Eindrücke von Ballhausplatz und Parlament
ORF.at/Roland Winkler
Geheime Parteispenden

„Ibiza-Skandal“ erhöht Reformdruck

Die neue Übergangsregierung ist angelobt, doch wie lange sie bestehen wird, ist völlig unklar. Eine erste entscheidende Hürde wird die Sondersitzung des Nationalrats am Montag, bei der Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein Misstrauensantrag droht. Kurz muss nun wohl das Gespräch mit der Opposition suchen. Diese fordert ihrerseits etwa, die Regeln für die Parteienfinanzierung deutlich zu verschärfen.

Für alle Parteien, insbesondere aber für die ÖVP, wird es angesichts der labilen Kräfteverhältnisse im Parlament ein permanentes Abwägen und eine komplizierte Suche nach Konsens, Miteinander und Konfrontation sein. Vertrauen könnte aufgebaut, sinnvolle Maßnahmen vielleicht sogar in einem breiten Konsens beschlossen werden.

Ein zentrales Thema in dieser ungewöhnlich offenen Situation dürfte die Wahlkampfkosten- und Parteienfinanzierung werden. Der „Ibiza-Skandal“ und die darin von Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache angesprochene Umgehung der Regeln via gemeinnützige Vereine haben die bestehenden Lücken erneut deutlich aufgezeigt. Vor allem ÖVP und FPÖ könnten daher unter Zugzwang geraten.

Schweigen von ÖVP und FPÖ

NEOS und Jetzt kündigten bereits Initiativen an. Die SPÖ verfolgt das Thema ebenfalls, eine Entscheidung über die parlamentarische Vorgehensweise sei aber noch nicht gefallen, hieß es gegenüber ORF.at. Die Grünen, seit der letzten Wahl nicht im Nationalrat, wollen ebenfalls klare Änderungen. ÖVP und FPÖ schweigen allerdings bisher dazu. Auf entsprechende Anfragen von ORF.at gab es keine Reaktion.

Blümel bleibt vage

Nachdem auch Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker in deutlichen Worten schärfere Regeln gefordert hatte, wurde Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) beim Ratstreffen in Brüssel ebenfalls danach gefragt. Blümel antwortete ausweichend. Er verwies auf das Parlament und betonte die „schwierige Situation“ vor Wahlen. Blümel machte aber klar, dass er davon ausgehe, dass es vor der Wahl keine Beschlüsse dazu geben wird.

Blümel steht vonseiten der Opposition selbst wegen seiner Website in der Kritik. Diese wird von einem Verein betrieben, der laut Parteiangaben „zu 100 Prozent von der ÖVP Wien finanziert“ wird und keine Spenden von Dritten erhält. Obmann des Vereins zur Förderung bürgerlicher Politik ist Eugen Hammer – als Vertreter der Erste Group im Lobbyistenregister eingetragen.

Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger
APA/Herbert Neubauer
Meinl-Reisinger will eine „radikal neue politische Kultur und umfassende Transparenz“

Kein Junktim, vieles im Fluss

Weder NEOS noch Jetzt verknüpfen die Reform des Parteiengesetzes mit dem angekündigten Misstrauensantrag gegen Kurz. Die Gründe dafür sind allerdings ganz unterschiedlich: NEOS will aus Gründen der Staatsräson die nunmehrige ÖVP-Minderheitsregierung nicht zu Fall bringen.

Jetzt wiederum will auf jeden Fall seinen Misstrauensantrag am Montag einbringen. Die Verschärfung der Regeln bei der Wahlkampffinanzierung wolle Jetzt unabhängig vom Misstrauensantrag, wie Klubchef Wolfgang Zinggl gegenüber ORF.at betonte. In der SPÖ wiederum ist derzeit noch offen, ob man Kurz das Misstrauen aussprechen wird – auch ganz unabhängig vom Thema Parteiengesetz.

Und die Grünen, seit 2017 nicht im Nationalrat, machen ebenfalls Druck und fordern Verschärfungen. Parteichef und EU-Spitzenkandidat Werner Kogler will vor der Neuwahl zumindest noch einen verbindlichen Pakt zwischen den Parteien, der konkrete Änderungen für die Zeit nach der Wahl verbindlich fixiert.

Noch vor der Wahl

Sowohl Jetzt wie NEOS wollen eine Verschärfung des Parteienfinanzierungsgesetzes jedenfalls noch vor der Wahl, die vermutlich im September stattfinden wird. Zur Erinnerung: Bereits vor der Wahl 2017 hatten sich alle damals kandidierenden Parteien generell für Verschärfungen ausgesprochen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Trotz Drucks und Gesetzesinitiativen von SPÖ, NEOS und Jetzt passierte danach aber nichts. ÖVP und FPÖ wurden von sich aus nicht tätig, Anträge der Opposition wurden dem zuständigen Ausschuss zugewiesen und dort auf die lange Bank geschoben.

Jetzt-Klubobmann Wolfgang Zinggl
APA/Herbert Neubauer
Zinggl setzt auch beim Thema transparente Parteifinanzen auf das freie Spiel der Kräfte im Parlament

„Durch ‚Ibiza-Skandal‘ virulent“

NEOS und Jetzt planen jeweils eigene Anträge bereits für nächste Woche. Nun gebe es das freie Spiel der Kräfte, das solle genutzt werden, heißt es bei NEOS. Auch die anderen Parteien müssten ja in dieser Zeit Interesse haben, zu zeigen, dass sie für Transparenz bei den Parteifinanzen seien, so die Hoffnung, dass sich nun etwas bewegen könnte.

TV-Hinweis

Das ORF-Wirtschaftsmagazin „Eco“ widmet sich am Donnerstag um 22.30 Uhr in ORF2 ebenfalls dem Thema Parteispenden von Unternehmen.

Ganz ähnlich sieht das Jetzt-Klubchef Zinggl: Das Problem sei zuvor wohlbekannt gewesen, aber „durch den ‚Ibiza-Skandal‘ besonders virulent“ geworden. Eine Umsetzung vor der Wahl sei zeitlich kein Problem, denn „das kann blitzschnell gehen“.

Generell will Jetzt das nunmehr im Parlament gegebene freie Spiel der Kräfte nutzen, denn das entspreche eigentlich der Grundlage der Fraktion, die den Klubzwang ablehnt. So könne die ÖVP nun auch einer Änderung des umstrittenen Rauchergesetzes zustimmen. Aus Koalitionsräson hatte diese das bereits unter SPÖ und ÖVP beschlossene völlige Rauchverbot in der Gastronomie 2018 gemeinsam mit der FPÖ wieder aufgehoben.

Drei zentrale Forderungen

Um die Wahlkampffinanzierung transparent zu machen, fordert Jetzt, dass der Rechnungshof aktiv Parteien und parteinahe Vereine und deren Konten prüfen kann. Außerdem sollten Verstöße gegen die Offenlegungsregeln nicht nur wie bisher ein Verwaltungsdelikt, sondern ein strafrechtliches Delikt werden. Nur so kann die Staatsanwaltschaft bei vorliegendem Verdacht die Konten öffnen lassen. Und drittens müssten Überschreitungen der maximal erlaubten Wahlkampfausgaben mit einem Bußgeld belegt werden, das „wirklich weh tut“, so Zinggl.

Ganz ähnlich lauten auch die Forderungen der Grünen und von NEOS. Letztere wollen die Prüfrechte des Rechnungshofs auf alle Teilorganisationen der Parteien und deren Fraktionen in Arbeits- und Wirtschaftskammer ausdehnen. Die Regierungskrise sieht NEOS generell als Chance, „Meter zu machen bei schärferen Sanktionen und Transparenz“, so Parteichefin Beate Meinl-Reisinger.

SPÖ für Obergrenze bei Spenden

Die SPÖ fordert vor allem eine Beschränkung von Großspenden auf einen Maximalbetrag. Für den EU-Wahlkampf hatten die Sozialdemokraten etwa 10.000 Euro als Obergrenze gefordert. Ein SPÖ-Antrag zu schärferen Auflagen sei bereits im Herbst eingebracht worden, dort von ÖVP und FPÖ aber im Ausschuss „begraben“ worden.

Die Forderungen von NEOS und Jetzt entsprechen weitgehend jenen des Experten für Parteienfinanzierung, Hubert Sickinger. Für ihn besteht die größte Schwäche darin, dass die derzeitigen Beschränkungen leicht ausgehebelt werden können. Und vor allem bestehe kaum ein Risiko, sich dafür verantworten zu müssen, so Sickinger zu Wochenbeginn gegenüber ORF.at.

Sickinger hält eine Verschärfung des Gesetzes vor der Neuwahl übrigens für nicht sehr realistisch. Einige würden wohl versuchen, nun erneut auf Zeit zu spielen. Es wäre nicht das erste Mal.