Blick auf die Seitenbühne der Staatsoper
Wiener Staatsballett/Ashley Taylor
„Die Spitze tanzt“

150 Jahre Wiener Ballettgeschichte

Als „Geschenk zum 150. Geburtstag der Wiener Staatsoper“ versteht Theatermuseum-Direktor Thomas Trabitsch die vorige Woche eröffnete Schau „Die Spitze tanzt“ zur Geschichte des Balletts am Haus am Ring. Darüber hinaus entstehe dadurch eine willkommene Spange zur seit Mitte März laufenden Schau „Alles tanzt. Kosmos Wiener Tanzmoderne“, die ebenfalls von Andrea Amort kuratiert wurde.

Als wiederkehrendes Motiv hat Ausstellungsgestalter Thomas Hamann den Spiegel und die Ballettstange gewählt, die den Besucher bereits im Stiegenhaus zum ersten Stock begrüßen. Für das, was hinter den Kulissen passiert, dort, wo sich Spiegel und Stange finden, bleibt in der kleinen, dicht gepackten Schau jedoch kaum Platz.

Dort hat Amort in zwei Räumen einen Parcours durch die Geschichte des Ballettensembles von der Kaiserzeit über das 20. Jahrhundert bis (fast) in die Gegenwart geschaffen. In acht Kapiteln – von „Dem Adel verpflichtet“ über „Wiener Dramaturgie“ bis „Paris & Wien“ – zeigt sie in grob chronologischer Reihenfolge Fotos, Zeichnungen, Kostüme und Schuhe aus den vergangenen 150 Jahren. Zum Abschluss gibt ein Video mit Interviews mit Tänzerinnen Einblicke in die Probenarbeit aktueller Produktionen.

Ausstellungsansicht
KHM-Museumsverband

Ballettakademie und Vorwürfe ausgeklammert

Ausgeklammert bleiben in „Die Spitze tanzt“ freilich die vor rund einem Monat aufgebrachten Vorwürfe rund um die Ballettakademie, auf die in der Ausstellung lediglich durch eine Reproduktion des Organisationsstatuts der Ballett-Tanzschule am k. k. Hof-Operntheater vom 1. April 1870 sowie Fotos einiger Absolventinnen Bezug genommen wird. Sie habe sich zur Causa ausführlich in Interviews geäußert und vertraue auf die laufende Aufarbeitung der Angelegenheit durch die Staatsoper, so Amort auf Nachfrage.

Ihr sei es auf der begrenzten Ausstellungsfläche darum gegangen, die Highlights der vergangenen 150 Jahre darzustellen. Darüber hinaus könne man „nur zeigen, was gesammelt wurde“. „Viele haben mich gefragt: Wirst du in der Ausstellung blutige Füße zeigen? Nein, ich zeige keine blutigen Füße. Wie wir alle wissen: Blutige Füße bekommt man schnell einmal.“

Ebenso wie die anwesenden Tänzerinnen Rebecca Horner, die kürzlich mit dem Fanny-Elßler-Ring ausgezeichnet wurde, und Susanne Kirnbauer, die mit Doris Uhlichs Gastspiel „Spitze“ im Eroica-Saal auftritt, unterstrich sie, dass es künftig eine höhere Dotierung der Ballettakademie und bessere Pädagogik brauche. Vertreter der Wiener Staatsoper waren am Vormittag nicht zugegen, Ballettdirektor Manuel Legris soll am Abend jedoch die Eröffnung vornehmen.

Rudolf Nurejew bei einer Probe für „DON QUIXOTE“, 1977
Bundestheater-Holding GmbH/Helmut Koller
Mehr als 20 Jahre tanzte und choreografierte Ballettikone Rudolf Nurejew in Wien

Überblick über die Spielpläne von der Hofoper bis heute

Das Gezeigte reicht von den Anfängen in der damals neu erbauten Hofoper über den Einzug von Individualität und Stil im beginnenden 20. Jahrhundert und den spezifischen Ballettspielplan der Ära Richard Strauss bis hin zum Wechselspiel von Klassik und Moderne nach dem Zweiten Weltkrieg. Rudolf Nurejews Neuinszenierung von „Schwanensee“ (1964) findet ebenso Platz wie Manuel Legris’ „Sylvia“ (2018). Neben einem umfangreichen Rahmenprogramm bietet die Schau auch ein Begleitheft mit ausführlichen Beschreibungen der einzelnen Kapitel der Ausstellung sowie einer detaillierten Chronologie aller Premieren seit dem 16. Juni 1869 mit „Sardanapal“.