über die tatsächlichen Gesundheitsauswirkungen von Glyphosat aufklären. Ziel sei es, die „Kontroverse über die von Glyphosat ausgehenden Gefahren“ zu beenden, wie eine Vertreterin von ANSES im April sagte.

Klagen nicht nur wegen Glyphosat

Bayer sieht sich nach der Monsanto-Übernahme nicht nur mit Klagen wegen Glyphosat konfrontiert. In Frankreich führt beispielsweise der heutige Biobauer Paul Francois schwere Gesundheitsprobleme auf den inzwischen verbotenen Unkrautvernichter Lasso von Monsanto zurück, mit dem er früher seine Felder behandelte.

In dem seit Jahren laufenden Verfahren hat Francois erst im April erneut recht bekommen. Das Berufungsgericht in Lyon entschied, Monsanto sei wegen „fehlerhafter Produkte“ verantwortlich. Auch in erster Instanz 2012 und im Berufungsverfahren 2015 gaben französische Gerichte Francois recht, Monsanto ging jedoch in Berufung.