Abtreibungsgegner halten vor dem Alabama State House Plakate in die Höhe
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Alabama

Etappensieg für US-Abtreibungsgegner

Der Senat von Alabama hat am Dienstagabend ein Gesetz verabschiedet, das Abtreibungen in dem US-Bundesstaat in fast allen Fällen verbieten soll. Die Befürworter verfolgen jedoch ein weitreichenderes Ziel: das Recht auf Abtreibung grundsätzlich zu Fall zu bringen. Sie hoffen nun auf Unterstützung durch den Supreme Court.

Die Kammer stimmte mit der republikanischen Mehrheit für die umstrittene Neuregelung, wie US-Medien übereinstimmend berichteten. Ärzte und Ärztinnen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, könnten künftig mit bis zu 99 Jahren Haft bestraft werden. Strafbar wären dem neuen Gesetz zufolge auch Schwangerschaftsabbrüche nach Vergewaltigung und nach Inzest. Ausgenommen wären nur Fälle, in denen eine Abtreibung notwendig ist, „um eine ernste Gesundheitsgefahr für die Mutter des ungeborenen Kindes zu verhindern“.

Bobby Singleton, Chef der Demokraten im Senat von Alabama, warf den Unterstützern des neuen Gesetzes vor, sie hätten „den Staat Alabama gerade selbst vergewaltigt“. Sichtlich bewegt sagte er in Richtung der strikten Abtreibungsgegner: „Ihr sagt zu meiner Tochter: Du bist im Staat Alabama nicht wichtig. Es ist okay, wenn Männer dich vergewaltigen, und wenn du schwanger wirst, musst du sein Baby auch austragen.“

Abtreibungsgegner verfolgen weitreichenderes Ziel

Die republikanische Gouverneurin Kay Ivey muss das Gesetz noch unterzeichnen. Allerdings wäre selbst dann unwahrscheinlich, dass es auf absehbare Zeit in Kraft tritt, weil es einem Urteil des Supreme Court aus dem Jahre 1973 widerspricht, das Abtreibungen in den gesamten USA erlaubt. Der Oberste Gerichtshof hatte in einem historischen Prozess Schwangerschaftsabbrüche für legal erklärt. Der Fall wurde als „Roe gegen Wade“ bekannt.

Senator Clyde Chambliss und andere Mitglieder des Senats in Alabama
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Der Senat mit republikanischer Mehrheit stimmte für die umstrittene Neuregelung

Ziel der Abtreibungsgegner ist es, dass sich letztlich der Supreme Court mit verschärften Abtreibungsgesetzen wie dem in Alabama beschäftigt. Sie hoffen, dass das oberste Gericht dann das Urteil aus dem Jahr 1973 kippt. Die Abtreibungsgegner bauen auf die konservative Mehrheit im Supreme Court. Liberale Richter und Richterinnen sind hier in der Minderheit, seit US-Präsident Donald Trump zwei oberste Richter ernannte, die Abtreibungsgegner sind: Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh. Aktivisten und Aktivistinnen hoffen daher, dass das Gericht das Recht auf Abtreibung aufhebt, falls es sich erneut mit dem Thema befasst.

„Wir werden klagen“

Das Abgeordnetenhaus von Alabama hatte das Gesetz bereits Ende April verabschiedet. Die „Washington Post“ zitierte den republikanischen Abgeordneten und Initiator des Gesetzes, Terri Collins, mit den Worten, bei der Initiative gehe es darum, das Urteil des Supreme Courts von 1973 infrage zu stellen. „Das ist der Weg, wie wir dorthin kommen, wohin wir am Ende wollen.“

Die Bürgerrechtsbewegung ACLU kündigte umgehend an, das Gesetz anzufechten. Die ACLU verwies darauf, dass Abtreibungen weiterhin in allen 50 US-Bundesstaaten legal seien. „Wir werden klagen, um zu verhindern, dass dieses Gesetz jemals in Kraft tritt.“ Das gelte auch für zunehmend restriktive Gesetze in anderen Bundesstaaten.

Möglicher Präzedenzfall in Louisiana

Mehrere Bundesstaaten haben bereits schärfere Abtreibungsregeln beschlossen oder arbeiten daran. Das oberste Gericht stoppte etwa bereits im Februar ein Gesetz des Bundesstaats Louisiana zur deutlichen Einschränkung des Zugangs zu Abtreibungskliniken, wenn auch nur vorläufig. Der Fall galt als eine Art Test für die Grundausrichtung des Höchstgerichts. Großes Aufsehen erregte bei der Entscheidung das Votum des Gerichtsvorsitzenden John Roberts. Er gehört dem konservativen Lager an, stimmte aber mit den liberalen Richtern und brachte so die Blockade des Gesetzes zustande. Sollte das Gesetz in Alabama durchgehen, wäre es das weitgehendste in den USA. Die „Washington Post“ sprach vom „restriktivsten Abtreibungsverbot der Nation“.

Neuer Vorstoß auch der US-Regierung

Das Abtreibungsrecht gehört seit Jahrzehnten zu den umstrittensten innenpolitischen Themen in den USA. Trump hatte die Wahl 2016 auch dank des starken Rückhalts der religiösen Rechten gewonnen, für welche die Abschaffung des Abtreibungsrechts ein Kernanliegen ist.

Erst Ende April erließ das US-Gesundheitsministerium eine „Gewissensklausel“. Damit will die Regierung von Trump die Rechte von Ärzten und anderen Gesundheitsmitarbeitern stärken, die aus Glaubensgründen keine Abtreibungen oder andere medizinische Eingriffe durchführen wollen. Nach den Worten von Trump gehe es um den „Schutz der Gewissensrechte“ für Ärzte, Pfleger, Apotheker, Lehrer, Studierende und glaubensbasierte Wohltätigkeitsorganisationen.

Als Dienstmädchen verkleidete Frauen demonstrieren vor dem Alabama State House gegen ein geplantes Abtreibungsverbot
AP/The Montgomery Advertiser/Mickey Welsh
Frauen verkleidet als „Mägde“ (aus der Serie „The Handmaid’s Tale“) protestieren gegen die Beschneidung ihrer Rechte

Der neuen Vorgabe zufolge müssen Krankenhäuser und andere Einrichtungen, die Geld aus Bundesprogrammen bekommen, nachweisen, dass sie sich an rund zwei Dutzend Regeln halten, mit denen religiöse Rechte von Mitarbeitern geschützt werden sollen. Ärzte, Pfleger und andere Mitarbeiter müssen künftig keine Verfahren mehr durchführen, an ihnen teilnehmen oder Überweisungen dafür ausstellen, wenn sie aus moralischen oder religiösen Gründen dagegen sind. Dabei werden explizit Abtreibungen, Sterilisationen, Sterbehilfe und Patientenverfügungen genannt.

„Hinterhältiger Angriff“ auf Patientenrechte

Trump sagte, gemeinsam baue man eine Kultur auf, die Würde und Wert des menschlichen Lebens schätze. „Jedes Kind, geboren und ungeboren, ist ein heiliges Geschenk Gottes.“ Sein Vizepräsident Mike Pence sagte, Trumps Regierung habe von Anfang an Schritte ergriffen, um sicherzustellen, „dass die Bundesregierung nie wieder jemanden für seine Glaubensüberzeugung bestraft“.

Konservative Gruppen hatten die neue Regelung bereits im Vorfeld begrüßt. Bürgerrechtsorganisationen übten dagegen scharfe Kritik. So sprach Fatima Goss Graves vom National Women’s Law Center von einem „bösartigen und hinterhältigen Angriff“ auf die Rechte von Patienten und Patientinnen. „Persönliche Überzeugungen sollten niemals einen Einfluss auf die Behandlung eines Patienten haben“, sagte sie in einer Mitteilung.