Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der russische Präsident Wladimir Putin
APA/Harald Schneider
Treffen mit Putin

Van der Bellen gegen „Entfremdung“

Bei seinem ersten offiziellen Besuch in Russland haben Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Russlands Präsident Wladimir Putin am Mittwoch die Beziehungen zwischen den beiden Ländern gelobt. Man unterstrich das „nachbarschaftliche“ Verhältnis. In einem Posting auf Facebook sagte Van der Bellen, man wolle einer „weiteren Entfremdung“ zwischen Moskau und dem Westen „entgegenwirken“.

Die Beziehungen seien viele Jahrzehnte lang „nachbarschaftlich und von gegenseitigem Respekt“ geprägt, so Putin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Sotschi. Die Staatsoberhäupter hoben beide die Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai vor 64 Jahren hervor. Und sie erwähnten die Gaskooperation, die schon seit 50 Jahren besteht. „Österreich ist der wichtigste Wirtschaftspartner Russlands in Europa“, sagte Putin.

Das Handelsvolumen mit Österreich habe im Vorjahr sechs Milliarden Euro ausgemacht, jenes mit der EU 300 Milliarden. Die wirtschaftlichen Beziehungen würden sich trotz der Sanktionen steigern. Van der Bellen betonte den „realpolitischen Hintergrund“ der Sanktionen, nämlich die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel durch Russland und die Situation in der Ostukraine.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der russische Präsident Wladimir Putin
APA/AFP/Alexander Nemenov
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz sprach Van der Bellen auch die Sanktionen der EU gegen Russland an

„Als Ökonom kann ich Ihnen nur zustimmen, Sanktionen schaden beiden Seiten“, sagte Van der Bellen zu Putin. „Dass die Situation rein wirtschaftlich gesehen unbefriedigend für beide Seiten ist, wird glaube ich niemand bestreiten.“ Putin ergänzte, dass nur der UNO-Sicherheitsrat Sanktionen erlassen dürfe. Alles andere widerspreche dem Völkerrecht.

Auch Rechte für NGOs und Journalisten Thema bei Gespräch

In dem Facebook-Posting Van der Bellens hob der Präsident unterdessen hervor, dass der Dialog mit Russland „wichtig“ sei, sowohl für Österreich als auch die EU. Van der Bellen sagte, er habe ein „offenes und sachliches“ Gespräch mit Putin geführt. Themen waren neben den Beziehungen der EU zu Russland auch die von der EU verhängten Sanktionen, um die Rechte von „NGOs, Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, religiösen Minderheiten und LGBTIQ“.

Van der Bellen spricht sich für „Nord Stream 2“ aus

Van der Bellen sprach sich im Zuge des Gesprächs mit Putin auch für die umstrittene Ostseepipeline „Nord Stream 2“ aus. Das Gas aus Sibirien sei deutlich günstiger für die europäischen Verbraucher als das importierte Flüssiggas aus den USA, so Van der Bellen. „Österreich hat nicht die Absicht, aus dem Projekt ‚Nord Stream 2‘ auszusteigen.“

Auch Putin sagte, er gehe davon aus, dass der österreichische Energieversorger OMV als einer der Finanzierungspartner das Vorhaben bis zum Schluss durchziehe. Die Leitung soll trotz des Widerstandes mehrerer europäischer Länder Ende des Jahres betriebsbereit sein. Bei der Pressekonferenz sagte Putin, es sei leichter, mit der Türkei an solchen Großprojekten zu arbeiten als mit der EU und ihren vielen Mitgliedsländern. Putin sprach von einem „Trauerspiel“. Östliche EU-Staaten und die USA kritisieren, dass die EU mit der Pipeline noch abhängiger von Russland werde.

Putin für weiteres Gipfeltreffen mit Trump

Im Zuge der Pressekonferenz zeigte sich Putin auch offen für ein weiteres Gipfeltreffen mit US-Präsident Donald Trump. Dabei wurde auch Wien als möglicher Ort in Aussicht gestellt: „Wir sind offen für diese Gespräche an jedem Ort, insbesondere auch Wien.“ Die nächste Gelegenheit zu einem Gespräch werde sich beim G-20-Gipfel in Japan ergeben.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der russische Präsident Wladimir Putin
AP/Alexander Nemenov
Bei dem Treffen zwischen Putin und Van der Bellen wurden die guten Beziehungen der Länder betont

Putin verwies auch auf ein weiteres Treffen mit Österreichs Politik. Bereits für Juli wurden Vertreter der Industrie nach Jekaterinburg eingeladen. Dazu sei auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eingeladen. „Wir hoffen, dass er diese Einladung annehmen wird.“ Putin traf Kurz zuletzt in Peking. Van der Bellen lud Putin unterdessen zu den Salzburger Festspielen ein – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Österreich gibt Raubkunst an Russland zurück

Van der Bellen kündigte in Sotschi auch die Restitution von acht antiken Objekten an, die während des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion geraubt und zuletzt zu den Beständen des Salzburg Museums gezählt hatten. Konkret ist die Rede von drei Amphoren sowie fünf Grabreliefs, die im Herbst an das Historisch-Archäologische Museum in Temrjuk in der russischen Region Krasnodar übergeben werden sollen.

Die Kunstgegenstände waren 1943 von einem Offizier der deutschen Wehrmacht aus einem Museum in der sowjetischen Stadt Temrjuk geraubt worden. Später wurden sie in Salzburg ausgestellt. Erst im vergangenen Jahr sei die Herkunft der Objekte eindeutig geklärt worden, hieß es. „Ich freue mich, dass aber auch von russischer Seite in Aussicht gestellt wurde, bestimmtes jüdisches Archivmaterial, das nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion gelangte, an Österreich zurückzugeben“, so Van der Bellen.

„Keine grundsätzliche Vertrauenskrise“

Van der Bellen wies vor seinem Treffen mit Putin den Vorwurf der Unterwürfigkeit Österreichs gegenüber Russland zurück. „Das finde ich gar nicht“, so Van der Bellen. Der Bundespräsident verwies darauf, dass „Österreich und Russland eine lange zurückliegende gemeinsame Geschichte haben, die uns von anderen Ländern unterscheidet“.

Er sehe weiterhin „keine grundsätzliche Vertrauenskrise“ zwischen Russland und Europa. „Dazu stehe ich nach wie vor. Ich denke, wir wissen, woran wir wechselseitig sind. Wir erleben – in den letzten Jahren jedenfalls – keine großen Überraschungen, keine negativen, aber auch keine positiven, muss ich ehrlich sagen.“

Dass Russland derzeit im Osten der Ukraine russische Pässe verteilt, sei zwar „keine vertrauensbildende Maßnahme“, so Van der Bellen vor dem Treffen. Aber: „Auf der ukrainischen Seite wurden Maßnahmen getroffen, die Einschränkungen der russischen Sprache betreffen. Also ich würde sagen, beide Seiten bleiben sich wenig schuldig.“

Österreich trägt Sanktionen mit

In einem Interview mit russischen Medien hatte Van der Bellen betont, die EU-Sanktionen gegen Russland mitzutragen. „Österreich ist ein Mitglied der EU und macht zweifelsohne loyal an diesen Maßnahmen (Sanktionen, Anm.) mit. Das ist ungeachtet jener Position, die wir in der Tat als die österreichische erachten“, sagte Van der Bellen im Gespräch mit der „Rossijskaja Gaseta“.

Aber selbst wenn EU und Russland diese, wie er „hoffe, zeitlich beschränkten Probleme miteinander haben, muss der Dialog weitergeführt werden“. Die Sanktionen waren nach der völkerrechtswidrigen Einverleibung der ukrainischen Krim-Halbinsel durch Russland und der Rolle Moskaus im Ukraine-Konflikt vor fünf Jahren verhängt worden.

Auf die bisherigen österreichisch-russischen Verhältnisse baut auch das bilaterale Gesprächsforum „Sotschi-Dialog“ auf. Ziel ist es die Kontakte in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Sport zwischen Österreich und Russland zu vertiefen. Für das Forum ist auf österreichischer Seite Ex-Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl verantwortlich, auf russischer Seite der ehemalige Bildungsminister und Putin-Berater Andrej Fursenko.