Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium
ORF.at/Roland Winkler
Causa Eurofighter

Staatsanwälte zeigen Pilnacek an

Dieser Fall ist in der österreichischen Justiz bisher einzigartig: Hochrangige Justizbeamte – darunter auch der Generalsekretär im Justizministerium, Christian Pilnacek – wurden von eigenen Justizkollegen angezeigt. Grund ist der Verdacht der Anstiftung zum Amtsmissbrauch in der Causa Eurofighter.

Es gab offenbar den Verdacht, dass das Verfahren auf Betreiben von oberen Stellen rasant beschleunigt und eingestellt werden sollte. Das geht aus der gemeinsamen Recherche von Ö1 und des Medienprojekts Addendum hervor. Sie berufen sich auf ein Protokoll einer Dienstsitzung mit 16 Justizvertretern am 1. April dieses Jahres. Die Anzeige wurde mittels eines „Informationsschreibens“ von Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an ÖVP-Justizminister Josef Moser übermittelt.

Die WKStA hatte im Februar das seit acht Jahren laufende Eurofighter-Verfahren übernommen, nachdem der bisher zuständige Staatsanwalt Michael Radasztics ebenfalls wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Verletzung des Amtsgeheimnisses von der Causa Eurofighter abgezogen worden war. Aus dem Ö1 zugespielten Protokoll der Dienstbesprechung geht hervor, dass der frühere Eurofighter-Staatsanwalt in mancher Hinsicht geschlampt haben und mit dem Verfahren überfordert gewesen sein dürfte. Selbst Pilnacek soll gesagt haben, dass es beim Eurofighter-Verfahren „desaströs“ aussehe.

„Setzt’s euch z’samm und daschlogt’s es“

Bei der Übernahme des Falls stellten die Korruptionsstaatsanwälte laut Recherche fest, dass es falsche Ansätze beim Verfahren und verjährte Fälle gebe – Audio dazu in oe1.ORF.at. Sie forderten mehr Personal, um das Verfahren aufarbeiten zu können. Von Vertretern der Justiz wurde in dieser Besprechung gesagt, man solle negatives Aufsehen in den Medien vermeiden.

ÖVP-Justizminister Josef Moser
ORF.at/Roland Winkler
Die Korruptionsstaatsanwälte brachten die Anzeige bei Justizminister Moser ein

Oberstaatsanwalt Johann Fuchs soll gesagt haben, dass man schauen müsse, das Verfahren möglichst schnell zu erledigen und nicht nach Verdachtsansätzen zu suchen. Selbst Pilnacek soll empfohlen haben, für einige rasche Anklagen zu sorgen und andere Teile des Verfahrens einzustellen: „Ich mach’ ein Auge zu, und wir stellen irgendwelche Dinge ein.“ Man werde aus verfahrensökonomischen Gründen einen „Cut“ (Schnitt) ziehen müssen. Zudem soll er gesagt haben, dass man die Einstellungen schon vor Jahren hätte vornehmen sollen: „Setzt’s euch z’samm und daschlogt’s es, aber das hättet ihr vor drei Jahren machen können.“

Teamleiter abgezogen

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien sagte laut Addendum in einer Reaktion auf die Vorwürfe, dass drei zusätzliche Staatsanwälte für den Fall zugeteilt worden seien. Es gab aber keine Angaben über die Berufserfahrung. Laut Ö1 handelte es sich dabei vor allem um Berufseinsteiger, die nun mit die Fehler der vergangenen Jahre aufarbeiten müssten.

Darüber hinaus wurde kurz nach der Dienstbesprechung laut Ö1 der Teamleiter der WKStA für dieses Verfahren abgesetzt und durch einen Mitarbeiter der Oberstaatsanwaltschaft ersetzt – just derselbe Justizbeamte, dem zuvor als Fachaufsicht Fehler im Verfahren entgangen sein sollen.

Falsche Ermittlungsstränge

Einige Vorwürfe dürften nicht zuletzt aufgrund mangelnder Ermittlungen inzwischen verjährt sein. Zudem wurde gegen in der Causa Eurofighter verdächtige Lobbyisten wegen Geldwäsche ermittelt statt wegen Untreue, obwohl diese Form der Geldwäsche laut Ö1 zu diesem Zeitpunkt nicht strafbar gewesen sei.

Nicht nachvollziehen konnten Justizvertreter, darunter ein Oberstaatsanwalt, warum nach einer Anzeige von Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zwei Jahre wegen Betrugsverdachts gegen Airbus/EADS ermittelt wurde. Anscheinend habe niemand dem Minister sagen wollen, dass kein Anfangsverdacht bestanden habe, so ein Oberstaatsanwalt laut Sitzungsprotokoll.

Pilnacek will noch nichts sagen

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien verwies in ihrer Reaktion auf „unterschiedliche Auffassungen über die Ermittlungsstrategie“. Das sei nicht ungewöhnlich: „Vielmehr ist die Erörterung und Darlegung der Sichtweisen Sinn einer Dienstbesprechung und die pointierte Darlegung des eigenen Standpunkts der Diskussion geschuldet.“ Einzelne Wortmeldungen dürften nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden.

Justizminister Moser übergab den Fall der Generalprokuratur. Diese leitete ihn an die Staatsanwaltschaft Linz weiter. Dort wird nun entschieden, ob Ermittlungen eingeleitet werden sollen. „Bis dahin werde ich mich nicht äußern“, sagte Pilnacek am Donnerstag nach Bekanntwerden der Anzeige gegen ihn. Auch Moser will die Prüfung der Anzeige abwarten.

Opposition verlangt Suspendierung

Für SPÖ, NEOS und Jetzt handelt es sich bei diesen Vorwürfen um einen Justiz- und Politskandal. Sie verlangten die Suspendierung von Pilnacek. „Das ist ein Skandal von ungeheuren Ausmaßen“, meinte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Die SPÖ warf der ÖVP-FPÖ-Regierung vor, die Aufdeckung des Eurofighter-Falls verhindern zu wollen und brachte laut „Kurier“ eine parlamentarische Anfrage an das Justizministerium ein: „Die ÖVP verhält sich wie ein Pflichtverteidiger für EADS und nicht wie Repräsentanten der Republik Österreich“, heißt es in der Anfrage.

Fassungslos zeigte sich Stephanie Krisper (NEOS). Sie ortete einen „unfassbaren Justizskandal“ und forderte den Justizminister auf, „sofort und unmissverständlich den Vorgängen in seinem Ministerium auf den Grund zu gehen“. Bis zur vollständigen Aufklärung solle der Generalsekretär jedenfalls suspendiert werden, forderte Krisper.

Pilz: „Zentrale des politischen Machtmissbrauchs“

Peter Pilz (Jetzt) verlangte die sofortige Suspendierung von Pilnacek. Er dürfe „nicht die Gelegenheit erhalten, jetzt Spuren zu verwischen“. In einer Pressekonferenz am Donnerstag zeigte er sich überzeugt, dass das Generalsekretariat im Justizministerium unter Pilnacek zu einer „Zentrale des politischen Machtmissbrauchs“ geworden ist.

Er nahm aber den ehemaligen Eurofighter-Staatsanwalt Radasztics in Schutz. Dieser habe zwar besonders langsam gearbeitet, so Pilz, aber der Vorwurf, dass er eine Weisung aus dem Justizministerium an die Oberstaatsanwaltschaft an die Öffentlichkeit weitergegeben habe, stimme nicht. Laut Pilz gab es Ende vergangenen Jahres eine Weisung, dass bestimmte Akten aus dem Eurofighter-Ausschuss zurückzufordern seien. Es gebe einen Hinweis, dass diese von Pilnacek selbst gekommen sei. Der Generalsekretär sei es auch gewesen, der die Weisung an einen Medienvertreter weitergegeben habe, wie eine Pilz vorliegende Mail zeige.