Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
Regierungskrise

Experten sollen FPÖ-Minister ersetzen

In einem gemeinsamen Statement haben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen bekräftigt, dass Expertinnen und Experten die FPÖ-Ministerposten der Übergangsregierung besetzen sollen. Schon am Abend will der Kanzler Van der Bellen eine Liste mit Namen übergeben – zu einer Angelobung könnte es damit schon am Mittwoch kommen.

Kurz sagte, dass er den gleichen Zugang wie Van der Bellen bei der Bestellung der Übergangsregierung habe. Das heißt, dass Kurz für die einzelnen Ressorts Personen auswählt, die jetzt Spitzenbeamte sind oder das waren. Laut Kurz brauche es in dieser Situation qualifizierte Persönlichkeiten aus der Verwaltung. Diese sollten zudem hohe Unabhängigkeit gewährleisten.

Kurz sagte dem Präsidenten zu, „ehebaldigst und rasch, spätestens noch heute, Vorschläge zu übermitteln“. Van der Bellen wolle die Personen – nach Gesprächen mit ihnen – ernennen. Kurz hatte den Präsidenten zuvor bei einem Gespräch in der Präsidentschaftskanzlei um die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) gebeten.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
Reuters/Leonhard Foeger
In einem gemeinsamen Statement von Kanzler und Bundespräsident wurde die Besetzung von Posten mit Experten angekündigt

Auch den Wunsch der übrigen FPÖ-Minister, die als Folge dieser Entlassung ihre Rücktritte angekündigt hatten, übermittelte Kurz dem Präsidenten. „Ich beabsichtige, allen diesen Ersuchen zu entsprechen“, sagte Van der Bellen. Überraschend im Amt bleiben soll seitens der FPÖ nur Außenministerin Karin Kneissl, wie der Präsident ankündigte. „Als unabhängige Expertin fühle ich mich verpflichtet, meinen eingeschlagenen Kurs beizubehalten und unserem Land gerade jetzt weiterhin zur Verfügung zu stehen“, so Kneissl in einer Presseaussendung.

Van der Bellen denkt nicht an „Plan B“

Über einen möglicherweise von SPÖ und FPÖ unterstützten Misstrauensantrag gegen Kanzler Kurz wollte Van der Bellen am Dienstag noch nicht mutmaßen. „Ich denke heute an keinen Plan B.“ Er glaube, dass die Parlamentsparteien ihr Vorgehen sehr sorgsam abwägen werden. So gehe er heute davon aus, dass die Übergangsregierung im Amt bleibt. Einen Appell gab das Staatsoberhaupt heraus, diesmal in der Übergangszeit keine teuren Beschlüsse zu fällen: „Das möchte ich unter allen Umständen vermeiden.“

Noch nicht offiziell bekanntgegeben wurde vorerst, wann die neue Regierung angelobt wird, das könnte aber bereits am Mittwoch erfolgen. Dann verlieren auch die freiheitlichen Regierungsmitglieder in Innen-, Verteidigung-, Infrastruktur- und Sozialministerium sowie im Vizekanzleramt tatsächlich ihre Posten.

Expertenkabinett laut Funk Systembelastung

Der emeritierte Staats- und Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht unterdessen ein mögliches Expertenkabinett infolge eines erfolgreichen Misstrauensvotums gegen die amtierende Bundesregierung zwar nicht als Krise des Systems: „Aber es ist eine schwere Belastung des Systems.“

So stelle sich die Frage, was geschehe, wenn ein Expertenkabinett sich etwa damit konfrontiert sehe, dass der Verfassungsgerichtshof Teile der Reform der Sozialversicherung kippe. „Kann das Expertenkabinett die kreative Kraft aufbringen, um solche großen Vorhaben über die Bühne zu bringen?“, so Funk gegenüber der APA: „Der beste Fall wäre dann wohl eine Art Stillstand.“

SPÖ-Kritik an Vorgangsweise von Kurz

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kritisierte Kurz für die Vorgangsweise bei der Bildung einer Expertenregierung. „Ich mache mir Sorgen über die aktuelle Vorgangsweise von Sebastian Kurz. Er hat sich nicht ernsthaft um eine gesicherte parlamentarische Mehrheit für seinen Vorschlag bemüht“, sagte Rendi-Wagner.

Zu einem möglichen Misstrauensvotum gegen Kurz hieß es am Nachmittag: „In der jetzigen aufgeheizten politischen Stimmung schafft nur Unabhängigkeit echtes Vertrauen, eine ÖVP-Alleinregierung, wie sie angedacht ist, schafft dieses Vertrauen nicht.“ Deshalb schließe Rendi-Wagner ein Misstrauensvotum „nicht aus“, hieß es in einer Stellungnahme der SPÖ-Chefin.

SPÖ nennt mögliche Wunschkandidaten für Regierung

Zuvor nannte man seitens der SPÖ bereits Personen, die man sich in einer Übergangsregierung vorstellen könnte. EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder sprach etwa von Alt-Bundespräsident Heinz Fischer und dem ehemaligen österreichischen EU-Kommissar und ÖVP-Politiker Franz Fischler. Zu den „besten Köpfen dieses Landes“ zählte er auch den früheren Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, den ehemaligen internationalen Bosnien-Beauftragten Wolfgang Petritsch und die frühere Chefin des Liberalen Forums, Heide Schmidt.

Dem Vernehmen nach wurden in der SPÖ auch die Namen von Ex-Verwaltungsgerichtshof-Präsident Clemens Jabloner, Notenbank-Chef Ewald Nowotny und Ex-Notenbank-Gouverneur Klaus Liebscher als unterstützenswerte Kandidaten diskutiert.

Unterstützung für Misstrauensantrag weiter unklar

Unklar blieb die Frage, ob die FPÖ den von Jetzt angekündigten Misstrauensantrag gegen Kurz unterstützen würde. Interpretationen eines Interviews in der Tageszeitung „Österreich“, wonach ein FPÖ-Ja zu einem Misstrauensvotum schon fix sei, dementierte die Partei umgehend. „Es gibt noch keine Entscheidung“, hieß es von einem Sprecher.

Lediglich NEOS machte bereits klar, einen Misstrauensantrag gegen Kurz oder gar die gesamte Regierung nicht zu unterstützen. Bei aller Kritik an Kurz wäre das in dieser Situation „der staatspolitisch falsche Weg“, hieß es.

Van der Bellen hält am Abend Rede

Am Abend wird sich der Präsident in einer Rede direkt an die Bevölkerung wenden. Um 19.45 Uhr wird er zur aktuellen politischen Lage Stellung nehmen. Nach Informationen aus der Hofburg wird Van der Bellen dabei aber noch keine Namen zur Übergangsregierung nennen.