Screenshot von einem Video von Vizekanzler Heinz-Christian Strache
Screenshot ORF/Spiegel/Süddeutsche
„Lockvogel“-Video

Aufnahmen als politisches Erdbeben

Berichte der deutschen Medien „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) haben Heinz-Christian Strache (FPÖ) schwer belastet. Strache habe einer vermeintlich reichen Russin vor der Nationalratswahl 2017 teils „mutmaßlich illegale Geschäfte angeboten, falls sie ihm zum Wahlsieg verhilft“, schreibt die „SZ“. Das Treffen mit der Frau wurde den Angaben zufolge heimlich gefilmt und den Zeitungen zugespielt.

Strache war vor der Nationalratswahl den Berichten zufolge bereit, fragwürdige Spenden aus Russland anzunehmen. Im Gegenzug für die Unterstützung der vermeintlichen russischen Oligarchin habe er politische Gegenleistungen in Aussicht gestellt. Die Zeitungen beziehen sich auf ein versteckt aufgenommenes Video. Die Aufnahmen wurden laut „SZ“ und „Spiegel“ im Juli 2017 heimlich gemacht. An dem Treffen „in einer Villa auf Ibiza“ nahm den Angaben zufolge auch der Fraktionsvorsitzende der FPÖ im Nationalrat, Johann Gudenus, teil.

Die Frau, die in dem Video als Lockvogel agiert haben soll, gab laut „Spiegel“ an, eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen – und deutete an, dass es sich um Schwarzgeld handeln könnte. Strache und Gudenus reden dennoch laut den Berichten rund sechs Stunden mit ihr über Anlagemöglichkeiten. Laut „SZ“ sagte sie, sie wolle relevante Anteile an der „Kronen Zeitung“ erwerben und anschließend den FPÖ-Wahlkampf durch die Berichterstattung unterstützen. Die Frau wurde den Politikern als „Aljona Makarowa vorgestellt, angebliche Nichte eines Putin-nahen russischen Oligarchen“, heißt es in der „SZ“.

Strache stellt in Video öffentliche Aufträge in Aussicht

„Wenn sie die ‚Kronen Zeitung‘ übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden“, sagt Strache in dem Video. Denn: Würde die „Krone“ die FPÖ zwei, drei Wochen vor der Wahl pushen, „dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34“ Prozent. Außerdem stellte Strache der Frau in dem Video öffentliche Aufträge im Straßenbau in Aussicht: „Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr“, sagt er. Hans Peter Haselsteiner ist der langjährige Vorstandsvorsitzende und Miteigentümer des Baukonzerns STRABAG.

Zu Spenden über einen Verein

Strache und Gudenus erklären, wie Spenden getätigt werden können. Der Rechnungshof könne umgangen werden.

In dem Video spricht Strache überdies davon, das österreichische Mediensystem nach dem Vorbild Ungarns gestalten zu wollen. Unter der Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban wurde die Pressefreiheit in dem Land stark eingeschränkt. „Würden wir in einer Regierungsbeteiligung sein, würden wir uns sogar vorstellen können, einen Sender zu privatisieren. Da gibt’s natürlich dann Interessenten unterschiedliche … Wir könnten uns vorstellen, den ORF auf völlig neue Beine zu stellen“, sagt Strache in der Aufnahme. Journalisten nennt Strache „sowieso die größten Huren auf dem Planeten“ – ausgenommen nur Richard Schmitt, Chefredakteur der „Kronen Zeitung" (Onlineausgabe).

Wenn man kompromittierendes Material aus dem Privatleben seiner politischen Rivalen beschaffen könnte und im Ausland lancieren würde, dann würde niemand wissen, dass die FPÖ dahinter steckt, so Strache: „Würde es uns gelingen, von einer Seite Fotos zu organisieren, die wir übers Ausland spielen, würde die andere Seite glauben, die andere war’s und der atomare Krieg geht los. Es muss uns das Kunststück gelingen, eine Seite sichtbar zu machen, damit die andere losschlägt.“

Über die „Kronen Zeitung“

Strache, Gudenus und die Lockvögel besprechen eine mögliche Übernahme der „Kronen Zeitung“ und daraus resultierende Vorteile für die FPÖ.

In den Aufnahmen berichtet Strache davon, dass „ein paar sehr Vermögende“ im Wahlkampf zwischen 500.000 und zwei Millionen Euro über einen gemeinnützigen Verein an die FPÖ bezahlen würden. An den Rechnungshof (RH) gemeldet werde das Geld nicht. Im Video nennt Strache auch die Namen einiger angeblicher Spender: den Waffenfabrikanten Gaston Glock, die Milliardärin Heidi Goess-Horten, den Unternehmer Rene Benko und den Glücksspielkonzern Novomatic. Alle vier dementierten umgehend, dass sie an die FPÖ gespendet hätten.

Strache zu „Spiegel“: „Rein privat“

Es sei „ein rein privates“ Treffen in „lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre“ gewesen, hatte Strache laut „Spiegel“ schriftlich mitgeteilt. „Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen“. Das gelte auch für „allenfalls in Aussicht gestellte Parteispenden bzw. Spenden an gemeinnützige Vereine im Sinne der jeweiligen Vereinsstatuten“. Strache ergänzte, er oder die FPÖ hätten „niemals irgendwelche Vorteile“ von diesen Personen erhalten oder gewährt. „Im Übrigen“, schrieb Strache, „gab es neben dem Umstand, dass viel Alkohol im Laufe des Abends gereicht wurde, auch eine hohe Sprachbarriere.“

Über vermögende Spender

Die FPÖ werde von vielen unterstützt, etwa von Immobilieninvestor Rene Benko, Gaston Glock und Novomatic – alle dementierten.

Die Enthüllung wirft viele Fragen auf. So ist unklar, wer die Personen waren, die Strache und Gudenus die Falle stellten. Auch wer den Medien das Material zuspielte, ist offen. „Spiegel“ und „SZ“ berufen sich auf den Quellenschutz. Und ebenfalls bisher nicht erklärbar ist, warum das belastende Video erst eine Woche vor der EU-Wahl, publik wurde.

Erinnerung an Causa Strasser

Das Video lässt Erinnerungen an die Aufnahmen von Ex-Innenminister und ÖVP-EU-Mandatar Ernst Strasser, die als Lobbyisten-Affäre in die Geschichte eingingen und für Strasser mit einem Schuldspruch wegen Bestechlichkeit endeten. Strasser war 2010/2011 als damaliger ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten auf den Leim gegangen, die ihn auf eine mögliche Einflussnahme auf die EU-Gesetzwerdungsverfahren ansprachen. Im Lauf mehrerer Gespräche, die heimlich auf Video aufgenommen wurden, sicherte Strasser schließlich – gegen ein jährliches Honorar von 100.000 Euro – bezogen auf konkrete EU-Richtlinien ein entsprechendes Verhalten zu.

Über staatliche Aufträge

Er sei bereit, im Falle einer Regierungsbeteiligung Aufträge zu vergeben, so Strache.

So erzählte Strasser in einem der drei veröffentlichten Videos den Reportern, dass er die Gesetzgebung für ihre Klienten ändern kann: „(…) wenn zum Beispiel wenn etwas Bestimmtes ins Parlament kommt, können wir versuchen, auf Leute Einfluss zu nehmen, die im Ausschuss sitzen und an diesen Belangen arbeiten – indem wir die richtigen Informationen kriegen, indem wir die Richtung kriegen, in die wir sie haben wollen, um irgendeinen kritischen Inhalt zu verändern.“

„A special smell“

In einem weiteren Video fragen die Reporter Strasser, ob er einen Gesetzesänderungsantrag für einen ihrer Klienten einbringen kann: „Ja, ja, ja. Sie schicken mir den Änderungsvorschlag und was ihr Klient geändert haben möchte, ja?“, sagte dazu Strasser.

Eine der bekanntesten Zitate Strassers aus den in Englisch geführten Gesprächen lautete: „Of course I am a lobbyist, yes, and I am open for that. … The problem is: A lobbyist has a special smell. So we have to be very careful.“