Ein Mann mit Kippa
AP/Markus Schreiber
Kippa-Debatte

Israels Präsident „schockiert“

Der Antisemitismus-Beauftragte der deutschen Regierung hat eine Debatte über das Tragen der Kippa ausgelöst. Er riet Juden ab, „jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen“. Das trug Deutschland scharfe Kritik aus Israel ein. Präsident Reuven Rivlin warnte vor einer „Kapitulation vor dem Antisemitismus“.

Der Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt, er könne „Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen“. Seine Meinung habe sich „im Vergleich zu früher leider geändert“, so Klein. Er begründete die Entwicklung mit einer „zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung“. „Hierzu haben das Internet und die Sozialen Medien stark beigetragen, aber auch die fortgesetzten Angriffe auf unsere Erinnerungskultur.“

Nach Kleins Angaben sind rund 90 Prozent der Straftaten dem rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen. Muslimische Täterinnen und Täter verfolgten zudem oft Berichte arabischer Sender, „in denen ein fatales Bild von Israel und Juden vermittelt wird“. Klein forderte angesichts des Anstiegs antisemitischer Straftaten Schulungen für die Polizei und andere Beamte. Dort gebe es „viel Unsicherheit“ im Umgang mit Antisemitismus.

„Potenziell Gefährdung ausgesetzt“

Klein sagte der dpa, er habe mit seiner Aussage aufrütteln wollen. Mit seinem provozierenden Statement habe er bewusst eine Debatte über die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland anstoßen wollen. „Natürlich bin ich der Auffassung, dass es nirgendwo in Deutschland No-go-Areas für Juden oder Angehörige von anderen Minderheiten geben darf.“

Der Präsident Israels, Reuven Rivlin
AP/Michel Euler
Rivlin mahnte Deutschland, die Sicherheit für die jüdischen Gemeinde zu gewährleisten

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, pflichtete Klein bei, dass Juden in einigen Großstädten tatsächlich „potenziell einer Gefährdung ausgesetzt sind, wenn sie als Juden zu erkennen sind“. Das sei „seit Längerem eine Tatsache“, es sei „daher zu begrüßen, wenn diese Situation auch auf höchster politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit erfährt“.

„Verpflichtung“ der deutschen Regierung

Die Bekämpfung des Antisemitismus „muss sich die ganze Gesellschaft zu eigen machen“, fuhr Schuster fort. Dafür sei es „höchste Zeit“. Der „Welt am Sonntag“ sagte der Zentralratspräsident: „Wir fühlen uns von den Sicherheitsbehörden zwar ausreichend geschützt, aber es wird Zeit, dass sich in der Gesellschaft der Wind wieder dreht.“

Israels Präsident Reuven Rivlin reagierte entsetzt auf Kleins Warnung. Seine Äußerungen hätten ihn „schockiert“. Er hob die „Verpflichtung“ der deutschen Regierung für die jüdische Gemeinde hervor: „Ängste um die Sicherheit deutscher Juden sind eine Kapitulation vor dem Antisemitismus und ein Eingeständnis, dass Juden auf deutschem Boden erneut nicht sicher sind“, sagte Rivlin.

„Wir werden uns niemals unterwerfen, wir werden niemals den Blick senken und wir werden auf Antisemitismus niemals mit Defätismus reagieren.“ Dasselbe erwarte und verlange Israel auch von seinen Verbündeten, fügte der israelische Staatschef hinzu.

Mehr antisemitische Straftaten

2018 war die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland stark gestiegen. Der jüngste Jahresbericht zur politisch motivierten Kriminalität wies 1.799 Fälle aus – 19,6 Prozent mehr als 2017.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland warnte wiederholt vor wachsendem Antisemitismus und hat auch vom Tragen der Kippa in Teilen von Großstädten abgeraten.