ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer und Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß
APA/Georg Hochmuth
Trendprognose

ÖVP gewinnt stark dazu, FPÖ verliert leicht

Die ÖVP ist laut der auf Wahltagsbefragungen basierenden ersten Trendprognose klarer Sieger der EU-Wahl. Die Volkspartei legte am Sonntag deutlich zu und liegt bei 34,5 Prozent. Die SPÖ hat leicht verloren, liegt aber auf Platz zwei. Nur geringe Verluste muss die FPÖ trotz des „Ibiza-Skandals“ verkraften. Den Grünen gelingt ein politisches Comeback, sie liegen klar vor NEOS.

Für die Trendprognose kooperierten ORF, APA und ATV sowie die Wahlforscher/-innen von SORA, ARGE Wahlen und Peter Hajek erstmals. Dazu wurden von den Wahlforschern unabhängig voneinander Umfragen durchgeführt, am Wahlsonntag wurde daraus dann eine gemeinsame Trendprognose erstellt.

Insgesamt wurden zwischen Dienstag und Sonntag 5.200 Interviews mit Wahlberechtigten in Österreich geführt. Die Trendprognose weist eine Schwankungsbreite von etwa 2,5 Prozentpunkten auf. Erste Ergebnisse gibt es erst gegen 23.00 Uhr.

ÖVP klarer Sieger

Mit einem Plus von 7,5 Prozentpunkten gelang der ÖVP ein klarer Wahlerfolg. Deutlich dahinter liegt die SPÖ mit 23,5 Prozent, das entspricht einem Verlust von 0,6 Prozentpunkten. Die Sozialdemokraten konnten damit den „Ibiza-Skandal“ nicht für sich nutzen. Die FPÖ kommt laut Trendprognose auf 17,5 Prozent – und verlor damit lediglich 2,2 Prozentpunkte.

Trendprognose EU Wahl
SORA/ARGE Wahlen/Hajek im Auftrag von ORF/APA/ATV

Die Grünen kommen auf 13,5 Prozent, das ist zwar ein Verlust von 1,0 Prozentpunkten – aber eine der größten Überraschungen des Wahlabends. NEOS bleibt im Vergleich zur letzten EU-Wahl stabil bei acht Prozent. Die Initiative 1 Europa von Johannes Voggenhuber schafft mit zwei Prozent den Einzug ins EU-Parlament nicht, ebenso die KPÖ Plus mit einem Prozent. Die Wahlbeteiligung dürfte zwischen 55 und 60 Prozent liegen und damit stark gestiegen sein.

Mit dem Wahlsieg kommt die ÖVP laut Trendprognose auf sieben Mandate, zwei mehr als bisher. Die SPÖ hat weiter fünf Sitze, die FPÖ verliert einen und kommt auf drei. Die Grünen verlieren einen Sitz – den sie allerdings bei einem Vollzug des Brexits wieder erhalten würden. NEOS hält ein Mandat.

Mandate Trendprognose EU Wahl
SORA/ARGE Wahlen/Hajek im Auftrag von ORF/APA/ATV

ÖVP sieht Vertrauensvotum für Kurz

Die ÖVP wertete ihr Ergebnis als „starkes Vertrauensvotum für Kanzler Sebastian Kurz, der für Stabilität und Handlungsfähigkeit“ stehe, sagte Generalsekretär Karl Nehammer im ORF in Anspielung auf das bevorstehende Misstrauensvotum gegen Kurz im Nationalrat. Er sprach in einer ersten Reaktion von einem „guten Tag für Österreich und Europa“.

Jubel bei der ÖVP

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer sieht im Ergebnis ein Vertrauensvotum für Kurz

Nehammer bedankte sich bei den Spitzenkandidaten Othmar Karas und Karoline Edtstadler für ihren Einsatz. Edtstadler zeigte sich vom Ergebnis „überwältigt“. Auch sie sieht Kurz gestärkt: „Das ist eine klare Bestätigung für den Kurs in Österreich, den wir nun auf europäischer Ebene fortsetzen wollen“, meinte sie.

Kurz: „Wir trotzen allem, was kommen wird“

Kurz selbst bezeichnete das Ergebnis als „fulminant“. „Es ist das historisch beste Wahlergebnis, das jemals bei einer Europawahl in Österreich erzielt worden ist“, rief Kurz dem im neuerlich einsetzenden Regen wartenden ÖVP-Tross von der vor der Parteizentrale aufgebauten Bühne zu. Kurz sah in dem Votum eine „Stärkung der Mitte“. Zudem wertete er es als starkes Zeichen, dass die Wahlbeteiligung gestiegen ist. Man werde für EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber voraussichtlich sieben Mandate „liefern“, hob Kurz hervor.

Bundeskanzler Kurz und ÖVP-Spitzenpolitiker
APA/Georg Hochmuth
Kurz wurde bei der ÖVP mit Sprechchören empfangen

„Was auch immer morgen passieren wird“, meinte er hinsichtlich des drohenden Misstrauensvotums gegen ihn in der Sondersitzung des Nationalrates: „Wir trotzen nicht nur dem Regen, wir trotzen allem anderen, was kommen wird“, so Kurz: „Wir sind gestärkt.“

SPÖ „nicht zufrieden“

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ist mit dem sich abzeichnenden Ergebnis „selbstverständlich nicht zufrieden“. In einer ersten Reaktion im ORF meinte Drozda allerdings, der Wahlabend sei noch nicht vorbei, und verwies auf die Schwankungsbreite der Trendprognose. Erfreulich sei jedenfalls, dass die Wahlbeteiligung gestiegen sei. Noch nicht festlegen wollte sich Drozda, was den Misstrauensantrag gegen Kurz am Montag angeht. Mit dem bisherigen Verhalten des ÖVP-Chefs ist er jedenfalls nach wie vor nicht zufrieden: „Vertrauensbildend ist es nicht.“

Erste Reaktion der SPÖ

Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda hofft auf Zuwächse im Laufe des Abends.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sah für die Sozialdemokratie „eine klare Wahlniederlage“. Das hänge damit zusammen, dass man zwei Aspekte nicht realisiert habe: Einer ersten Analyse zufolge habe man nicht mobilisieren können, „wenngleich die Wahlbeteiligung gestiegen ist. Die ÖVP hat hier besser mobilisiert, keine Frage.“ „Ein zweiter Aspekt ist sicher jener, dass wir ganz einfach keinen Wähleraustausch zustande bringen zwischen Freiheitlicher Partei und Sozialdemokratie“, sagte Doskozil in Eisenstadt. „Dieses Ergebnis bundesweit ist mit Sicherheit kein Ruhmesblatt für die Sozialdemokratie.“

Schieder will „dem Herzen folgen“

Die SPÖ sei für Platz eins „noch nicht so weit", man werde daran aber weiterarbeiten, so SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder. Wichtig sei,"dass wir nicht taktieren, sondern einfach unserem Herzen folgen“, meinte er bezüglich der Haltung zur ÖVP.

Dass der EU-Wahlkampf in der letzten Wochen ausschließlich innenpolitisch überschattet gewesen sei, schrieb er nicht nur der FPÖ, sondern auch dem Bundeskanzler zu. Der „lupenreine Egoist“ Kurz sei „gescheitert an sich selbst, und das wird die Antwort auch am Montag sein“. Es sei „Zeit für einen politischen Neuanfang“, meinte er unter dem Jubel der Anwesenden, ohne die kommende Misstrauensabstimmung im Nationalrat explizit zu erwähnen. Man wolle „dorthin gehen, wo wir spüren, dass die Menschen das von uns erwarten“.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nutzte ihren Auftritt im Festzelt ihrer Partei zur Mobilisierung für die bevorstehende Nationalratswahl. Als ihren Gegner identifizierte sie dabei Bundeskanzler Kurz. „Dieses Land darf nicht Spielball einer einzigen Person werden“, rief sie ihren Unterstützern zu. „Diese Wahl ist vorbei, und wir stehen ab morgen vor der nächsten Wahlauseinandersetzung“, sagte die SPÖ-Chefin.

Vilimsky will „Wählerrückholaktion“ starten

Die FPÖ zeigte sich nach nur leichten Verlusten mehr als zufrieden. „Das zeigt, wie hoch unser Stammwählerpotenzial ist“, sagte Spitzenkandidat und Generalsekretär Harald Vilimsky. Er sah in einer ersten Reaktion gegenüber dem ORF keinen Grund, das Misstrauensvotum gegen Kurz wegen des sehr starken ÖVP-Ergebnisses abzusagen. In einem späteren Interview relativierte er das.

Vilimsky will Wähler zurückholen

Vilimsky ist zufrieden mit dem FPÖ-Ergebnis

Das werde im Parlamentsklub am Montag besprochen, Kurz habe aber schon zwei Regierungen gesprengt. „Er steht nicht für Stabilität, und wenn Sie mich fragen, verdient er kein Vertrauen.“ Allerdings: Man werde am Montag bei den Beratungen im Klub auch „andere Aspekte mit einflechten“, sagte Vilimsky vor Journalisten im Haus der EU.

Für Vilimsky ist die FPÖ „stabil geblieben, wir haben die Mandate gehalten“. „Jetzt beginnt die größte Wählerrückholaktion.“ Die „Ibiza-Affäre“ habe „Schaden verursacht, keine Frage, aber wir holen uns ungeachtet dessen die Wähler zurück“.

Freudentaumel bei den Grünen

Jubel herrschte bei den Grünen: EU-Parlamentarierin und Listendritte Monika Vana sprach von einem „sensationellen Wahlabend“. Wie man sich für die Nationalratswahl aufstellen werde, würden die Gremien entscheiden, so Vana auf die Frage, wie man weitermache, wenn Parteichef Werner Kogler jetzt als EU-Mandatar nach Straßburg wechselt.

Riesiger Jubel bei den Grünen

EU-Parlamentarierin Vana freute sich über das Ergebnis

Lautstark gefeiert wurde das grüne Spitzenduo Kogler und Sarah Wiener bei der grünen Wahlparty im Metropol. „Wir werden auf diesem Weg weiterarbeiten: zurück zu den Grünen!“, wiederholte Kogler sein Wahlkampfmotto unter großem Jubel über das zweistellige Ergebnis.

Die Grünen seien „immer stärker auch eine Bewegung und nicht nur eine Partei“. „Hinfallen, aufstehen, weitermarschieren“ gab Kogler auch mit Blick auf den Herbst und die anstehende Nationalratswahl als Parole aus. „Es geht darum, in diesem Land neue Mehrheiten möglich zu machen.“ Nämlich „jenseits von korruptionsanfälligen Rasselbanden“, so Kogler.

NEOS zufrieden

NEOS zeigte sich in einer ersten Reaktion auf die Trendprognose durchaus erfreut. „Ich glaube, das ist ein großartiges Ergebnis, wenn wir so liegen wie beim letzten Mal“, sagte der stellvertretende Klubobmann Nikolaus Scherak.

NEOS sieht sich im Aufwind

NEOS zeigte sich zufrieden, auch wenn sich offenbar kein zweites Mandat ausgeht.

Wenn man die letzte Nationalratswahl als Referenz nehme, handle es sich sogar um einen Zuwachs um etwa drei Prozentpunkte, sagte Scherak. Dass sich das zweite Mandat laut der ersten Trendprognose nicht ausgehen dürfte, sei natürlich schade. „Man wünscht sich immer mehr Mandate“, sagte er, acht Prozent seien aber ein sehr gutes Ergebnis.

NEOS-Spitzenkandidatin Claudia Gamon zeigte sich sehr zufrieden: „Ich freue mich wirklich darüber“, auch wenn es natürlich schade sei, dass man das zweite Mandat nicht geschafft habe. „Ich kann nicht behaupten, dass es nicht schade ist, dass wir nicht zu zweit einziehen“, sagte Gamon. Kommentatoren hätten im Vorfeld prophezeit, dass NEOS für die Forderung nach den „Vereinigten Staaten von Europa“ abgestraft werde.

Voggenhuber gratuliert den Grünen

Johannes Voggenhuber, Spitzenkandidat der Initiative 1 Europa, zeigte sich vor allem darüber enttäuscht, dass das „Ibiza-Video“ keine tiefgehendere politische Veränderung ausgelöst habe. Das Abschneiden seiner Initiative analysierte er nüchtern. „Ich wusste, dass das Projekt mit hohem Risiko behaftet ist“, sagte Voggenhuber.

Durch das „Ibiza-Video“ sei die „Formierung der Innenpolitik“ bei der EU-Wahl in den Vordergrund gerückt, damit habe sich die Ausgangssituation völlig verändert. Das Ergebnis zeige jedenfalls, dass das Video „nur bei den Linken“ für Aufregung sorge. Den Grünen gratulierte Voggenhuber zu ihrem guten Abschneiden. Er selbst will nun politisch – zumindest vorerst – keine neue Funktion übernehmen.