Historischer und aktueller Metzleinstalerhof
ORF.at/Roland Winkler; Public Domain
Damals und heute

Bilderreise durch den Gemeindebau

Im Jahr 1919 ist in Wien der Grundstein für den ersten Gemeindebau gelegt worden. Vor allem in der Ära des Roten Wien entstanden Bauten, die das Stadtbild vielerorts bis heute prägen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wich die architektonische Opulenz der Funktionalität – statt auf Superblocks setzte man auf Plattenbauten. ORF.at hat sich auf Bilderreise durch ein Jahrhundert Gemeindebau begeben.

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Historischer und aktueller Metzleinstalerhof
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Der Metzleinstaler-Hof in Wien-Margareten gilt als der erste Gemeindebau Wiens
Metzleinstalerhof
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Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war die Wohnsituation in Wien prekär. Ein halbes Jahr nach Kriegsende, im Mai 1919, gewann die Sozialdemokratie die absolute Mehrheit bei der Gemeinderatswahl. Zentrales Wahlversprechen war die Bereitstellung von günstigem, qualitätsvollem Wohnraum.
Metzleinstalerhof
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Geplant wurde das Bauwerk von Hubert Gessner. Der Schüler Otto Wagners gilt als der „Erfinder“ der Gemeindebauarchitektur. Ein Hof, umschlossen von einem blockartig angelegten Wohnhaus – diese Bauweise wurde zur Blaupause für viele Gemeindebauprojekte in den 1920er Jahren.
Metzleinstaler-Hof
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Den Bewohnerinnen und Bewohnern der Wohnhausanlage wurden auch soziale Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Im Hof entstand eine Bücherei, auch ein Kindergarten, eine Wäscherei, Klubräume und eine Werkstatt waren vorhanden.
Metzleinstaler-Hof
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Dem Metzleinstaler-Hof folgten weitere Gemeindebauten entlang des Wiener Gürtels – was ihm den Namen „Ringstraße des Proletariats“ einbrachte

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Vogelperspetive vom Karl-Marx-Hof
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Der Karl-Marx-Hof in Wien-Döbling gilt als „Superblock“. Er erstreckt sich über mehr als einen Kilometer entlang der Heiligenstädter Straße und ist das längste zusammenhängende Wohngebäude Europas.
Karl-Marx-Hof
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Anfang des Jahrhunderts war es üblich, das Grundstück so dicht wie möglich zu bebauen. Bei den Gemeindebauten war das anders: Um den Bewohnerinnen und Bewohnern Licht und Luft zu gönnen, durfte nicht mehr als die Hälfte der Fläche verbaut werden. Im Karl-Marx-Hof ist dieser Wert noch höher: 80 Prozent der Fläche sind mit Gärten und Parks bedeckt.
Karl-Marx-Hof
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Schon ein Jahr nach dem Baubeginn im Jahr 1926 wurden die ersten von insgesamt 1.325 Wohnungen bezogen. Endgültig fertiggestellt war der Komplex im Jahr 1930.
Karl-Marx-Hof
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Über 24 Millionen Ziegel und fast 20.000 Tonnen Zement wurden im Karl-Marx-Hof verbaut
Historischer und aktueller Karl-Marx-Hof
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Der Karl-Marx-Hof war eines der Epizentren der Februarkämpfe 1934, als sich Teile der Sozialdemokratie mit Waffengewalt gegen den faschistischen Ständestaat auflehnten
Karl-Marx-Hof
www.picturedesk.com/Imagno/Austrian Archives
Das Bundesheer und die Heimwehr setzten Geschütze gegen die Schutzbündler ein, die sich im Gemeindebau verschanzt hatten
Zerschossene Küche im Karl-Marx-Hof
www.picturedesk.com/ÖNB-Bildarchiv/Albert Hilscher
Zerschossene Küche hinter der Fassade im Karl-Marx-Hof: Bei den Auseinandersetzungen im Februar 1934 starben in ganz Österreich Hunderte Menschen.
Karl-Marx-Hof
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Nach der Niederschlagung des Aufstands wurde die Wohnanlage zunächst in Biedermann-Hof (nach Karl Biedermann, unter dessen Kommando das Schutzkorps den Hof im Februar 1934 erobert hatte), dann in Heiligenstädter Hof umbenannt. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlangte er seinen Namen zurück.
Karl-Marx-Hof
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Die Bronzefigur „Sämann“ von Otto Hofner im Ehrenhof des Karl-Marx-Hofs: In den 1980er und 1990er Jahren wurden die Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes erneuert und die Wohnungen saniert. Seit 2010 läuft die Instandsetzung der Dächer, die Ende 2019 abgeschlossen werden soll.
Goethehof 1938 und 2019
www.picturedesk.com/ÖNB-Bildarchiv/Albert Hilscher; ORF.at/Roland Winkler
Im Goethehof in Wien-Donaustadt (1938 und 2019) kam es bereits vor dem „Anschluss“ Österreichs zu Kämpfen zwischen Sozialdemokraten und Nationalsozialisten. Nach der Machtergreifung der Nazis wurden zahlreiche jüdische Mieterinnen und Mieter zwangsdelogiert.

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Historischer und aktueller Bebelhof
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Ebenso wie der Karl-Marx-Hof wurde auch der August-Bebel-Hof in Wien-Meidling von Karl Ehn entworfen
Bebelhof
www.picturedesk.com/Arkivi
Ehn war ein Schüler Otto Wagners. Als Architekt spezialisierte er sich auf Blockbauten. Mit der Errichtung des Bebel-Hofes wurde 1925 begonnen.
Bebelhof
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Der markante Eckturm des Hofs wurde in den 1990ern aufgestockt. Wie viel andere Gemeindebauten aus der Ära des Roten Wien war auch der Bebel-Hof im Februar 1934 Schauplatz von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und dem Schutzbund, dem militärischen Arm der Sozialdemokratie.
Bebel-Hof
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Finanziert wurde der Wohnbau im Roten Wien über die Wohnbausteuer. Ab 1923 besteuerte die Stadt Wien Luxusgüter, das Geld floss in die Errichtung günstiger Wohnungen. Der Volksmund sprach von der „Breitner-Steuer“, in Anlehnung an den damaligen sozialdemokratischen Wiener Finanzstadtrat Hugo Breitner.
Bebel-Hof
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Im Inneren des Bebel-Hofes stehen – wie bei vielen anderen Gemeindebauten – steinerne Pergolen. In ihrer Mitte befand sich ein Zierbrunnen mit dem „Kugelfisch“, einer Plastik des Künstlers Josef Riedl, der auch Denkmäler im Arkadenhof der Universität Wien gestaltete.
Bebel-Hof
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Der mittlerweile verschwundene „Kugelfisch“ war und ist nicht das einzige Kunstwerk im Bebel-Hof: Mario Petrucci gestaltete eine steinerne Rutschbahn. Sie trägt die Aufschrift: „Vergiss nicht, dass auch du einmal ein Kind warst.“

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Rabenhof 1969 und 2019
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Der Rabenhof in Wien-Landstraße, 1969 und 2019. Der Mitte der 1920er Jahre errichtete Bau war zunächst nach dem Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung“, Friedrich Austerlitz, als Austerlitz-Hof bekannt.
Rabenhof 1969 und 2019
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Von außen gleicht der Gemeindebau einer offenen Festung
Rabenhof
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Für die Architekten war der Bau eine Herausforderung. Auf dem Gelände befanden sich Teile einer aufgelassenen Kaserne. Aufgrund der komplizierten Besitzverhältnisse wurde in Etappen gebaut. Die unterschiedlich hoch gelegenen Grundstücke sorgen für den einzigartigen Charakter der Anlage, ihrer Grünflächen und Plätze.
Ludo-Hartmann-Hof
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Einer der am schönsten gestalteten Gemeindebauten ist der 1924 errichtete Ludo-Hartmann-Hof in Wien-Josefstadt von Architekt Cesar Poppovits, der mit seinem fein gearbeiteten Keramik- und Schmiedeeisendekor überzeugt

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Per-Albin-Hansson-Siedlung
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Die Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien-Favoriten war das erste große Bauvorhaben der Stadt Wien nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
Per-Albin-Hansson-Siedlung
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Der Baustart für den Siedlungsteil West erfolgte im Jahr 1947. Vier Jahre später wurden die ersten Wohnungen bezogen.
Per-Albin-Hansson-Siedlung
ORF.at/Roland Winkler
Die ältesten Teile der Hansson-Siedlung haben die Anmutung einer Gartenstadt. Reihenhäuser mit kleinen Gärten verleihen der Gegend einen fast schon dörflichen Charakter.
Per-Albin-Hansson-Siedlung
ORF.at/Roland Winkler
Benannt ist sie nach dem damaligen Regierungschef von Schweden, Per Albin Hansson, als Geste der Dankbarkeit für die Unterstützung des Landes beim Wiederaufbau Wiens. Der Sozialdemokrat gilt als Vordenker des „schwedischen Modells“, des Sozialstaats nach skandinavischem Vorbild.
Per-Albin-Hansson-Siedlung
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Neben den alten Häusern entstanden ab den 1960ern in der Hansson-Siedlung die ersten Plattenbauten Wiens
Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost
Fertigteile wurden mit Kränen zu Wohneinheiten zusammengesetzt. In Anlehnung an diese Bauweise wurde damals von der „Diktatur des Krans“ gesprochen.
Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost
Kurt Rasmussen
Jahrzehntelang war die Siedlung nur mit der Straßenbahn erreichbar, die U-Bahn fährt erst seit wenigen Jahren in den Südosten Wiens

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Am Schöpfwerk
ORF.at/Roland Winkler
Das Schöpfwerk-Hochhaus in Wien-Meidling ist Teil der städtischen Wohnhausanlage Am Schöpfwerk, der Harald Sicheritz Anfang der 1990er mit „Muttertag“ ein filmisches Denkmal setzte
Am Schöpfwerk
ORF.at/Roland Winkler
295 Wohnungen sind im Gebäude untergebracht. Die ersten städtischen Häuser wurden bereits in den 1950ern errichtet. Bekannter sind aber die neuen Bauten, die Ende der 1970er entstanden. Wirklich gut öffentlich zu erreichen ist die Siedlung erst seit 1995, als die U-Bahn bis zur Wiener Südgrenze verlängert wurde.
Am Schöpfwerk
ORF.at/Roland Winkler
Architektonisch folgen viele der Bauten Am Schöpfwerk dem Prinzip der „gestapelten“ Einfamilienhäuser. Zwischen den Wohnanlagen liegt eine Kleingartensiedlung. Ursprünglich hätte sie geschleift werden sollen; die Architekten entschieden sich aber, die Häuser rund um die Gärten zu bauen.
Hundertwasserhaus
ORF.at/Sonja Ryzienski
Gemeindebau als Anziehungspunkt für Touristinnen und Touristen: Das Hundertwasserhaus in Wien-Landstraße wurde in den 1980er Jahren erbaut. Der Errichtung vorausgegangen war ein Streit zwischen dem Künstler Friedensreich Hundertwasser und dem für Umsetzung zuständigen Architekten Josef Krawina.