Eine FPÖ-Anhängerin mit einem „Jetzt erst recht“-Anstecker
APa/AFP/Alex Halada
Nach „Ibiza-Video“

FPÖ wehrt sich gegen Vorwürfe zu Vereinen

Am Samstag sind bisher unbekannte Vereine der FPÖ aufgetaucht, darunter ein Personenkomitee für den abgetretenen Parteichef Heinz-Christian Strache. Die FPÖ reagierte mit der Auflösung von zwei der drei Vereine – und beklagt eine „mediale Hetzjagd“. Die Justiz wartet indes darauf, tätig werden zu können.

Das Nachrichtenmagazin „profil“ hatte über die drei Vereine zuvor berichtet. Dabei handle es sich um ein Personenkomitee „Wir für HC Strache“ sowie die Vereine „Patria Austria“ und „Reformen – Zukunft Österreich“. Dem Bericht zufolge lukrierte „Patria Austria“ 110.000 Euro an Spenden.

Die FPÖ kündigte nach dem „profil“-Artikel am Samstag an, zwei der drei neu aufgetauchten Vereine aufzulösen. Für den dritten Verein – „Patria Austria“ – kündigte Generalsekretär Christian Hafenecker eine Prüfung durch Wirtschaftsprüfer bis Montag an. „Es gab jedoch auch in diesem Fall zu keinem Zeitpunkt direkte oder indirekte Spenden dieses Vereins an die FPÖ“, versicherte Hafenecker. Die FPÖ beklagte zudem eine „mediale Hetzjagd“. Zwei der drei Vereine verfügten über gar kein Konto. Das Personenkomitee für Strache sei zwar geplant, aber nie realisiert worden, so Hafenecker.

Wirtschaftsprüfung für zwei Vereine erfolgt

Bereits in den vergangenen Tagen waren zwei FPÖ-nahe Vereine, „Austria in Motion“ und „Wirtschaft für Österreich“, im Zusammenhang mit der „Ibiza-Affäre“ ins öffentliche Interesse gerückt. Strache hatte in dem heimlich gefilmten Video von verdeckten Parteispenden vermögender Unterstützer gesprochen. Seinen Angaben zufolge flossen die Spenden im Wahlkampf 2017 über parteinahe Vereine, um die Meldepflicht an den Rechnungshof zu umgehen. Die beiden Vereine haben zwar bestätigt, insgesamt 460.000 Euro an Spenden erhalten zu haben. Die Weiterleitung an die Partei sei aber weder erfolgt noch geplant gewesen, hieß es seitens der Vereine. Wirtschaftsprüfer bestätigten zudem, dass kein Geld an die FPÖ oder Vorfeldorganisationen geflossen ist. Die Herkunft der Mittel ist weiter unbekannt.

In allen fünf Vereinen sind laut „profil“ dieselben Personen aktiv: der FPÖ-Abgeordnete Markus Tschank, der FPÖ-nahe ORF-Stiftungsrat Markus Braun und Alexander Landbauer, der Bruder des niederösterreichischen FPÖ-Klubchefs Udo Landbauer. Braun und Tschank bestritten direkte oder indirekte Zahlungen an die FPÖ durch die Vereine.

NEOS sieht „schiefes Licht“ durch Verbindungen

Der frühere Mitarbeiter von Markus Braun, Peter Sidlo, ist mittlerweile zum Finanzvorstand der Casinos Austria aufgestiegen. Wie der „Standard“ berichtete, ohne Empfehlung des Personalberaters. NEOS verwies am Samstag per Aussendung auf weitere Verbindungen der Vereinsverantwortlichen. NEOS-Abgeordneter Sepp Schellhorn will in einer parlamentarischen Anfrage von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) wissen, wie es zu dieser Postenbesetzung gekommen ist. In der Anfrage verweist Schellhorn darauf, dass Sidlo und Tschank gemeinsam mit dem Sprecher des Novomatic-Konzerns, Bernhard Krumpel, eine gemeinsame Firma unterhalten hätten: die Mitte 2018 liquidierte „Polimedia GmbH“.

FPÖ-nahe Vereine im Fokus

Die FPÖ geriet durch das Ibiza-Video in den Verdacht, bei Parteispenden den Rechnungshof zu umgehen. Und tatsächlich sind weitere FPÖ-nahe Vereine bekanntgeworden, die für die Partei Spenden gesammelt haben.

Novomatic ist sowohl Konkurrentin der Casinos als auch Minderheitsaktionär des teilstaatlichen Konzerns. Schellhorn kritisierte, dass diese Verbindungen die Personalbesetzung „in ein massiv schiefes Licht“ rückten, und verlangt von Löger Aufklärung darüber, wie die Berufung Sidlos zustande kam. Sidlo betonte in einer Stellungnahme gegenüber der APA, dass die Polimedia „Beratungsleistungen an der Schnittstelle Recht, Finanzen und Kommunikation“ für Unternehmen angeboten habe. Er und seine zwei Partner Tschank und Krumpel hätten jeweils ihre Expertise eingebracht. Überschneidung oder gar einen Konflikt mit den Geschäftsbereichen habe es „zu keinem Zeitpunkt“ gegeben.

Krumpel wies zudem darauf hin, dass er die gemeinsame Firma mit Tschank und Sidlo vor seinem Wechsel zu Novomatic verlassen habe. Er habe seine operative Tätigkeit für Polimedia Ende 2016 beendet und sei mit 2017 bei Novomatic eingestiegen, so Krumpel.

Material bereits 2015 angeboten

Auch abseits der Vereine hielt die „Ibiza-Affäre“ Österreichs Innenpolitik und Justiz am Samstag weiter auf Trab. Wie der „Standard“ berichtete, hat der am „Ibiza-Video“ beteiligte Anwalt bereits vor der Wiener Gemeinderatswahl 2015 versucht, SPÖ, ÖVP und NEOS kompromittierendes Material über Strache anzubieten. Laut NEOS-Generalsekretär Nick Donig wurden Bilder von Strache und SMS-Chatverläufe zum Kauf angeboten. Man habe aber abgelehnt, so Donig in der deutschen „Welt am Sonntag“. Bereits am Donnerstag war bekanntgeworden, dass die SPÖ es im Nationalratswahlkampf 2017 abgelehnt hatte, von dem Wiener Anwalt angebotenes belastendes Material über Strache zu verwenden.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wartet nun mit Ermittlungen auf die Freigabe durch das Parlament. Die WKStA gab bekannt, dass sie um die Aufhebung der parlamentarischen Immunität zweier Abgeordneter ersucht hat, aber nicht, um welche Mandatare es sich handelte. Es dürfte dabei aber um Markus Tschank sowie um Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus gehen. Gudenus ist bereits zurückgetreten, womit seine Immunität erloschen ist.

Strache auf Ibiza

Der ehemalige FPÖ-Chef sprach im „Ibiza-Video“ davon, den Rechnungshof zu umgehen.

„Erst nach erfolgter Zustimmung zur strafrechtlichen Verfolgung der Abgeordneten können Ermittlungen (im Zusammenhang mit der Causa ‚Ibiza-Video‘) eingeleitet werden“, heißt es in einer Pressemitteilung der Korruptionsstaatsanwaltschaft vom Wochenende. Außerdem werden Zusammenhänge mit anderen bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft anhängigen Verfahren geprüft.

Anwalt gab Beteiligung zu

Ob durch Aufnahme und Veröffentlichung des Videos österreichische Gesetze verletzt worden sein könnten, prüft indessen die Staatsanwaltschaft Wien. Der Wiener Anwalt hatte am Freitag bestätigt, in die Vorbereitung des Videos involviert gewesen zu sein und bezeichnete es als „zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt“. An strafbaren Handlungen habe er sich nicht beteiligt. Ein „verdeckter Kameraeinsatz“ sei „zur Aufdeckung von Missständen zulässig und durch die Meinungsfreiheit geschützt“.

Auch in diesem Zusammenhang wurde noch kein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien bestätigte der APA lediglich, dass Strache – wie am Freitag angekündigt – Anzeige eingebracht hat. Diese werde nun geprüft. Strache hatte Anzeige gegen drei mutmaßliche Drahtzieher des Videos erstattet. Die drei seien „mögliche Mittäter“ bei der Erstellung der Aufnahmen. Der ehemalige FPÖ-Chef nannte keine Namen und sagte auch nicht, auf welche Straftaten sich die Anzeigen beziehen.

Kurz sieht „SPÖ-FPÖ-Koalition“

Seit dem Zerbrechen der Koalition führt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bis zur vorgezogenen Wahl im September eine Minderheitsregierung an. Am Montag muss er sich vor dem Nationalrat einem Misstrauensvotum stellen. Dass Kurz das Misstrauen ausgesprochen wird, ist nicht ganz ausgeschlossen. SPÖ und FPÖ signalisierten Zustimmung zum von JETZT geplanten Misstrauensantrag, legten sich aber noch nicht fest.

Grafik zeigt Sitzverteilung im Parlament
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Kurz sprach am Freitagabend in der ZIB2 bereits von einer „entstehenden SPÖ-FPÖ-Koalition“. Es bilde sich eine Koalition aus SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und dem ehemaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), die zum Ziel hätten, ihn abzuwählen – ein Umstand, den die SPÖ dementiert. Wenn das Parlament am Montag aber so entscheide, werde er das „als überzeugter Demokrat“ zur Kenntnis nehmen. Am Ende aber sei es wieder das Volk, das die Entscheidungen treffe – und zwar bei der vorgezogenen Nationalratswahl im September.

Umfragen geben Kurz Rückenwind

Laut Meinungsumfragen wäre die Abwahl des Bundeskanzlers für die Opposition riskant. In einer Umfrage von Research Affairs für die Tageszeitung „Österreich“ sprechen sich 65 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gegen und nur 35 Prozent für ein Misstrauensvotum aus. Laut einer Market-Umfrage für den „Standard“ lehnen 52 Prozent die Abwahl des Kanzlers ab, nur 30 Prozent würden es befürworten.

Kanzler Kurz in der ZIB2

Sebastian Kurz warnte vor einer Absprache zwischen FPÖ und SPÖ.

In der Opposition standen die Zeichen aber auch am Samstag gegen Kurz. „Uns stimmt man nicht mehr um, der Kanzler hat unser Vertrauen verspielt“, sagte der Chef der SPÖ-Gewerkschafter, Rainer Wimmer, im „profil“. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger lehnt den Misstrauensantrag gegen Kurz ab. Kritik am Kanzler übte sie dennoch am Samstag. Sie warf Kurz vor, die Gespräche mit der Opposition falsch wiederzugeben, und empfiehlt „Anstand statt Taktik“.

Kurz hatte in mehreren Interviews behauptet, von der Opposition keine Bedingungen für die Duldung seiner ÖVP-Minderheitsregierung erhalten zu haben. Wie Meinl-Reisinger in einer Aussendung sagte, habe sie Kurz acht Forderungen vorgelegt. Es sei „extrem enttäuschend, dass Sebastian Kurz diesen Austausch der letzten Tage nun offenbar aus parteitaktischen Gründen verleugnet“, so Meinl-Reisinger.