Duellgespräch zur „EU-Wahl 19“
ORF/Hans Leitner
EU-Wahl

Angriffige Duelle und ÖVP-Doppelbesetzung

Mit sieben Duellen ist am Mittwochabend die Reihe „2 im Gespräch“ in ORF2 fortgesetzt worden. Neben überraschenden Gemeinsamkeiten wartete der Abend auch mit zahlreichen angriffigen Momenten auf. Gleich doppelt war diesmal die ÖVP vertreten: Neben Spitzenkandidat Othmar Karas nahm auch die Listenzweite Karoline Edtstadler an einem der Duelle teil.

Neben den zwei ÖVP-Kandidaten traten wieder die Spitzenkandidaten der (EU-)Parlamentsparteien an: Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Claudia Gamon (NEOS), Werner Kogler (Grüne) und Johannes Voggenhuber (Initiative 1 Europa). Diskutiert wurde über zahlreiche EU-Themen – erneut fanden einige Kandidaten bei einzelnen Themen Gemeinsamkeiten. Doch vor allem die Situation innerhalb der ÖVP sorgte für teils heftige Diskussionen.

Vilimsky und Voggenhuber „überzeugte Europäer“

Den Auftakt machten Vilimsky und Voggenhuber. Der FPÖ-Spitzenkandidat sah durchaus „Schnittmengen“ mit Voggenhuber – vom Tierschutz bis zum Atomstrom. Der 1-Europa-Kandidat zeigte sich davon jedoch wenig beeindruckt. „Mein ganzes politisches Leben steht gegen alles, was Sie repräsentieren“, so Voggenhuber.

Harald Vilimsky (FPÖ) und Johannes Voggenhuber (Initiative 1 Europa)

Voggenhuber war einst Kritiker der Union, inzwischen ist er ein glühender Europäer. Vilimsky hingegen sieht so manches an der EU skeptisch.

Vilimsky sah unterdessen die FPÖ als Angebot für jene 21 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher, die nicht Teil der EU sein wollen. Man könne „Druck von innen“ aufbauen. Er sei überzeugt, dass niemand wirklich gegen Kooperation in Europa sei. Die FPÖ habe aufgehört, den „Öxit“ zu „predigen“, so Kogler – seit dem „Schockerlebnis des Brexit“ sei das Thema Austritt in Europa allgemein „vom Tisch“. Überraschend einig waren sich Vilimsky und Voggenhuber darin, sich selbst als „überzeugte Europäer“ zu bezeichnen. Für den FPÖ-Spitzenkandidaten sei das „Einzige, wo wir sagen, Kritik ist angebracht“, das „Regelwerk“.

Othmar Karas (ÖVP), Werner Kogler (Grüne), Andreas Schieder (SPÖ), Johannes Voggenhuber (EUROPA Jetzt), Claudia Gamon (NEOS), Harald Vilimsky (FPÖ).
ORF/Hans Leitner
Die zweite Runde der Spitzenkandidaten – diesmal erweitert um die ÖVP-Listenzweite Karoline Edtstadler (nicht im Bild)

Karas sieht in Kurz-Vorstoß keine „Einzelmaßnahme“

Im Duell zwischen Grünen-Kandidat Kogler und Othmar Karas von der ÖVP ging es teils recht angriffig zu. Karas verteidigte die Äußerungen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), man wolle über 1.000 Verordnungen abschaffen. Es gehe darum, dass man Bürokratie abbaue, man müsse schauen, was geändert werden muss. Kogler kritisierte Karas und die ÖVP scharf: Man wisse nicht, „welche ÖVP“ zur Wahl stehe.

Othmar Karas (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne)

Unterschiedliche Meinungen haben die beiden etwa in Sachen Landwirtschaft: Die Grünen sehen die EU-Agrarsubventionen skeptisch. Die ÖVP hingegen will die Förderungen keinesfalls kürzen.

Auf die Frage, welche 1.000 Verordnungen die ÖVP abschaffen wolle, antwortete Karas ausweichend: Es gehe nicht um „Einzelmaßnahmen“, sondern um eine „Absichtserklärung“. Regelungen müssten die „Gemeinschaft stärken“, so Karas. Er sprach sich auch gegen Goldplating, also die Übererfüllung von Regelungen, aus.

Auch im Thema Umweltschutz gab es zwischen dem ÖVP- und dem Grünen-Kandidaten wenig Übereinstmmung. Während Koglers Partei für eine starke Umweltpolitik stehe, sei die ÖVP „nicht auf Seite des Klimaschutzes“. Es gehe darum, in „Umwelt- und Klimafragen“ weiterzukommen. Die Vorwürfe Koglers konnte Karas nicht nachvollziehen, er verwies etwa auf von ihm verhandelte gesteigerte Forschungsausgaben.

Vilimsky erteilt Sozialunion Absage

Als Duell der aufgeschaukelten Emotionen wurde die Paarung Vilimsky – Schieder angekündigt. Schieder bestätigte denn auch, dass es wohl „kaum zwei andere Politiker gibt, die weiter auseinander sind“. Vilimsky wolle die EU zerstören, er selbst sie weiterentwickeln und sozialer gestalten. Immerhin attestierte Schieder dem FPÖ-Kandidaten, er sei „ehrlich“ – wenig schmeichelhafter Nachsatz: „Aber seine Politik ist gefährlich.“

Andreas Schieder (SPÖ) und Harald Vilimsky (FPÖ)

Inhaltlich verbindet Schieder und Vilimsky nicht viel, das Gespräch verlief jedoch relativ versöhnlich.

Vilimsky blieb sachlich, lud zu Zusammenarbeit ein und dazu, aus Brüssel „gemeinsam etwas heimzubringen“ für Österreich. Einer Sozialunion, also beispielsweise einem europaweiten Mindestlohn im Verhältnis zur Wirtschaftskraft eines Landes, erteilte er eine Absage. Einmal mehr lehnte er auch das von Schieder umworbene Aus für das Einstimmigkeitsprinzip innerhalb der EU klar ab. Dennoch fiel das Duell konzilianter aus als erwartet.

NEOS und Grüne uneinig beim Thema Handel

NEOS-Spitzenkandidat und Werner Kogler von den Grünen waren vor allem beim Thema Freihandel uneinig. Für Gamon sind Handelsverträge mit anderen Ländern wichtig, damit Europa seine Standards in der Welt „durchsetzt“. Sonst könnte es sein, dass diese Standards von anderen Ländern auferlegt werden. Gamon bezeichnete die bisherige Strategie der Grünen beim Thema Freihandel als „destruktiv“.

Claudia Gamon (NEOS) und Werner Kogler (Grüne)

Zum Thema Freihandel gehen die Positionen zwischen Gamon und Kogler teils stark auseinander.

Gemeinsamkeiten zwischen NEOS und Grünen sah Kogler vor allem beim Thema der europäischen Vertiefung, beim Thema Klimaschutz sei das „in der Praxis“ nicht so. Beim Thema Freihandel kritisierte Kogler vor allem die Klagerechte für Konzerne. Man würde Probleme „importieren“, so Kogler.

Zum Freihandelsabkommen TTIP sagte Gamon, dass „das letzte Mal, wie TTIP verhandelt wurde“, man „nicht so zustimmen“ hätte können. Wichtig sei, dass die EU bei den Themen nicht nachgebe, die ihr wichtig seien. Sie verwies auf eine veränderte Position der EU in den vergangenen Jahren, auch wegen US-Präsident Donald Trump. Abschließend erneuerte sie ihre Forderung nach den „Vereinigten Staaten von Europa“.

„Europäische Tradition“ der ÖVP für Schieder „vorbei“

Auch beim Gespräch zwischen Karas und Schieder standen zu Beginn die Äußerungen des Bundeskanzlers im Mittelpunkt. Die Widersprüche zwischen Andreas Schieder und Othmar Karas sind laut dem SPÖ-Kandidaten „kleiner als zwischen Karas und der eigenen Partei“, so Schieder zum Auftakt des fünften Duells. Die ÖVP habe eine „lange europäische Tradition“, diese sei jedoch „seit ein paar Tagen vorbei“, so Schieder in Anspielung auf die Äußerungen von Kurz. Schieder fragte: „Wenn man ehrlicher Europäer ist, wie lange macht man da noch mit?“

Andreas Schieder (SPÖ) und Othmar Karas (ÖVP)

Im Duell zwischen Schieder und Karas waren einige Gemeinsamkeiten auszumachen.

Karas entgegnete, er werde „immer weiterkämpfen, weil ich mit Leidenschaft Europäer bin“. Dann verteidigte er einmal mehr die Forderungen seines Parteichefs: Er fühle sich durch den „Türöffner“ des Kanzlers für einen Reformvertrag „gestärkt“. Er wolle Bürgerinnen und Bürger zu Beteiligten machen. Was die Stellung innerhalb der ÖVP anbelange, sagte Karas lediglich: „Ich bin der Spitzenkandidat.“

Schieder sieht die Glaubwürdigkeit Europas gefährdet – alle würden etwa davon reden, Steuerschlupflöcher zu schließen, doch es passiere „nichts“. Auf Karas’ Einwand, dass auf sein Wort Verlass sei, entgegnete Schieder, dass er zu Themen wie Steuergerechtigkeit, Klimawandel und bei der Schere zwischen Arm und Reich nichts von Kanzler Kurz und Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) gehört habe. Diese würden jedoch auch nicht kandidieren, so Karas.

Osterweiterung als Lektion für die Zukunft

Zum Thema Osterweiterung wurden Gamon und Voggenhuber befragt: Für den 1-Europa-Kandidaten sei diese „keine sehr geglückte Erweiterung“ gewesen. Der Fokus wurde auf wirtschaftliche Überlegungen gelegt – für eine künftige Erweiterung am Westbalkan müsse man Faktoren wie die Menschenrechte, die Unabhängigkeit der Justiz und die Medienfreiheit „mindestens“ so ernst nehmen wie wirtschaftliche Belange, so Voggenhuber.

Claudia Gamon (NEOS) und Johannes Voggenhuber (Initiative 1 Europa)

Beim Thema EU-Erweiterung sehen Gamon und Voggenhuber Veränderungsbedarf in der Zukunft.

Einen möglichen Beitritt Serbiens oder Montenegros möchte Gamon unterdessen nicht pauschal beantworten. Vorstellbar sei etwa auch eine Infrastrukturoffensive. Jedenfalls dürfe man das „Vakuum“ nicht von „Chinesen oder Russen“ füllen lassen. Gamon kritisierte auch die fehlenden Mehrheitsentscheide in der EU: Durch die Einstimmigkeit werde verhindert, dass die EU außenpolitisch entscheidungsfähig ist, so Gamon.

Voggenhuber kritisierte unterdessen den Kurs der Wirtschaftsliberalen in der EU, der eine „humanitäre Katastrophe“ angerichtet habe. Der „entfesselte Markt“, sagte er in Richtung von NEOS, erreiche nur, dass „Reiche reicher und Arme ärmer“ werden, so Voggenhuber.

Vilimsky vermisst zusätzliches Duell mit Edtstadler

Die zweite Gesprächsrunde endete mit dem Duell zwischen Vilimsky und Karoline Edtstadler. Der FPÖ-Spitzenkandidat ließ gleich zu Beginn wissen, dass das eigentliche Duell des Abends jedoch fehle: So hätte sich Vilimsky ein Duell zwischen Karas und Edtstadler gewünscht – ein Wunsch, den auch Gamon im Vorfeld der Sendung äußerte. So ging es dann im Laufe des Gesprächs auch hauptsächlich um die Situation an der Spitze der ÖVP für die Europawahl.

Karoline Edtstadler (ÖVP) und Harald Vilimsky (FPÖ)

Vilimsky sieht mit der Listenzweiten der ÖVP einige Gemeinsamkeiten.

Dass Edtstadler statt Karas an einem Duell teilnehme, zeige nur die inhaltliche Vielfalt der ÖVP – die „große Breite der ÖVP“ sei ein „Asset“ der Partei, so die Staatssekretärin. Sie stehe für einen Kurswechsel. Vilimsky sah jedenfalls Übereinstimmungen mit Edtstadler: „Eigentlich müssten sie bei mir in meinem Team an zweiter Stelle sein.“

Peter Filzmaier analysiert die zweite Runde der Wahlduelle

Politologe Peter Filzmaier über die Auftritte der Kandidaten in der zweiten Runde der ORF-EU-Wahlduelle.

Ob Edtstadler den aus Medienberichten kolportierten angedachten Posten als eine EU-Kommissarin übernehmen würde, ließ die Listenzweite offen. Zeitungen hätten „spekuliert“, so Edtstadler, zuerst stehe aber die Wahl auf dem Programm, die man gewinnen müsse. Vilimsky machte klar, dass er sich eine Unterstützung Edtstadlers als Kommissarin vorstellen könne – im Gegensatz zu Karas: Dieser wäre als Kommissar „schwer zu verdauen“, so Vilimsky.