Bundeskanzler Sebastian Kurz
Reuters/Leonhard Foeger

Die Erklärung von Kurz im Wortlaut

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will Neuwahlen „zum schnellstmöglichen Zeitpunkt“. Das sagte er am Samstagabend in einem Pressestatement. Kurz reagierte damit auf das Skandalvideo über Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Im Folgenden der Wortlaut der Erklärung von Bundeskanzler Kurz, in der er die Neuwahl angekündigt hat:

„Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die letzten 24 Stunden waren an Dramatik kaum zu überbieten, und ich möchte daher mit Ihnen meine Einschätzung der Situation teilen. Ich bin vor zwei Jahren angetreten, um in diesem Land etwas zu verändern. Ein Land, das durch jahrelangen Stillstand in der großen Koalition gelähmt war. Ein Land, in dem das System oft wichtiger war als die Menschen. Und ein Land, in dem der politische Stil vor allem geprägt war von gegenseitigem Streit. Am 15. Oktober 2017 haben die Wählerinnen und Wähler die Veränderung gewählt.

Ich habe damals versprochen: Ich werde mir selbst treu bleiben. Egal, was kommt. Ich werde Wahrheiten aussprechen, auch wenn sie unangenehm sind. Und ich werde tun, was richtig ist. Und das auch, wenn es Gegenwind gibt. Das war immer mein Stil. Und das wird auch so bleiben.

Kurz strebt schnellstmögliche Neuwahlen an

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verkündet am Samstagabend das Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition und stellt Neuwahlen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt in Aussicht.

Ich habe immer gewusst, dass der Weg mit der FPÖ als Regierungspartner Widerstand auslösen wird. Und doch muss man sagen: Die FPÖ war nach der Wahl die einzige Partei, die für eine Zusammenarbeit bereitgestanden ist. Wenn ich auf die inhaltliche Arbeit der letzten zwei Jahre zurückblicke, dann bin ich froh, dass wir genau das, was wir im Wahlkampf versprochen haben, auch in der Regierungsarbeit umsetzen konnten. Wir haben es geschafft, die Schuldenpolitik zu beenden, die Steuerlast für arbeitende Menschen deutlich zu senken und auch die illegale Migration nach Österreich massiv zu reduzieren. Wir haben wichtige Reformen in der Bildung eingeleitet, die Zusammenlegung der Sozialversicherungen auf den Weg gebracht. Und wir sind mittlerweile Vorreiter in der Digitalisierung.

Für diese Arbeit möchte ich mich auch bei allen Mitgliedern der Bundesregierung bedanken. Und ich sage ganz bewusst, ganz gleich welcher Partei. Für diese inhaltlichen Erfolge war ich bereit, viel auszuhalten, viel in Kauf zu nehmen. Vom Rattengedicht über die Nähe zu radikalen Gruppierungen bis hin zu immer wieder auftauchenden Einzelfällen. Auch wenn ich es nicht immer öffentlich gesagt habe, sie können mir glauben, das war oft persönlich nicht einfach.

Bundeskanzler Sebastian Kurz
AP/Michael Gruber
Kanzler Kurz: „Für diese inhaltlichen Erfolge war ich bereit, viel auszuhalten. (…) Genug ist genug.“

Im Sinne der Sacharbeit habe ich nicht bei der ersten Verfehlung die Zusammenarbeit beendet. Aber nach dem gestrigen Video muss ich sagen: Genug ist genug. Auch wenn die Methoden, die an Silberstein erinnern, verachtenswert sind: Der Inhalt ist, wie er ist. Was über mich in diesem Video gesagt wurde, Beschimpfungen und Unterstellungen, ist dabei noch das geringste Problem. Wirklich schwerwiegend sind die Ideen des Machtmissbrauchs und der Umgang mit dem Steuergeld und der Umgang mit der Presse.

Die FPÖ schadet mit ihrem Verhalten unseren Weg der Veränderung. Es ist ein Schaden für das Ansehen unseres Landes und es entspricht auch nicht meinem politischen Zugang, der Republik und den Menschen unseres Landes zu dienen. Vor allem aber habe ich in den Gesprächen mit der FPÖ heute nicht das Gefühl gehabt, dass abseits der Rücktritte es eine wirkliche Bereitschaft gibt für eine tiefgreifende Veränderung auf allen Ebenen der Partei.

Natürlich könnte man jetzt alles Mögliche versuchen, um die eigene Macht abzusichern. Köpfe tauschen, als wäre nichts gewesen, oder einen fliegenden Wechsel zur SPÖ und wieder Stillstand, wie wir es jahrelang in Österreich hatten. Beides ist nicht das, was unser Land jetzt braucht. Und auch für mich ganz persönlich wäre es falsch. Denn ich bin nicht in die Politik gegangen, um ein Amt innezuhaben, sondern etwas daraus zu machen. Mein Ziel ist es einfach, für dieses Land zu arbeiten. Mit meinem politischen Zugang, mit einem Kurs, den die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Aber eben ohne Einzelfälle, Zwischenfälle und sonstige Skandale. Das ist derzeit mit niemandem umsetzbar. Die FPÖ kann nicht. Die SPÖ unterstützt meinen Kurs inhaltlich nicht. Und die kleinen Parteien reichen nicht.

Darum habe ich dem Bundespräsidenten vorgeschlagen, vorgezogene Wahlen in Österreich durchzuführen. Nur wenn die Volkspartei nach den Wahlen so stark ist, dass wir eindeutig den Ton angeben, kann unser Kurs der Veränderung konsequent fortgesetzt werden. Wenn Sie mit meinem Kurs zufrieden sind, wenn Sie diese Veränderung fortführen wollen, dann brauchen wir bei der nächsten Wahl klare Verhältnisse. Mit einem klaren Wahlauftrag. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung!“