U.S. Marines bei Abreise
Reuters/US-Navy
Bis zu 120.000 Mann

USA prüfen militärische Pläne in Iran-Konflikt

In der US-Regierung werden einem Medienbericht zufolge mehrere militärische Optionen diskutiert für den Fall, dass der Iran amerikanische Streitkräfte angreifen oder die Arbeit an Atomwaffen vorantreiben sollte. Einer der möglichen Pläne sehe vor, 120.000 Soldaten in den Nahen Osten zu entsenden, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf Regierungsvertreter.

Der kommissarische Verteidigungsminister Patrick Shanahan habe den Plan bei einem Treffen mit Spitzenberatern von Präsident Donald Trump am Donnerstag vorgestellt. Das Präsidialamt war für eine Stellungnahme noch nicht zu erreichen. Das Pentagon wollte sich nicht zu dem Bericht äußern. Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran nahmen zuletzt zu. Die USA haben einen Flugzeugträger und eine Bomberstaffel in die Region entsandt.

Laut „New York Times“ zeigt die Entwicklung den wachsenden Einfluss des Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton, der seit jeher als außenpolitischer Hardliner gilt – insbesondere gegenüber dem Iran. Bereits unter George W. Bush hatte sich Bolton – vergeblich – für eine militärische Konfrontation mit dem Iran ausgesprochen.

Soldatin an Deck der „USS Abraham Lincoln“ beim Durchqueren des Suez-Kanals
AP/US-Navy/Dan Snow
Der US-Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“, hier im Sueskanal, wurde von Trump bereits zuvor in den Persischen Golf beordert

Trump, der eine isolationistische Politik verfolgt, gilt als entschiedener Gegner von US-Militäreinsätzen. Er versuchte auch, US-Truppen völlig aus Syrien und Afghanistan abzuziehen. Es sei daher letztlich „sehr unwahrscheinlich“, dass sich Trump tatsächlich für die Entsendung und den Einsatz größerer US-Truppenkontingente im Nahen Osten entscheiden würde, so die „New York Times“.

Trump warnt Iran vor schwerem Fehler

Zuvor hatte Trump den Krieg der Worte verschärft. Am Montag warnte er Teheran vor einem „schweren Fehler“. Die EU warnte ihrerseits vor einer Eskalation des Konflikts. Ein Blitzbesuch von US-Außenminister Mike Pompeo in Brüssel hinterließ offene Fragen.

Wenn der Iran „etwas“ gegen die USA unternehme, werde das Land „stark leiden“, drohte Trump vor der Presse im Weißen Haus in Washington. Seine Warnung vor einem „schweren Fehler“ präzisierte er nicht weiter. Die USA haben Teheran im Verdacht, hinter militärischen Sabotageakten auf Tankschiffe im Persischen Golf zu stehen. Der Iran weist das vehement zurück.

Ein überraschender Besuch Pompeos in Brüssel trug offenbar nicht zu einer Deeskalation bei. Er hatte seine Ressortkollegen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini getroffen – überraschend und auf dem Weg zu einem Termin mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstag. Mogherini verneinte auf Nachfrage der Presse, dass Pompeo die Europäer um Vermittlung gebeten habe, und hielt sich auch zu Erkenntnissen über die mutmaßlichen Sabotageaktionen an den Schiffen im Golf bedeckt.

Mike Pompeo
APA/AFP/John Thys
US-Außenminister Mike Pompeo überraschte mit einem Blitzbesuch in Brüssel

Im Vorjahr hatte Trump einseitig das Atomabkommen mit Teheran aufgekündigt. Die anderen Unterzeichnerstaaten des Wiener Abkommens von 2015 – Deutschland, Großbritannien, China, Frankreich und Russland – wollen trotz teilweise bestehender Skepsis genauso wie die EU das Abkommen erhalten und verweisen darauf, dass der Iran bisher alle eingegangenen Verpflichtungen einhält.

Pompeo trifft Putin

Am Dienstag trifft US-Außenminister Mike Pompeo in Sotschi den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auch hier wird der Iran im Zentrum stehen.

Großbritannien warnt vor Eskalationsspirale

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens warnten die USA eindringlich vor einem Krieg mit der Islamischen Republik. „Wir sind äußerst besorgt, dass es aus Versehen zu einem Konflikt kommen könnte – mit einer Eskalation, die von keiner Seite gewollt ist“, sagte der britische Außenminister Jeremy Hunt in Brüssel.

Er spielte mit seinen Äußerungen offensichtlich darauf an, dass die USA zuletzt eine Erhöhung ihrer Militärpräsenz im Nahen Osten angekündigt hatten. Das Pentagon verlegte die „USS Abraham Lincoln“ und Kampfflugzeuge einer Bomberstaffel Richtung Iran und begründete das damit, dass es Hinweise darauf habe, dass das Land Angriffe auf US-Truppen unternehmen könne. Zudem wurde die Verlegung der „USS Arlington“ und eines Patriot-Raketenabwehrsystems in die Region angekündigt.

EU ruft zu Zurückhaltung auf

Die EU rief in den Gesprächen mit Pompeo zur Zurückhaltung auf. Man habe ihm gesagt, dass die Entwicklung im Iran nun am Scheidepunkt stehe, sagte Mogherini. Die EU habe betont, dass deshalb verantwortungsvolles Handeln und das Vermeiden einer militärischen Eskalation am wichtigsten seien. Laut FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) traf Pompeo ihre Ressortkollegen aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien (EU-3) sowie Mogherini einzeln. Sie zeigte sich enttäuscht, hätte sich Kneissl doch erwartet, dass Pompeo sich „ins Kollektiv hineinbegibt“, da alle EU-Mitgliedsstaaten dem Internationalen Atomabkommen (JCPOA) mit dem Iran eine große Bedeutung zumessen würden.

Deutschland stellt sich gegen Pompeo

Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas warnte Pompeo vor einer militärischen Auseinandersetzung mit dem Iran. Er habe deutlich gemacht, „dass wir besorgt sind hinsichtlich der Entwicklung und der Spannungen in der Region“, sagte Maas am Montag in Brüssel nach einem bilateralen Treffen mit seinem US-Kollegen. Er habe auch klargemacht, „dass wir nicht wollen, dass es zu einer militärischen Eskalation kommt“.

Beide Seiten verfolgten mit Blick auf Teheran dieselben Ziele, sagte Maas, „nämlich keine Nuklearwaffen für den Iran“ und „eine andere Rolle des Iran in der Region“. Deutschland sei aber – im Gegensatz zu den USA – weiter der Auffassung, dass das Atomabkommen mit Teheran „Grundlage dafür ist, dass der Iran keine Nuklearwaffen hat“.

ORF-Korrespondent Jörg Winter analysiert

Hat die EU überhaupt noch irgendwelche Trümpfe in der Hand, um den Iran am Festhalten am Atomdeal zu überreden? Jörg Winter analysiert.

Iran versucht zu beruhigen

Die iranische Atomorganisation (IAO) trat unterdessen Befürchtungen entgegen, der Iran plane nach seinem Teilausstieg aus dem internationalen Atomabkommen den Bau von Kernwaffen. „Wir wollen mit dem Teilausstieg weder jemanden provozieren noch planen wir damit ein unfriedliches Nuklearprogramm“, sagte IAO-Sprecher Behrus Kamalwandi am Montag. Sein Land Iran werde sich nur nicht mehr an Verpflichtungen eines Abkommens halten, wenn die Gegenseite das auch nicht tue.

Der iranische Präsident Hassan Rouhani hatte vergangene Woche zum Jahrestag des US-Ausstiegs aus dem Wiener Atomabkommen von 2015 seinerseits ein partielles Aussetzen der Vereinbarungen verkündet. In der ersten Phase werde der Iran sich nicht mehr an die Abmachung halten, maximal 300 Kilogramm Uran und 130 Tonnen Schwerwasser im Land zu behalten und den Rest ins Ausland zu schicken oder zu verkaufen. Falls der Atomdeal innerhalb von zwei Monaten nicht vertragsgerecht umgesetzt werde, werde der Iran in einer zweite Phase Uran unbegrenzt höher anreichern als die bisher zulässigen 3,67 Prozent.

Laut Kamalwandi wurde dieser Schritt auch der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien mitgeteilt. Auf die Frage nach der Reaktion der IAEA sagte er: „Die IAEA ist Beobachter, kein Richter.“ Außerdem gebe es seiner Meinung nach kein einziges Land auf der Welt, das die iranische Reaktion auf den Vertragsbruch der USA nicht nachvollziehe und sie nicht als legitim einstufe.