Spitzenkandidaten über möglichen Rechtsruck

Im künftigen EU-Parlament könnten nach dem 26. Mai mehr rechtspopulistische Abgeordnete sitzen als bisher. Aus Sicht der heimischen Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten für die EU-Wahl würde das sehr unterschiedliche Folgen haben, wie sie gegenüber ORF.at auf Mail-Anfrage betonten.

„Würde gern mitreden“

Für FPÖ-Kandidat Harald Vilimsky sei es nicht nur erklärtes Ziel, im EU-Parlament aus den derzeit drei eine gemeinsame Fraktion der Rechtsparteien zu bilden. Das sei auch wichtig, um die Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten mitentscheiden zu können. Er geht davon aus, dass die beiden großen Fraktionen der konservativen Volksparteien (EVP) und der Sozialdemokraten (SPE) allein nicht mehr die nötige Mehrheit haben werden. „Da würde ich gern mitreden.“

In Ablehnung geeint

Die Position zum Rechtspopulismus ist wohl das Einzige, was alle anderen heimischen Parteien eint. Die Rechtspopulisten wollten Europa „zerstören“, so SPÖ-Kandidat Andreas Schieder. ÖVP-Kandidat Othmar Karas und NEOS-Kandidatin Claudia Gamon sind überzeugt, dass die rechten Gruppierungen Europa „schwächen“ bzw. „nach bester Schrebergartenmanier zurückbauen“ wollen.

Ganz ähnlich sieht das Grünen-Kandidat Werner Kogler, der aber auf die derzeitige Zersplittertheit verweist. Es gebe „eben (noch) keine Internationale der Nationalisten“. Für 1-Europa-Kandidat Johannes Voggenhuber wollen die Rechtspopulisten eine Renationalisierung. Neofaschistische Kräfte in der EU würden regelmäßig vor einer vermeintlichen „Umvolkung“ warnen, so KPÖ-Kandidatin Katerina Anastasiou. Kaschieren wolle die Rechte damit eine „Politik im Sinne der großen Unternehmer“.

Vergleich mit Österreich

Aus Sicht Vilimskys würde ein Erstarken des rechten Flügels im EU-Parlament naturgemäß nur Vorteile bringen. „Wir hätten beim Agendasetting eine laute Stimme.“ Wenn es eine geeinte Rechtsfraktion geben würde, „wären wir viel stärker … Und man wird auch auf unsere Forderungen eingehen müssen“. Allgemein wird allerdings im Vorfeld der Wahl damit gerechnet, dass EVP und SPE ein Bündnis mit der Liberalen Fraktion ALDE eingehen, nicht mit den Rechtsparteien.

Auch in Österreich habe die FPÖ lange Zeit Forderungen erhoben, „die dann letztlich übernommen worden sind von der ÖVP im letzten Jahr“, so Vilimsky. Dasselbe erwarte er auf europäischer Ebene. Möglicherweise gelinge das aber bei dieser Wahl noch nicht, sondern erst bei der nachfolgenden, so der FPÖ-Kandidat.

„Wahl zwischen Extremismus und Mitte“

Für Karas ist es eine Wahl „zwischen Extremismus und dem Weg der Mitte in Europa“. Die Umfragen würden darauf hindeuten, „dass die Extremisten stärker werden, aber keine Mehrheit haben und die Parteien der Mitte enger zusammenarbeiten müssen“, bestätigt Karas die Erwartungen, dass es keine Kooperation mit den Rechtsaußenfraktionen geben wird.

Schieder betont, die Rechtsparteien verfolgten nur einen Zweck im EU-Parlament – dieses „zu sabotieren und zu schädigen“.

Gamon sieht auch ihre Liberalen im Aufwind. Als drittstärkste Kraft würde ALDE ein wichtiger Player sein. Die Liberalen seien „die einzigen und ehrlichsten Gegenspieler der Rechtspopulisten“. Die konstruktive Arbeit werde mit einer gestärkten Rechten jedenfalls schwieriger.

Selbstbegrenzung der Macht

Kogler erwartet wiederum, dass die europapolitischen Auseinandersetzungen „weiter polarisiert“ werden. Die eigene Uneinigkeit in vielen Fragen begrenze aber die „Macht der Rechten“. Kogler erwartet, dass kleine proeuropäische Parteien wie die Grünen „weit über ihre tatsächliche Kraft Einfluss gewinnen können“.

Voggenhuber rechnet damit, dass die anderen Fraktionen eine „starke Allianz“ gegen Rechts bilden werden. Sollte eine solche aber nicht zustande kommen, könnten die Rechtsparteien „durch Zugewinne gestärkt, durch die Geschäftsordnung des Parlamentes systematische Obstruktion Politik betreiben“. „Letztendlich hängt es auch davon ab, wie die ÖVP in der EVP-Fraktion mit ihrem ‚rechten Rand‘ vorgeht.“

Mehr Ungleichheit

Laut Anastasiou würde ein Erstarken der Rechtspopulisten „mehr Tote im Mittelmeer“ und eine Verstärkung der Ungleichheit zwischen Arm und Reich bedeuten. Wie stark die „rechten und neofaschistischen Kräfte“ sein werden, werde davon abhängen, ob sie es schaffen, sich in einer Fraktion zusammenzuschließen.