Stadtansicht von Sydney
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Australien

Wahl zwischen Klimakrise und „Königsmord“

Australien entscheidet am Samstag über ein neues Parlament und einen neuen Premier. Umfragen zufolge wird die Bevölkerung die konservative Regierung abstrafen und nach knapp sechs Jahren und zwei politischen „Königsmorden“ wieder die Sozialdemokraten an die Spitze hieven. Als wahlentscheidend gilt ein von vielen erhoffter Umbruch in der Klimapolitik.

Nur etwas mehr als einen Monat hatten die Parteien in dem 25-Millionen-Einwohner-Land Zeit, sich auf den Wahlkampf vorzubereiten. Denn der konservative Premierminister Scott Morrison gab den Wahltermin erst im April bekannt. Für Morrisons Partei steht einiges auf dem Spiel. Er selbst ist seit dem vergangenen Sommer Parteichef der Liberal Party und führt seither die Koalition mit der National Party an. Morrison löste damals Malcolm Turnbull ab, der von seiner eigenen Partei gestürzt worden war.

Die Liberalen versuchen, sich mit dem Fokus auf ihre harte Immigrationspolitik, Steuererleichterungen und der guten wirtschaftlichen Entwicklung über Wasser zu halten. Australien ist seit 28 Jahren ohne Rezession. Morrisons Herausforderer – dem früheren Gewerkschaftschef Bill Shorten von der Labor-Partei – wirft er eine Wirtschaftspolitik vor, die Unternehmen schaden und Arbeitsplätze kosten würde. Dabei schossen Lebenserhaltungskosten unter der aktuellen Regierung in die Höhe, während Gehälter kaum wuchsen.

Der australische Premierminister Scott Morrison
APA/AFP/Sean Davey
Scott Morrison ist der sechste Premier in nur zwölf Jahren

Klimakrise als größte Sorge

Kurz vor der Wahl deutete einiges auf den Erfolg der oppositionellen Labor-Partei im Repräsentantenhaus, wo 151 Sitze neu vergeben werden, sowie im Senat, wo die Hälfte der 76 Sitze neu besetzt wird, hin. In den meisten Umfragen, die in Australien von großer innenpolitischer Bedeutung sind, liegt die Partei unter Shorten seit über zwei Jahren vorne. Parlamentswahlen in Australien gehen aber häufig knapp aus, einige wenige Mandate können den Ausschlag geben.

Grafik zeigt die Sitzverteilung im australischen Unterhaus (Tortengrafik)
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: IWF

Schlecht fährt Labor allein deshalb nicht, weil die Partei sich des Themas Klimakrise – mehr noch als die Liberalen – annimmt. Die Thematik ist aktuellen Umfragen zufolge, wie jüngst auch eine des TV-Senders ABC zeigte, die größte Sorge der Bevölkerung. Immerhin wurden erst im Sommer Rekordtemperaturen von knapp unter 50 Grad erreicht – auch das Ausbleichen weiter Teile des weltgrößten Korallenriffs, des Great Barrier Reef, macht regelmäßig Negativschlagzeilen.

Ureinwohner und Nobelpreisträger wollen Kurswechsel

Zuletzt legten australische Ureinwohnerinnen und Ureinwohner gar Beschwerde gegen ihre Regierung beim UNO-Menschenrechtsausschuss in Genf ein. Die Regierung setze sich nicht ausreichend für den Klimaschutz ein, hieß es. Die indigene Bevölkerung sieht ihre Heimat und Kultur durch die Erderwärmung und den steigenden Meeresspiegel bedroht.

Generell gelten die Aborigines als die am meisten benachteiligte Bevölkerungsgruppe des Landes – auch dagegen möchte die sozialdemokratische Labor-Partei vorgehen. Kurz vor der Wahl pochten überdies 60 australische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – darunter Nobelpreisträger – auf eine neue Klimapolitik der künftigen Regierung.

Ausgeblichene Korallen am Great Barrier Reef
APA/AFP/Mia Hoogenboom
Die Folgen der Klimakrise – wie das Ausbleichen weiter Teile des Great Barrier Reef – bereitet der Bevölkerung große Sorgen

Australien gehört im Vergleich mit anderen Staaten zu den 20 größten Klimasündern der Welt. Regierungsziel war es bisher, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 26 Prozent zu senken. Labor fordert mehr, nämlich 45 Prozent. Shorten plant dazu etwa, die Kohlesteuer wieder einzuführen, die die Liberal Party abgeschafft hat. Morrison hält dagegen, dass das die Konjunktur abwürgen würde. Generell scheiterten in dem Land schon etliche Politiker daran, eine fortschrittliche Umweltpolitik zu machen. Grund dafür ist die mächtige Bergbaulobby des Landes.

„Hölzern und uncharismatisch“

Die Umfragen zeigen paradoxerweise auch eines: Shorten schnitt in puncto persönliche Beliebtheitswerte im Vergleich mit Regierungschef Morrison wesentlich schlechter ab. Einem Bericht der Zeitung „The Australian“ zufolge brach er vor Kurzem sogar den Rekord für die dauerhaft negativsten Werte eines Oppositionschefs. Als „hölzern“ und „uncharistmatisch“ wird er dem Onlinemagazin Slate zufolge von vielen beschrieben.

Der australische Oppositionspolitiker Bill Shorten (Labor)
APA/AFP/William West
Shorten kämpft mit niedrigen Beliebtheitswerten

Die Hoffnung der Koalition sei es, dass die Abneigung der Wählerschaft gegenüber Shorten stark genug ist, um zu vergessen, wie sehr sich Morrisons Partei in der Vergangenheit zerfleischt hat, schreibt der „Guardian“. Immerhin kam nicht nur Morrison, sondern auch dessen Vorgänger Turnbull durch einen Putsch an die Macht der Liberal Party. In Australien sind politische „Königsmorde“ in den beiden größten Parteien fast Tradition – seit 2007 hielt kein Premier mehr eine volle Amtszeit durch.

Vertrauen in Politik auf Rekordtief

Negativschlagzeilen machten beide Großparteien auch in den vergangenen Wochen und Monaten. So machten die Konservativen jüngst mit dem Ausschluss von Mitgliedern wegen islamfeindlicher und homophober Aussagen von sich reden. In den eigenen Reihen hat die Partei zudem mit Sexismus- und Misogynievorwürfen zu kämpfen. Auch in der Labor-Partei kosteten sexistische – wie auch antisemitische – Bemerkungen bereits Posten.

Wahlplakate vor australischem Parlament
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Die Sozialdemokraten könnten bei der Wahl die Nase vorne haben

Generell hadern die Australierinnen und Australier mit dem Vertrauen in die Politik. Nur noch 41 Prozent der Menschen gaben in einer Umfrage der University of Canberra und des Museums für Australiens Demokratie Ende Dezember an, mit dem Zustand der Demokratie zufrieden zu sein. 2007 waren es noch 86 Prozent der Wählerschaft gewesen.

Wer nicht wählt, wird gestraft

Davon profitieren könnten auch andere: Als wesentlichen Faktor sahen Medien im Vorfeld am Samstag das Abschneiden unabhängiger Kandidaten sowie kleinerer Parteien. Während die Grünen mit ihrer Klimapolitik punkten könnten, stehen überdies die derzeit noch mitregiernden Nationalen sowie die Rechtsaußen-Parteien One Nation und United Australia im Rampenlicht. Sollten sie viele Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen, so wird damit auch die Regierungsbildung schwieriger.

Wählen dürfen und sollen am Samstag insgesamt 16 Millionen Menschen. Denn in Australien herrscht Wahlpflicht. Wer sich ohne triftigen Grund seiner Stimme enthält, muss Strafe zahlen: und zwar 20 australische Dollar (rund 12,40 Euro). Das führt dazu, dass die Wahlbeteiligung bei der letzten regulären Wahl 2016 über 90 Prozent betrug. Und: Wer wählen geht, kann sich vor einigen Wahlbüros auch belohnen. Denn vielerorts wird am Wahltag eine „Demokratie-Wurst“, also eine Bratwurst in einer Semmel, verkauft.