YouTube-Star Rezo in seinem Video „Die Zerstörung der CDU“
Screenshot Youtube
Deutschland

Parteien laborieren am Zorn der YouTuber

Kurz vor der EU-Wahl hat der deutsche YouTube-Star Rezo mit wütenden Videoclips die Parteien aufgeschreckt. Darin äußerte er scharfe Kritik an der Klimapolitik Deutschlands und rief dazu auf, weder CDU, CSU, SPD noch AfD zu wählen. Die Fangemeinde des sonst wenig politisch agierenden YouTubers ist groß, und Union und SPD fürchten ohnehin große Verluste bei der EU-Wahl.

Mit einem fast eine Stunde lang dauernden Video mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ erreichte „Rezo ja lol ey“ innerhalb von sechs Tagen beinahe zehn Millionen Seherinnen und Seher. Der 26-Jährige, dessen Markenzeichen blau gefärbte Haare sind, dreht seit 2015 Musik- und Comedyvideos auf zwei Kanälen und gehört zu den erfolgreichsten YouTubern in Deutschland. Sein Video über die CDU machte ihn nun in ganz Deutschland und darüber hinaus bekannt.

In dem Video warf er der CDU vor, sie zerstöre „unser Leben und unsere Zukunft“. Beim Klimawandel sei die Koalition untätig und mache Politik für Reiche. Die Klimaziele seien nicht eingehalten worden, monierte er: „Ziele setzen und nicht einhalten ist was für Leute, die abnehmen wollen.“

CDU-Chefin geplagt

Das Video sorgte schnell für viel Aufmerksamkeit bis in die hohe Politik. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte etwa: „Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab.“ Am Freitag, zwei Tage vor der EU-Wahl, legte Rezo noch einmal nach. Auf seinem YouTube-Kanal tauchte ein knapp dreiminütiges neues Video auf, in dem sich Dutzende andere YouTuber mit dem 26-Jährigen solidarisierten.

Sie lasen eine Erklärung vor, die auch als Text unter dem Video zu sehen war. Darin hieß es unter anderem: „Wählt nicht die CDU/CSU, wählt nicht die SPD. Wählt auch keine andere Partei, die so wenig im Sinne von Logik und der Wissenschaft handelt und nach dem wissenschaftlichen Konsens mit ihrem Kurs unsere Zukunft zerstört. Und wählt schon gar nicht die AfD, die diesen Konsens sogar leugnet.“ Angehängt war eine Liste von mehr als 70 Unterzeichnenden, darunter einige der reichweitenstärksten YouTuber Deutschlands. Andere Parteien neben CDU, CSU, SPD und AfD wurden in dem Statement nicht genannt.

Gesprächseinladung ohne Antwort

Vor allem Union und SPD gerieten damit in die Defensive. „Egal, ob auf YouTube oder anderswo, Klimaschutz geht uns alle an“, so Kramp-Karrenbauer zu T-online.de. Die EU-Spitzenkandidatin der SPD, Katarina Barley, sagte, es sei „ja die SPD nicht als Partei angegriffen worden, sondern die Koalition“. Sie finde es gut, „dass die jungen Leute das Wort ergreifen und sich artikulieren“. In einer Koalition müsse man aber Kompromisse eingehen.

Demonstranten vor dem Brandenburger Tor in Berlin
APA/AFP/John MacDougall
Unterstützung für Rezo beim Klimaprotest „Fridays for Future“ in Berlin

Beide Großparteien sendeten ein Gesprächsangebot an Rezo, erhielten aber keine Antwort. „Uns hat eure Kritik erreicht“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in einem eigenen Video. Die CDU hatte zunächst noch abweisend reagiert und lange mit der Frage gerungen, wie sie auf das Video antworten solle. Dann lud Generalsekretär Paul Ziemiak Rezo schließlich auch zum Gespräch ein.

Die AfD reagierte gelassen: „In zehn Jahren wählen die YouTuber, die es zu einem richtigen Job, einer Familie und vielleicht sogar einer Eigentumswohnung gebracht haben, die AfD“, sagte ein Parteisprecher der dpa.

Experten sehen möglichen Effekt

Mehrere Politikwissenschaftler und politische Berater bewerteten das millionenfach angeklickte Video als ernstzunehmendes Risiko für die CDU. Der Politikwissenschaftler Stefan Heumann sagte der dpa, zwar werde das Video keine entschlossenen CDU-Wählerinnen und -Wähler umstimmen, es könne bei der Europawahl aber zu einem Mobilisierungsschub bei Jungen führen. Zudem wurde das Video auch von Massenmedien aufgegriffen, es erreiche so nicht nur Wähler im Netz. Der Politikberater und Blogger Martin Fuchs sagte der dpa, junge Menschen beklagten vor allem respektlose Reaktionen und fühlten sich nicht ernst genommen.

EU-Wahl bringt wohl Verluste

Dabei steuern Union und SPD auf große Verluste bei der Wahl am Sonntag zu. Die Parteien der Großen Koalition in Deutschland könnten ihr schlechtestes Ergebnis bisher bei Europawahlen einfahren. Die Grünen indes steuern auf ein Rekordergebnis zu und könnten zweitstärkste Partei werden, auch die AfD dürfte stärker abschneiden als bei der Wahl 2014.

Für die SPD geht es am Sonntag zudem um ihr Stammland Bremen: Hier findet auch die Bürgerschaftswahl statt. Sollten die Sozialdemokraten Bremen verlieren, „braucht es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass das die Diskussion um einen Verbleib in der Großen Koalition auf Bundesebene wieder anheizt“, so die deutsche „Tagesschau“.