Herbert Kickl und Norbert Hofer
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Misstrauensvotum gegen Kurz

FPÖ dementiert Entscheidung

Die FPÖ hat gegenüber der APA dementiert, dass in Sachen Misstrauensantrag gegen ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz bereits eine Entscheidung gefallen sei. „Das ist falsch. Es gibt noch keine Entscheidung“, sagte ein FPÖ-Sprecher am Dienstagvormittag zur APA.

Die FPÖ sieht Kickl in der Tageszeitung „Österreich“ (Onlineausgabe) missinterpretiert, wie es von mehreren Seiten gegenüber der APA hieß. Die Zeitung hatte den Beitrag mit „FPÖ stimmt fix Misstrauensvotum gegen Kurz zu“ getitelt. Stimmt nicht, so die FPÖ: Kickl habe lediglich gesagt, dass derjenige, der der FPÖ misstraut, auch das Misstrauen der FPÖ habe. Das heiße aber nicht, „dass das Abstimmungsverhalten am Montag definitiv entschieden ist“. Kickl hatte laut Österreich allerdings auch gesagt: „Wann immer die Sondersitzung stattfindet: Wer Vertrauen gibt, erhält Vertrauen. Wer Misstrauen gibt, kriegt Misstrauen“, sagte Kickl in „Österreich“.

Die FPÖ verwies am Dienstag in ihrer Aussendung auch auf den designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer. Dieser habe am Montagabend im ORF-„Report“ dasselbe gesagt, hieß es am Dienstag aus der Partei. Hofer hatte dort erklärt, das weitere Vorgehen werde „von den nächsten Stunden“ abhängen. Es sei „ein bisschen schwierig“, wenn einerseits „uns das Misstrauen ausgesprochen wird und gleichzeitig verlangt wird, dass wir das Vertrauen aussprechen. Soviel ich gehört habe, könnten andere Parteien im Parlament einen Misstrauensantrag einbringen – wir planen das nicht. Und wir müssten überlegen, ob wir einem derartigen Antrag zustimmen werden“, so Hofer im „Report“.

Kickl schließt Spitzenkandidatur nicht aus

Gespräche über einen Misstrauensantrag hätten bereits stattgefunden, hieß es schließlich in einer Aussendung der FPÖ Dienstagvormittag. „Nach Einbringen eines Misstrauensantrags durch die bestehende Opposition wird der freiheitliche Parlamentsklub in enger Abstimmung mit der Parteiführung über einen solchen Antrag entscheiden“, hieß es weiter. Die Argumentation von NEOS, dass man kein Vertrauen in die Regierung habe, ihr aber trotzdem das Vertrauen aussprechen wolle, erscheine ihm nicht richtig, so Hofer in der Aussendung weiter.

„Betreffend die Wahl eines Spitzenkandidaten für die kommende Nationalratswahl ist davon auszugehen, dass der Bundesparteivorstand den designierten Bundesparteiobmann für diese Aufgabe nominieren wird“, so Hofer in der Aussendung weiter. Kickl schloss indes in „Österreich“ nicht aus, dass er selbst als Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl antreten könnte.

Jetzt kündigte Misstrauensantrag an

Zunächst war es die Partei Jetzt, die einen Misstrauensantrag gegen Kurz bei der Sondersitzung des Nationalrats ankündigte. Listengründer Peter Pilz hoffte nach eigenen Angaben auf die Stimmen von SPÖ, NEOS – und FPÖ.

Die SPÖ ist in Sachen Misstrauensantrag weiter zurückhaltend. Das sei derzeit „kein vorrangiges Thema“, so ein SPÖ-Sprecher am Dienstag. Zunächst gelte es, mit dem Bundespräsidenten (Alexander van der Bellen, Anm.) und den anderen Parteien eine „geordnete Übergabe“ zustande zu bringen. „Wir hoffen, dass dann alle Beteiligen einsichtig sind, und es nicht zu einem Misstrauensantrag kommen muss.“

„Wir wollen, dass die gesamte Übergangsregierung aus Experten besteht. Weil wir glauben, dass nur diese Lösung Vertrauen und Stabilität bringen kann in dieser schwierigen Phase“, untermauerte der Sprecher von SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner den bereits von ihr geäußerten Standpunkt. Auch Kanzler Kurz will man durch einen Experten ersetzt haben, betonte man in der SPÖ am Dienstag gegenüber der APA explizit.

„Eigentlich noch gar nichts auf dem Tisch“

Klar machte der Sprecher, dass man den ÖVP-Chef nicht alleine weiterregieren lassen will: „Die ÖVP-Alleinregierung, wie sich das Kurz vorstellt, hat keine Mehrheit im Parlament“, so der Sprecher. Grundsätzlich sei es aber jetzt noch „gar nicht der richtige Zeitpunkt“, über die Frage nachzudenken, ob die SPÖ einen Misstrauensantrag gegen Kurz mittragen würde. Denn es liege „eigentlich noch gar nichts am Tisch“.

Der Ball sei nun beim Bundespräsidenten, verwies der Sprecher am Dienstag erneut auf Rendi-Wagners bereits am Montag geäußerte Sicht. Dieser müsse schauen, dass er einen Vorschlag macht, „der von einer breiten Unterstützung getragen ist“.

Designierter FPÖ-Obmann Hofer: „Lassen uns nicht auseinanderdividieren“

Der designierte FPÖ-Chef und scheidende Verkehrsminister Norbert Hofer bezeichnet die geplatzte Koalition als „beliebteste Regierung seit vielen Jahren“.

Fischer: In dieser Form noch nie vorgekommen

Das Schwierigste an dieser Situation sei, dass die ÖVP-Regierung keine Mehrheit im Nationalrat habe, sagte Altbundespräsident Heinz Fischer in der ZIB2. Kurz könne sich nur auf 62 der 183 Nationalratsabgeordneten stützen, 121 seien nicht an auf seiner Seite. Damit könnte auch der angekündigte Misstrauensantrag im Nationalrat Erfolg haben.

Das „ist in dieser Form in der Geschichte der Zweiten Republik noch nie vorgekommen“, so Fischer. Dann müsste der Bundespräsident eine „geeignete Persönlichkeit“ mit der Regierungsbildung beauftragen, die dem Bundespräsidenten ein Kabinett vorschlägt. Dass er Übergangskanzler werden könnte, schloss Fischer aus.

Altbundespräsident Heinz Fischer: Situation nicht stabil, aber keine Staatskrise

Obwohl die Lage „alles andere als stabil“ sei, könne man derzeit „nicht von einer Staatskrise“ sprechen, so Fischer in der ZIB2. Dass er interimistisch von Kanzler Kurz übernehmen könnte, wies er zurück.

Experten sollen FPÖ-Minister ersetzen

Doch auch abseits der Spekulationen über einen Misstrauensantrag gegen die ÖVP-Spitze ging es am Montag neuerlich turbulent zu: Mit der Ankündigung des Bundeskanzlers, bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Entlassung von Innenminister Kickl vorzuschlagen, ließen auch die restlichen freiheitlichen Regierungsmitglieder am Abend wie angekündigt die Ämter liegen.

Gespräche über Wege aus Regierungskrise

Auch am Dienstag werden wieder Gespräche und Verhandlungen geführt, wie es denn nun weitergehen soll mit einer Regierung.

Die freiheitlichen Regierungsmitglieder sollen, wie Kurz in einer Pressekonferenz erklärte, von Experten bzw. Spitzenbeamten ersetzt werden. Laut Kurz ist die Vorgangsweise der Übergangsregierung bis zur vorgezogenen Nationalratswahl mit Van der Bellen abgesprochen. Die Regierungsumbildung sei das einzig Richtige, um Stabilität im Land gewährleisten zu können.

Kurz: FPÖ realisiert „Dimension des Skandals“ nicht

Der Regierungschef hätte es richtig gefunden, hätte Kickl das Amt von sich aus geräumt, um die Aufklärung der Vorwürfe um illegale Parteienfinanzierung bei den Freiheitlichen zu ermöglichen. Dass er mit der FPÖ in dem Fall weiter regiert hätte, wollte Kurz nicht bestätigen. Kickls entsprechende Darstellungen stimmten „so definitiv nicht“.

Kurz für Kickl-Entlassung

Kanzler Kurz hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Entlassung von Innenminister Kickl (FPÖ) vorgeschlagen. Sollten auch die anderen FPÖ-Minister zurücktreten, würden diese durch Fachleute ersetzt, so Kurz.

Überhaupt wiederholte der ÖVP-Obmann seine Einschätzung, dass die FPÖ die Dimension des Skandals nicht realisiere. Auch die nötige Sensibilität in der Situation vermisste Kurz. An sich wäre er ja zur inhaltlichen Regierungsarbeit zu 100 Prozent gestanden. Einige Personen hätten sich aber als nicht regierungsfähig erwiesen. Ob die anderen Parteien auf einen Misstrauensantrag gegen die um Experten angereicherte VP-Regierung verzichten, wollte Kurz nicht beurteilen.

Kickl zeigte daraufhin weiterhin Unverständnis für das Argument der ÖVP, die Entlassung sei nötig, weil er 2017 als Generalsekretär verantwortlich für die Finanzgebarung der Partei gewesen sei. „In der FPÖ ist es definitiv nicht so“, meinte der Noch-Innenminister. Möglicherweise aber in der Volkspartei, deren ehemaliger Generalsekretär Gernot Blümel nun Kanzleramtsminister ist.

Der „Ibiza-Skandal“

Der „Ibiza-Skandal“ ist Auslöser einer schweren innenpolitischen Krise. Ein Treffen von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Klubchef Johann Gudenus (beide FPÖ) mit einer angeblichen russischen Oligarchennichte geriet zum Sittenbild für Korruption und Käuflichkeit höchster Amtsträger. Ein heimlich aufgenommenes Video des Treffens brachte die beiden Politiker zu Fall – und die ÖVP-FPÖ-Koalition gleich mit.

Turbulenzen auch in den Bundesländern

Auch die SPÖ zog ihre Konsequenzen aus dem „Ibiza-Video“: In Linz kündigte SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger das Arbeitsübereinkommen mit der Linzer FPÖ – nachdem ihn Rendi-Wagner dazu aufgefordert hatte. Ab sofort solle ein freies Spiel der Kräfte herrschen. Im Burgenland beschloss der rot-blaue Koalitionsausschuss, die Landtagswahl vom Mai auf den 26. Jänner 2020 vorzuverlegen.

Im – schwarz-blau regierten – Oberösterreich trat Sicherheitslandesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) zurück. Er befürchte, „bei der nun einsetzenden oppositionellen Schmutzkübelkampagne anlässlich der sogenannten ‚Ibizaaffäre‘ erneut zur Zielscheibe medialer Angriffe zu werden“, hieß es. Die oberösterreichische SPÖ forderte gleich eine Neuwahl des dortigen Landtags.

Doskozil zu Neuwahl im Burgenland

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) begründet die Vorverlegung der Landtagswahl im Burgenland. Er befürchtet einen schmutzigen, sehr persönlichen Nationalratswahlkampf.

Zahlreiche Anzeigen

Die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien prüft indes die mögliche strafrechtliche Relevanz des „Ibiza-Videos“. Die OStA sei am Wochenende zum Ergebnis gekommen, „dass auf Basis der kolportierten Inhalte des Videos das Vorliegen eines Anfangsverdachts nicht abschließend beurteilt werden kann“, hieß es.

„Aus diesem Grund wurde die WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Anm.) damit beauftragt, sämtliche verfügbare Informationen zusammenzutragen und auf dieser Basis den Anfangsverdacht zu überprüfen.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Spiegel“, denen das gesamte mehrstündig Video zugespielt wurde, haben bereits mitgeteilt, dass sie das gesamte Videomaterial den Behörden nicht zur Verfügung stellen werden.

In der Causa gibt es laut WKStA bereits zahlreiche Anzeigen. Die Behörde betonte, dass sie an einer vollumfänglichen strafrechtlichen Aufklärung des Sachverhalts interessiert sei und unter anderem eine Vielzahl an eingelangten Anzeigen in Zusammenhang mit dem Video prüfe. Es handle sich um ein berichtspflichtiges Verfahren, sodass die WKStA auf Weisung der OStA Wien vom 18. Mai 2019 zunächst Erkundigungen zur Prüfung des Anfangsverdachts zu führen gehabt habe. Derzeit prüfe man „umfassend das Vorliegen eines Anfangsverdachtes“. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würden darüber hinaus keine weiteren Details zum Verfahren sowie Namen von Verfahrensbeteiligten bekanntgegeben, hieß es in der Stellungnahme.