Amazon Verteilfahrzeug
Reuters/Lucy Nicholson
Kündigung angetragen

Amazon macht Angestellten Angebot

Amazon bietet seinen Angestellten an, sie beim Start eigener Firmen zu unterstützen, wenn diese dann auch die Pakete des Onlinehändlers ausliefern. Dafür müssten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuerst aber kündigen. Amazon muss seine Strategie adaptieren, denn durch ehrgeizige Versprechen steht das Unternehmen unter Druck.

Dem Internethandel scheinen derzeit kaum Grenzen nach oben gesetzt, als größter Vertreter und Profiteur entwickelte sich Amazon zu einer Geldmaschine. Der Umsatz stand 2018 bei 193 Milliarden US-Dollar (172 Mrd. Euro). Das Wachstum fängt aber allmählich an zu schwächeln. Im ersten Quartal wuchs der Konzern um 17 Prozent. Während sich manche Firma über dieses Plus freuen würde, ist es für Amazon das vierte Quartal mit abflauendem Umsatzwachstum.

Amazon will nun die kostenlose Lieferung binnen 24 Stunden zum Standard für Prime-Kundinnen und -Kunden machen (bisher sind es zwei Tage). Zunächst soll das Service in den USA und dann weltweit kommen. Doch dafür muss die konzerninterne Infrastruktur erst einen Schritt nach vorn tun. Für die Umsetzung des Versprechens werden mehr Arbeitskräfte und mehr Warenlager benötigt. Die gesamte Logistik muss erweitert werden. Dafür will der Konzern im laufenden Quartal insgesamt rund 800 Millionen Dollar ausgeben.

Unabhängig von Post und Co.

Ein Teil davon fließt in ein Anreizprogramm für Amazons Angestellte. Sie sollen, wie die Nachrichtenagentur AP am Montag berichtete, eigene Lieferfirmen gründen, die für den Onlineriesen ausliefern sollen. Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin in dieses Programm aufgenommen wird, will der Konzern bis zu 10.000 US-Dollar an Start-up-Kosten übernehmen. Zudem erhält man bis zu drei Monate weiterhin Gehalt – doch muss man freilich kündigen. Wie viele Mitarbeiter Amazon damit in die Selbständigkeit bringen will, blieb offen.

Amazon-Verteilzentrum
APA/Hans Klaus Techt
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen selbständig werden, hofft Amazon

Andere Anreize für selbstständige Lieferfirmen, die im Auftrag von Amazon zustellen, gibt es schon länger. Das Unternehmen aus Seattle will sich damit von herkömmlichen Postdiensten unabhängig machen. So werden kleinere Partner etwa durch günstige Leasingverträge gelockt.

Automatisierung lässt Jobs wegfallen

Gleichzeitig versucht Amazon, die Automatisierung seiner Paketzentren voranzutreiben. „Wir testen eine neue Technologie mit dem Ziel, Sicherheit, bessere Lieferzeiten und die Effizienz in unserem ganzen Netzwerk zu erhöhen“, hieß es am Montag in einem Statement von Amazon, nachdem Berichte über neue Verpackungsmaschinen publik wurden.

Der Sorge, die Automatisierung innerhalb des Konzerns könnte in den kommenden Jahren Hunderte Jobs allein in den USA kosten, wird mit Argumenten entgegengetreten. „Wir erwarten, dass die Einsparungen bei der Effizienz in neue Services für die Kunden reinvestiert werden, die auch neue Jobs hervorbringen werden“, so die Stellungnahme.

Vorwurf der Überwachung

Wie der Onlineriese mit seinen Angestellten umgeht, war schon Anlass für zahllose Schlagzeilen und auch Klagen. So wurde kürzlich bekannt, dass Amazon in den vergangenen acht Jahren mit mindestens sieben Verfahren wegen Diskriminierung schwangerer Frauen konfrontiert war.

Die US-Medienwebsite CNET berichtete etwa von Frauen, die gefeuert wurden, nachdem sie während der Schwangerschaft längere Toilettenpausen eingefordert hatten. Software, die in den Paketzentren verwendet werde, zeichne jede Pause der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf, auch den Gang zur Toilette. Amazon widersprach diesen Berichten.

Die Website The Verge hatte zuletzt recherchiert, dass Amazon „Hunderte“ Belegschaftsmitglieder im Jahr kündigt, weil die angestrebte Produktivität nicht erreicht werde. Auch das soll durch Software festgestellt worden sein.

Streit mit Gewerkschaften

Gewerkschaften aus gut 15 Ländern traten im April gemeinsam gegen Amazon auf. „Amazon tritt die Rechte der Beschäftigten mit Füßen“, so Stefanie Nutzenberger, Gewerkschafterin der deutschen ver.di, damals. Der Konzern wies die Vorwürfe stets zurück. Amazon und ver.di liegen seit Jahren im Clinch, weil die Gewerkschaft Bezahlung nach Kollektivvertrag fordert. Auch in Spanien und Italien gab es Streiks gegen das Unternehmen. Amazon ist der Meinung, das Unternehmen sei auch so ein „fairer und verantwortungsbewusster Arbeitgeber“.

Das europäische Netzwerk von Amazon beschäftigt rund 82.000 Menschen. In Österreich, wo Amazon 2017 rund 690 Mio. Euro Umsatz gemacht hat, wurde heuer das Verteilzentrum Großebersdorf in Niederösterreich eröffnet. Hier gab es bisher keine Unregelmäßigkeiten. Auch seien hier die 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laut Konzern kollektivvertraglich abgesichert.