Der Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“
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Atomstreit mit dem Iran

Tiefe Gräben zwischen USA und Europa

Angesichts neuer Spannungen in der Golfregion haben bei einem Treffen der EU-Außenminister vor allem Deutschland und Großbritannien die USA vor einem Krieg mit dem Iran dringlich gewarnt. US-Außenminister Mike Pompeo, der zu einem Kurzbesuch zu dem Treffen gekommen war, blieb allerdings weiter auf Linie. Sehr zum Unmut der EU-Außenminister.

Pompeo hielt nach Angaben vom Diplomaten am Montag an den Forderungen fest, die harte US-Linie zu unterstützen. Die USA hatten zuletzt unter anderem einen Flugzeugträger und eine Bomberstaffel Richtung Iran verlegt. Zur Begründung hieß es, dass der Iran US-Truppen angreifen könnte.

Die USA hatten den Druck auf die iranische Führung zuletzt stark erhöht, unter anderem mit Sanktionen und militärischen Drohungen. Schon vor einem Jahr war US-Präsident Donald Trump einseitig aus dem Atomabkommen ausgestiegen. Er warf dem Iran vor, Unruhe in der Region zu schüren und Terrorismus zu unterstützen.

Der Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“
APA/AFP/US-Navy
Die „Abraham Lincoln“ durchquert den Sueskanal

Die anderen Unterzeichnerstaaten des Wiener Abkommens von 2015 – Deutschland, Großbritannien, China, Frankreich und Russland – wollen trotz teilweise bestehender Skepsis genauso wie die EU das Atomabkommen erhalten und verweisen darauf, dass der Iran bisher alle eingegangenen Verpflichtungen einhält.

Großbritannien warnt vor Eskalationsspirale

Der britische Außenminister Jeremy Hunt warnte vor dem Ausbruch eines militärischen Konflikts. „Wir sind äußerst besorgt, dass es aus Versehen zu einem Konflikt kommen könnte – mit einer Eskalation, die von keiner Seite gewollt ist“, sagte Hunt am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel.

Der britische Außenminister Jeremy Hunt
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Der britische Außenminister Jeremy Hunt warnt, es könnte „aus Versehen“ zu einer militärischen Außeneinandersetzung kommen

Hunt spielte mit seinen Äußerungen offensichtlich darauf an, dass die USA zuletzt eine Erhöhung ihrer Militärpräsenz im Nahen Osten angekündigt hatten. Das Pentagon verlegte den Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“ und eine Bomberstaffel Richtung Iran und begründete das damit, dass es Hinweise darauf habe, dass das Land Angriffe auf US-Truppen unternehmen könne. Zudem wurde die Verlegung der „USS Arlington“ und eines Patriot-Systems in die Region angekündigt.

EU ruft zu Zurückhaltung auf

Die EU rief in den Gesprächen mit Pompeo zur Zurückhaltung auf. Man habe ihm gesagt, dass die Entwicklung im Iran nun am Scheidepunkt stehe, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Die EU habe betont, dass deshalb verantwortungsvolles Handeln und das Vermeiden einer militärischen Eskalation am wichtigsten seien.

Laut FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) traf Pompeo ihre Ressortkollegen aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien (EU-3) sowie Mogherini einzeln. Sie zeigte sich enttäuscht, hätte sich Kneissl doch erwartet, dass Pompeo sich „ins Kollektiv hineinbegibt“, da alle EU-Mitgliedsstaaten dem Internationalen Atomabkommen (JCPOA) mit dem Iran eine große Bedeutung zumessen würden.

Deutschland stellt sich gegen Pompeo

Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas warnte Pompeo vor einer militärischen Auseinandersetzung mit dem Iran. Er habe deutlich gemacht, „dass wir besorgt sind hinsichtlich der Entwicklung und der Spannungen in der Region“, sagte Maas am Montag in Brüssel nach einem bilateralen Treffen mit Pompeo. Er habe auch klargemacht, „dass wir nicht wollen, dass es zu einer militärischen Eskalation kommt“.

Beide Seiten verfolgten mit Blick auf Teheran dieselben Ziele, sagte Maas, „nämlich keine Nuklearwaffen für den Iran“ und „eine andere Rolle des Iran in der Region“. Deutschland sei aber – im Gegensatz zu den USA – weiter der Auffassung, dass das Atomabkommen mit Teheran „Grundlage dafür ist, dass der Iran keine Nuklearwaffen hat“.

Mysteriöse „Sabotageakte“ gegen Schiffe im Golf

Auch ein weiterer Vorfall in der Region sorgt für Aufregung. Der Iran bezeichnete am Montag Meldungen über „Sabotageakte“ gegen vier Handelsschiffe vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate als „alarmierend“ und „besorgniserregend“. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Abbas Mussawi, forderte am Montag eine Untersuchung, die Klarheit über die Tragweite der Attacken bringen müsse. Zugleich warnte er vor „Abenteurertum ausländischer Akteure“. Solche Vorfälle hätten „negative“ Auswirkungen auf die Schifffahrt im Golf.

ORF-Korrespondent Jörg Winter analysiert

Hat die EU überhaupt noch irgendwelche Trümpfe in der Hand, um den Iran am Festhalten am Atomdeal zu überreden? Jörg Winter analysiert.

Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien hatten zuvor „Sabotageakte“ gegen vier Handelsschiffe vor der Golfküste der Emirate gemeldet. „Vier kommerzielle, zivile Handelsschiffe unterschiedlicher Nationalitäten“ seien Sonntagfrüh „Sabotageakten“ vor der Küste des Emirats Fudschaira im Nordosten des Landes ausgesetzt gewesen, teilte das Außenministerium in Abu Dhabi mit. Das Ministerium machte keine näheren Angaben zur Art der Vorfälle.

Nach Angaben Riads stammten zwei der attackierten Schiffe aus Saudi-Arabien. Die beiden Öltanker seien bei dem „Sabotageakt“ erheblich beschädigt worden, sagte der zuständige Energieminister Chalid al-Falih der staatlichen Nachrichtenagentur SPA. Die Besatzung der Schiffe sei unverletzt geblieben. Das sei ein Versuch, weltweit die Sicherheit von Öllieferungen zu gefährden, sagte Falih am Montag laut SPA weiter. Angaben zur Art des Angriffs und über den oder die Angreifer wurden nicht gemacht.

Iran versucht zu beruhigen

Die iranische Atomorganisation (IAO) trat unterdessen Befürchtungen entgegengetreten, der Iran plane nach seinem Teilausstieg aus dem internationalen Atomabkommen den Bau von Kernwaffen. „Wir wollen mit dem Teilausstieg weder jemanden provozieren noch planen wir damit ein unfriedliches Nuklearprogramm“, sagte Behrus Kamalwandi, IAO-Sprecher, am Montag. Der Iran werde sich nur nicht mehr an Verpflichtungen eines Abkommens halten, wenn die Gegenseite das auch nicht tue, sagte er dem Nachrichtensender Al-Alam.

Präsident Hassan Rouhani hatte vergangene Woche zum Jahrestag des US-Ausstiegs aus dem Wiener Atomabkommen von 2015 seinerseits ein partielles Aussetzen der Vereinbarungen verkündet. In der ersten Phase werde der Iran sich nicht mehr an die Abmachung halten, maximal 300 Kilogramm Uran und 130 Tonnen Schwerwasser im Land zu behalten und den Rest ins Ausland zu schicken oder zu verkaufen. Falls der Atomdeal innerhalb von zwei Monaten nicht vertragsgerecht umgesetzt werde, werde der Iran in einer zweite Phase Uran unbegrenzt höher anreichern als die bisher zulässigen 3,67 Prozent.

Laut Kamalwandi wurde dieser Schritt auch der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien mitgeteilt. Auf die Frage nach der Reaktion der IAEA sagte er: „Die IAEA ist Beobachter, kein Richter.“ Außerdem gebe es seiner Meinung nach kein einziges Land auf der Welt, das die iranische Reaktion auf den Vertragsbruch der USA nicht nachvollziehe und sie nicht als legitim einstufe.