Kickl sieht in Sellner-Mails inhaltlich nichts Neues

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat heute in Reaktion auf die gestern bekanntgewordenen Mails, laut denen der Chef der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, dem späteren rechtsextremen Christchurch-Attentäter ein Treffen angeboten hat, auf die laufenden Ermittlungen verwiesen. Die Vermutung, dass Sellner Teil eines rechtsextremen Netzwerks sein könnte, sei nichts Neues, darauf fußten die Ermittlungen schließlich.

„Die Ermittlungen sind jetzt am Laufen, dann wird es zu einer abschließenden Beurteilung kommen“, sagte Kickl vor dem Ministerrat. Da sich die Reiseaktivitäten des späteren Attentäters nicht auf Österreich beschränkt haben, brauche es eine Kooperation mit den neuseeländischen Behörden. Ein entsprechender Informationsaustausch sei seines Wissens geplant.

In Bezug auf mögliche Auflösungen von Vereinen der rechtsextremen Identitären verwies er auf die Landespolizeidirektionen Oberösterreich und Steiermark, die dafür zuständig seien. Eine „persönliche Einschätzung“ wollte er nicht abgeben. Diese sei nicht relevant. Der Innenminister versicherte jedenfalls, dass in der Causa „gründlich ermittelt wird“.

Mails zwischen Sellner und Christchurch-Attentäter publik

Die ZIB2 berichtete gestern, dass der Christchurch-Attentäter und Sellner mehr Kontakt gehabt haben könnten als bisher angenommen. Dem Bericht zufolge tauschten sie mehr als nur eine E-Mail aus, und Sellner habe dem Mann, der später in zwei Moscheen 50 Menschen getötet hatte, angeboten, sich auf einen Kaffee oder ein Bier zu treffen, wenn er in Wien sei.

Der Australier hatte Sellner im Jahr 2018 über 1.500 Euro gespendet. Nach dem Anschlag im März 2019 führte das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) eine Hausdurchsuchung bei Sellner durch und leitete ein Verfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ein.

Der österreichische Rechtsextreme räumte ein, vom Attentäter eine Spende erhalten und sich per E-Mail dafür bedankt zu haben. Er habe aber keinen Kontakt zu dem 28-jährigen Attentäter gehabt und ihn auch nie getroffen. Er hätte sich aber mit dem Mann auf einen Kaffee getroffen, wenn dieser ihn angeschrieben hätte, als er in Österreich war, sagte Sellner nach Bekanntwerden der Spende. Das wurde in der nun publik gewordenen E-Mail bestätigt.

SPÖ und Jetzt vermuten Warnungen an Sellner

SPÖ und Jetzt verlangen indes Aufklärung durch das Innenministerium. Vor allem Berichte, wonach Sellner die Mails wenige Stunden vor der Hausdurchsuchung bei ihm gelöscht habe, seien „höchst aufklärungswürdig“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda.

„Es fällt mir angesichts der engen Verbindungen zwischen der FPÖ und den Identitären schwer, hier an einen Zufall zu glauben“, so Drozda heute in einer Aussendung. „Ich fordere FPÖ-Innenminister Kickl auf, dringend aufzuklären, ob Sellner möglicherweise vor der Hausdurchsuchung gewarnt wurde“, so Drozda.

„Regierung steckt bis zum Hals im Identitären-Problem“

Die jüngsten Enthüllungen zu den Verbindungen zwischen Sellner und dem Christchurch-Attentäter zeigten, „dass die ÖVP-FPÖ-Regierung bis zum Hals im Identitären-Problem steckt“. „Wir wissen, dass es seit Jahren enge personelle, organisatorische und ideologische Verflechtungen zwischen der FPÖ und den Identitären gibt, die bis ins Umfeld von Ministerkabinetten reichen und Einfluss auf die Regierungspolitik haben“, so Drozda.

Auch Jetzt-Mandatar Peter Pilz sieht den „Verdacht“ erhärtet, „dass die Hausdurchsuchung bei Sellner im März 2019 verraten worden sein dürfte“. Das würden „Akten, Zeugenaussagen und eigene Recherchen von Peter Pilz im Innenministerium“ bestätigen, so der Abgeordnete in einer Aussendung und kündigte eine parlamentarische Anfrage an Kickl an.

Hartinger-Mitarbeiter soll Unterstützer sein

Die Liste der Personen mit FPÖ-Nähe, die auch die rechtsextremen Identitären unterstützen, ist länger als bisher bekannt. Unter den Spendern und Unterstützern soll auch ein Kabinettsmitarbeiter von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sein. Das geht aus den nun publik gewordenen E-Mails hervor.

Aus einem Dankesmail Sellners vom Jänner 2018 geht hervor, dass ein Kabinettsmitarbeiter von Hartinger-Klein sowie zwei weitere kleinere FPÖ-Funktionäre aus Tirol und Niederösterreich zu den Unterstützern der Rechtsextremen gehörten. Bereits im April war bekanntgeworden, dass mehrere FPÖ-Funktionäre den Identitären gespendet hatten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hatte eine entsprechende Spender- bzw. Mitgliederliste der Identitären erstellt. Die drei neuen Namen waren noch nicht auf dieser Liste.

Die FPÖ hatte nach Bekanntwerden von Verbindungen zwischen FPÖ-Funktionären und Identitären „klärende Gespräche mit den Betroffenen“ angekündigt. „Diese werden in Zukunft keine Spenden mehr leisten und sind auch keine Mitglieder dieser Bewegung“, teilte damals FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker mit.

„Spende als Privatperson“

Aus dem Sozialministerium hieß es auf Anfrage, der betroffene Mitarbeiter habe vor seiner aktiven Zeit im Ministerium eine Spende an die Rechtsextremen getätigt. Es habe sich „um eine Spende als Privatperson“ gehandelt, und diese sei vor dem Eintritt ins Kabinett getätigt worden. Seit Kabinettseintritt bestehe kein Kontakt oder Unterstützung der Identitären Bewegung, so ein Sprecher.