Über ihre Chancen habe sie sich vorher gar keine Gedanken gemacht: „Ich wollte einfach mein Bestes geben. Und ich hab das Gefühl gehabt, dass ich mein Bestes gegeben habe.“ Und: „Die Performance hat gestimmt“, damit sei sie zufrieden. Sie sei froh darüber, als Künstlerin vom ORF die Chance erhalten zu haben, ihren eigenen Song, den sie auch selbst produzierte, zu präsentieren – und dass in Österreich der Song „nicht einfach irgendwo eingekauft“ wurde.
Darüber, dass sie im deutlich stärker besetzten der beiden Semifinale antreten musste, beklagte sich Paenda nicht. Sie freue sich für viele ihrer Mitstreiter, die es ins Finale geschafft haben. Ihr Favorit für den Gewinn des Bewerbs ist der Niederländer Duncan Laurence: „Er ist wirklich unglaublich gut.“
Erstes Finale ohne Österreich seit 2013
Die Strategie, mit „Limits“ einen Song ins Rennen zu schicken, der so gar nicht den üblichen Schemata der Song-Contest-Beiträge entspricht, ging also nicht auf. Paendas Performance transportierte dennoch viel Leidenschaft, hatte Tiefgang und versprühte wie bereits Cesar Sampsons Beitrag im vergangenen Jahr eine gewisse Authentizität. Die Buchmacher hatten ein knappes Ausscheiden im Halbfinale bereits prophezeit. Sie hatten Paenda zuletzt auf dem 13. Platz gesehen. Das Finale am Samstagabend in Tel Aviv bedeutet das erste Song-Contest-Finale ohne Österreich seit dem Jahr 2013.
Österreich: Paenda – „Limits“
Sie hat ihr Bestes gegeben – leider hat es nicht für das Finale gereicht.
Mit Wetterkapriolen zum Erfolg
Der große Star des Abends war Laurence aus den Niederlanden, der in den Listen der Buchmacher seit Wochen ganz oben steht. Laurence’ hymnischer Song „Arcade“ schwört auf Minimalismus in der Darbietung, auf viel Hingabe und ein dunkles Ambiente mit einem wolkenverhangenen Himmel. Allein am Keyboard sitzend, war der fesche Niederländer mit dem nachdenklichen Gesichtsausdruck eine Nummer für sich. Dass Laurence am Samstag um den Sieg mitsingen wird, daran bestand nach dem Halbfinal-Auftritt kein Zweifel mehr.
Niederlande: Duncan Laurence – „Arcade“
Der Favorit wurde im Semifinale seiner Rolle gerecht.
Ein weiterer Topkandidat für den Sieg ist Sergey Lazarev, der am Donnerstagabend mit „Scream“ für Russland angetreten ist und darin bereits Übung besitzt. Lazarev, zu Hause ein Superstar der Popbranche, hatte bereits anno 2016 in Stockholm teilgenommen und den dritten Platz gemacht. Die Inszenierung der Ballade „Scream“ war dramatisch. Während sich Lazarev mit digitalen Mitteln visuell vervielfachte, zog über ihm ein effektvolles Gewitter auf, was letztlich zum erwarteten Finalplatz für Russland führte.
Schweden mit österreichischer Inspiration
Keine große Überraschung war das Weiterkommen von Schweden. John Lundvik hat für „Too Late for Love“ einen Gospelchor mitgebracht. Ein souliger Song, der eine enorme Energie entwickelt, ohne dafür viel Tempo zu benötigen. Der schwedische Beitrag wurde im Vorfeld aufgrund des unaufgeregten Zugangs nicht nur einmal mit Cesar Sampsons letztjährigem Beitrag verglichen. Ein Vergleich, der keinesfalls hinkt. Lundvik absolvierte einen der sympathischsten Auftritte des Abends.
Auch die Schweiz hatte am Donnerstag viel Grund zum Jubeln. Die Eidgenossen stehen zum ersten Mal seit dem Jahr 2014 im Finale des Song Contest. Dafür verantwortlich ist Luca Hänni, der anno 2012 durch den Sieg bei „Deutschland sucht den Superstar“ bekannt wurde. Der mit viel Körpereinsatz dargebrachte Dance-Song „She Got Me“ gab sich durch und durch international. Mitunter erweckte die Nummer aber auch den Eindruck, als handle es sich um einen osteuropäischen Beitrag.
Mit Chingiz in der Disco
Sehr international ausgelegt war auch der Auftritt von Aserbaidschan. In hohen Falsetttönen gesungen, ging es mit „Truth“ von Chingiz in die Midtempo-Disco. Ein der Geschmeidigkeit verpflichteter Dance-Song, der an den Sound von Justin Timberlake angelehnt ist und dementsprechend in die Hüfte geht.
Für einen Performance gewordenen Kindergeburtstag, der mitunter an die Werbung eines Möbelhauses erinnerte, sorgte Leonora aus Dänemark. Mit personeller Unterstützung schunkelnd auf einem riesigen Sessel dargebracht, verbreitete „Love Is Forever“ eine Fröhlichkeit mit viel kindlicher Naivität. Abgerundet wurde der Auftritt von einem überaus bunten Bühnenbild mit zarten Wölkchen am Himmel: Friede, Freude, Eierkuchen. Das muss man mögen. Das Publikum mochte es. Finale.
Rentierflüsterer aus Norwegen
Auf die Formel „Aufmerksamkeit mittels schräger Töne“ war der Auftritt von Norwegen ausgerichtet. Der Song „Spirit in the Sky“ tarnt sich zunächst als reinrassige Eurobeat-Nummer, wird jedoch im Refrain von Joik-Lauten durchbrochen – einer traditionellen Gesangstechnik des indigenen Volkes der Samen, die Mark und Bein erschütterte und auch beim Publikum Wirkung erzielte. Die archaischen Gesänge der Formation KEiiNO sind am Samstag im Finale dabei.
Auch Michela aus Malta schlug sich wacker. Der mitunter böllernde Dance-Song „Chameleon“ muss als Zugeständnis an die Jugend Europas verstanden werden. Dancehall-Sounds in Kombination mit klassischen Song-Contest-Elementen beförderten Malta ins Finale.
Albanien als große Überraschung
Schließlich war auch für Tamara Todevska aus Nordmazedonien ein Finalplatz geschafft: Etwas gar offiziös, sowohl was Todevskas Ballade „Proud“ als auch ihre Bühnengarderobe in Form eines langen, mintgrünen Abendkleids betrifft, wusste der sehr klassisch gehaltene Beitrag zu überzeugen. Viel Drama und offen zur Schau gestellten Weltschmerz hatte Albaniens Jonida Maliqi mit dem Song „Ktheju tokes“ zu bieten und war damit als optischer Hybrid aus Balkan-Folklore und Wonder Woman die Überraschung des zweiten Halbfinales.
Heimflug mit goldenen Flügeln
Neben Österreich ist für sieben weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer des zweiten Halbfinales der heurige Song Contest zu Ende. Roko aus Kroatien, der für die Performance des Songs „The Dream“ der Hölle in einem schneeweißen Outfit entstieg, um mittels überdimensionaler goldener Flügel die Himmelfahrt anzutreten, hat ebenso ausgesungen wie Sarah McTernan aus Irland, die einen zuckersüßen Auftritt mit einer harmlosen Ballade namens „22“ hinlegte und etwas schwach bei Stimme war. Auch die Bühnendekoration im Stil der USA der 1950er Jahre vermochte nicht so recht mitzureißen.
Nach zwei starken Jahren mit einem dritten und einem zehnten Platz ist auch für Moldawien Schluss. Anna Odubascus kraftvoll intonierte und sehr rockige Ballade „Stay“ war in Summe wenig überzeugend. Auch sie bediente sich in Sachen Bühneninszenierung bei wohlbekannten Song-Contest-Elementen: ein opulentes weißes Kleid in Kombination mit viel Schneegestöber.
Der mit den Löwen rennt
Ein Spukdrama in streng geschnittenen Kostümen brachte Rumänien zur Aufführung. Die Geisterschlossinszenierung von Ester Peonys „On a Sunday“ konnte trotz großen Bemühens und Zombie-Einbindung beim Publikum nicht punkten. Ähnlich erging es Jurij Veklenko aus Litauen. Sein Midtempo-Song „Run with the Lions“ war über weite Teile Song-Contest-Massenware, der nicht aus der Mittelmäßigkeit rauskommen wollte. Selbst Veklenkos freundlich-flehende Blicke in die TV-Kameras konnten da wenig ausrichten.
Althergebrachtes und Verhaltenes
Auch für Lettland ist Schluss. Das Trio Carousel lieferte mit „That Night“ einen verhaltenen Song mit einer verhaltenen Sängerin und einer verhaltenen Performance ab, was am Ende des Abends zu verhaltenen Publikumsreaktionen führte. Ebenso wie im Fall von Armenien: Der kraftvolle und sehr hymnische Song „Walking out“ von Srbuk war textlich wie auch in Hinsicht auf die Performance auf althergebrachte Song-Contest-Muster ausgerichtet.
Srbuk sang inmitten von Flammensäulen einen Song über eine gescheiterte Beziehung. Das war zu wenig. Weiter geht es am Samstag, wenn im Convention Center von Tel Aviv im Rahmen des Finales um den Sieg des 64. Song Contest gesungen wird.